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Von in Berufsunfähigkeitsversicherung (BU)Lesedauer: 5 Minuten
Matthias Helberg
Versicherungsmakler und ein der bekannten Experten für die Berufsunfähigkeitsversicherung in Deutschland: Matthias Helberg. | Foto: Matthias Helberg / Canva
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Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig (Az.: 11 U 316/21) verdeutlicht die Konsequenzen arglistiger Täuschung beim Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung (BU). Selbst nach Ablauf der zehnjährigen Anfechtungsfrist kann der Versicherer die Leistung verweigern, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall bewusst erst nach Fristablauf meldet, um eine Anfechtung zu verhindern.

Zunächst ein Rückblick: 2016 machte ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2015 in der Branche Furore. Damals ging es um einen Versicherten, der beim Abschluss seiner BU-Zusatzversicherung seine Parkinson-Erkrankung absichtlich nicht angegeben, also arglistig getäuscht hatte. Sechs Jahre später wurde er berufsunfähig, beantragte Leistungen aber erst zehn Jahre nach dem Abschluss.

Der Versicherer sprach Monate später eine Anfechtung aus und verweigerte die Zahlung. Dagegen klagte der Versicherungsnehmer beziehungsweise seine Witwe bis zum BGH. Dieser entschied gegen den Versicherer. Er hatte die Zehn-Jahres-Frist nach dem Abschluss, innerhalb der eine Anfechtung möglich ist, versäumt. Der Versicherer musste also zahlen (Az.: IV ZR 277/14).

Der Fall: Verschleierung psychischer Vorerkrankungen

Nun aber der neue Fall: Ein Polizeibeamter des Spezialeinsatzkommandos schloss mit Beginn zum 1. September 2008 eine BU-Versicherung bei einem Münsteraner Versicherer ab. Dabei verneinte er Fragen zu psychischen Vorerkrankungen und Behandlungen.

Zum 31. Oktober 2017 versetze ihn sein Dienstherr wegen psychischer Erkrankungen und einer Augenkrankheit wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Ein vom ehemaligen Polizeibeamten beauftragter Rechtsanwalt beantragte im September 2018 beim betroffenen Lebensversicherer Leistungen wegen Berufsunfähigkeit. Also exakt zehn Jahre und drei Tage nach Versicherungsbeginn. Bei einem anderen BU-Versicherer hatte der ehemalige Polizeibeamte seinen Leistungsantrag bereits im Jahr 2017 gestellt.

Während der Leistungsprüfung stellte sich heraus, dass der Versicherte schon seit 2005 mehrfach wegen psychischen Erkrankungen wie ADS und Depressionen bei Ärzten vorstellig geworden war. Außerdem wurde er wiederholt krankgeschrieben und nahm Medikamente gegen die Beschwerden ein. Erst wenige Tage vor dem Abschluss der BU war er noch diesbezüglich in Behandlung gewesen.

Der Versicherer aus Münster verweigerte daraufhin die Leistung. Der ehemalige Polizeibeamte klagte zunächst vor dem Landgericht Göttingen (Az.: 5 O 25/20), verlor und ging anschließend vor dem OLG Braunschweig in Berufung.

Wie der Versicherer die Leistungsverweigerung begründete

Klar war, dass der Versicherer aus Münster wegen des eingangs erwähnten BGH-Urteils den Vertrag nicht mehr anfechten konnte. Denn die Zehn-Jahres-Frist war unbestritten abgelaufen. Aber dem dreisten Kunden wollte er trotzdem nicht die BU-Rente zahlen. Vor Gericht führte der Versicherer gleich mehrere Argumente für seine Leistungsverweigerung an:

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  • Für den Einsatz beim SEK sei der Polizeibeamte bereits vor dem Abschluss der Berufsunfähigkeitsversicherung dienstunfähig gewesen;
  • Ihm, dem Versicherer, stehe gemäß § 826 BGB ein Schadensersatzanspruch in Höhe des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu. Denn dieser habe seine vorvertragliche Anzeigepflicht in ganz ungewöhnlich schwerem Maße verletzt. Er sei zielgerichtet vorgegangen, um den Ablauf der Frist von zehn Jahren für die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zu umgehen;
  • Außerdem berief sich der Versicherer auf einen Verstoß des Versicherten gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn dieser versuche, ein Recht auszuüben, das er durch gesetz-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erworben habe;
  • Schließlich berief sich der Versicherer auf den hinter § 162 BGB stehenden allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach eine Partei keinen Vorteil daraus ziehen könne, wenn sie entgegen Treu und Glauben ein bestimmtes Ereignis herbeiführe oder vereitele (hier: Anfechtungsmöglichkeit der Beklagten bei früherer Meldung des Versicherungsfalls).

So entschied das Gericht

Das OLG Braunschweig lehnte die Berufung des ehemaligen Polizisten ab, der Versicherer musste nicht leisten. Zwar könne der Lebensversicherer den Vertrag aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr anfechten, dennoch seien dem Versicherten die Versicherungsleistungen zu versagen. Seinem Leistungsanspruch stehe in diesem konkreten Fall der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen, da er unter Verstoß gegen Treu und Glauben den Versicherungsfall absichtlich erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist gemeldet habe.

Damit habe er die Ausübung des Anfechtungsrechts durch den Versicherer gezielt vereitelt. Dies folge für das Gericht daraus, dass der Versicherungsnehmer bereits ein Jahr zuvor gewusst habe, dass der Versicherungsfall eingetreten sei, diesen aber erst genau drei Tage nach Ablauf der Ausschlussfrist gemeldet hatte. Bei einem anderen BU-Versicherer habe er dagegen sofort den Eintritt seiner Berufsunfähigkeit angezeigt. Damit habe der Versicherungsnehmer in besonders schwerem Maße gegen seine Pflicht verstoßen, auf die Interessen des Versicherers Rücksicht zu nehmen.

 

Das OLG Braunschweig ließ keine Revision vor dem BGH zu. Der Anwalt des ehemaligen Polizisten zog in der Folge mit einer Nichtzulassungsbeschwerde vor den BGH. Das oberste deutsche Gericht wiederum wies diese mit Beschluss vom 23. Oktober 2024 zurück (Az. IV ZR 229/23). Das ursprüngliche Urteil ist demnach rechtskräftig. Der ehemalige Polizist bekommt keine Berufsunfähigkeitsrente und muss die Kosten des Verfahrens tragen

Mein Fazit: Gutes Urteil für alle Ehrlichen

Leistungen, die ein unehrlicher Versicherungskunde von seinem Versicherer erhält, zahlt nicht irgendein anonymer Versicherungskonzern. Letztlich zahlen die ehrlichen, dort versicherten Kunden mit ihren Beiträgen. Das scheinen manche Mitmenschen nicht zu verstehen – oder es ist ihnen egal.

Interessant ist, wie viele Argumente der Versicherer für seine Leistungsverweigerung vor Gericht vorgetragen hat. Wie hätte das Gericht entschieden, wenn der Leistungsfall erst zehn Jahre nach Abschluss eingetreten wäre? Auf entsprechende Urteile darf man gespannt sein.

Über den Autor:

Matthias Helberg, Jahrgang 1963, hat seine erste eigene Berufsunfähigkeitsversicherung 1994 abgeschlossen und 1999 die erste BU-Police als Quereinsteiger selbst vermittelt, ohne bis heute einen einzigen Tag für einen Versicherer gearbeitet zu haben. Er gründete im Jahr 2004 sein eigenes Maklerunternehmen. Inzwischen betreut das Helberg-Team in Osnabrück eine vierstellige Anzahl von BU-Kunden.

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