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Oft liegt es am Versicherten selbst: Wenn die BU nicht zahlt

Das Analysehaus Franke und Bornberg hat seine diesjährige Leistungspraxisstudie für die Berufsunfähigkeitsversicherung veröffentlicht. Diese untersucht Leistungsanträge, die im Jahr 2023 entschieden wurden. Zentrales Ergebnis: Nahezu 80 Prozent aller Entscheidungen treffen die teilnehmenden Versicherer zugunsten der Anspruchsteller. Abhängig von Alter und Krankheit fällt die Quote aber sehr unterschiedlich aus.
Problem: Ein Großteil der Fälle ist gar nicht entscheidungsreif. Michael Franke, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von Franke und Bornberg, sagt, ohne den exakten Wert zu nennen: „Zum ersten Mal seit dem Start unterer Untersuchung entscheiden Versicherer über weniger als die Hälfte aller gemeldeten BU-Fälle.“ Ein Grund für verfrüht beantragte Leistungen sei, dass Versicherte keine Fristen versäumen wollen. Zudem werde Berufsunfähigkeit mit vorübergehender Arbeitsunfähigkeit verwechselt.
Welche Krankheiten machen berufsunfähig?
Gut 29 Prozent aller Leistungsfälle gehen auf psychische Erkrankungen zurück. Frauen sind davon besonders betroffen. BU-Ursache Nummer zwei sind Krankheiten des Muskel-Skelettsystems (19,4 Prozent). Diese treffen Männer überproportional häufig. Bösartige Neubildungen (Krebs) liegen mit 17,8 Prozent an dritter Stelle. Das liegt laut der Analysten nicht zuletzt daran, dass fast 95 Prozent aller Anträge mit der Diagnose Krebs 2023 zur Leistung führen. Unfälle und Verletzungen sind hingegen nur für jede 13. Berufsunfähigkeit verantwortlich.
Warum Versicherer nicht leisten
Doch wie sieht es in den Fällen aus, in denen Versicherer nicht leisten? Über die Hälfte aller „Nicht-Leistungen“ sind gar keine klassischen Ablehnungen. Sie werden weggelegt, weil Versicherte Mitwirkungspflichten verletzen, zum Beispiel die erforderlichen Nachweise nicht erbringen, oder ihren Antrag zurückgezogen haben.
Dahinter folgen indes Gründe, die der Versicherer vorbringt, weil er sich nicht in der Leistungspflicht sieht (medizinische Gründe, Anfechtung und Rücktritt oder Prognosezeitraum nicht erfüllt). Diese Fälle dürften für Verischerungsnehmer besonders kritisch sein. Eine qualitative Einschätzung über die tatsächliche Praxis der Leistungsbearbeitung im Sinne des Kundeninteresses lassen rein zahlenbasierte Ergebnisse jedenfalls nicht zu.
Eine Verweisung auf eine andere Tätigkeit spielt in der Praxis offenbar kaum eine Rolle. Mit einer Quote von 0,12 Prozent beziehungsweise sieben Leistungsfällen aus dem Altbestand eigne sich der Verzicht auf abstrakte Verweisung als Differenzierungsmerkmal längst nicht mehr, so die Autoren. Das gelte auch für die Forderung nach Umorganisation des Unternehmens, die in weniger als 0,16 Prozent zu einer Ablehnung führte.

Probleme vor allem mit jüngeren Versicherten
Wie alt Versicherte bei Beginn der Berufsunfähigkeit sind, hängt laut Untersuchung stark von ihrer Erkrankung ab. Während psychische Krankheiten oder ein Unfall schon in jungen Jahren zum Aus im Job führen können, machen Krankheiten des Kreislaufs eher im fortgeschrittenen Alter berufsunfähig. Besonders häufig wird die BU-Rente zwischen dem 49. und 59. Lebensjahr bewilligt. Bei jungen Erwachsenen liegt die Ablehnungsquote besonders hoch. Auch auffällig: Die Hälfte aller Ablehnungen wegen vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzung betrifft Versicherte unter 35 Jahren.
Die teilnehmenden Versicherer zahlen jede zweite Leistung bis zum Ende der vertraglichen Leistungsdauer. Für rund 30 Prozent der Versicherten endet die Leistung vor Vertragsablauf, weil sich ihr Gesundheitszustand verbessert. Nur drei von hundert Leistungsempfängern werden auf eine Tätigkeit verwiesen, die dem Gesundheitszustand und dem erreichten Status entspricht.
Entscheidungsdauer schon leicht über sechs Monaten
Vom Eingang des Antrags auf BU-Leistungen bis zur Entscheidung vergehen ungefähr sechs Monate. In der aktuellen Erhebung mit Daten aus dem Jahr 2023 dauerte es mit insgesamt 190 Tagen etwas länger als die in vergangenen Untersuchungen üblichen sechs Monate. Für Ablehnungen nehmen sich Versicherer mehr Zeit (197 Tage) als für eine positive Entscheidung (179 Tage). Bei psychischen Erkrankungen und bei Unfällen ist ihr Zeitbedarf besonders hoch, weil Regulierer oft auf ärztliche Gutachten oder Berichte von Polizei und Staatsanwaltschaft warten müssen. Vergleichsweise schnell fällt die Entscheidung bei Krebs, so F&B.

Welche Faktoren die Leistungsprüfung beeinflussen
Ein weiteres Studienergebnis ist laut F&B, dass die teilnehmenden Versicherer auf veränderte Abläufe setzen, um die Regulierungszeit zu verkürzen. Dazu zählen aktive telefonische Kontakte zum Kunden ebenso wie Hilfen beim Ausfüllen des Fragebogens. Allein dafür benötigen Versicherte bislang durchschnittlich 35 bis 45 Tage. Auch die systematische Kategorisierung von Leistungsfällen, die von spezialisierten Teams bearbeitet werden, zeige positive Ergebnisse. Digitale Tracking-Systeme für Versicherte und Sachbearbeiter beschleunigten die Leistungsbearbeitung ebenfalls.
Noch nicht der große Hebel ist der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI). „Eine KI-generierte Entscheidung von Leistungsfällen können sich die Verantwortlichen bislang nicht vorstellen“, sagt Philipp Wedekind, Leiter Ratings Vorsorge und Nachhaltigkeit bei Franke und Bornberg. Dass eine KI über ihre Leistung entscheide, sei auch für viele Kunden nur schwer vermittelbar. Hinzu kämen hohe Hürden beim Datenschutz.
Dafür gebe an anderer Stell vielversprechende Ansätze, zum Beispiel beim Einsatz von Sprachmodellen. Hier können die KI assistieren, zum Beispiel Korrespondenz auswerten oder umfangreiche Arztberichte und Krankenakten zusammenfassen.
Weitere Fortschritte und damit schnellere Regulierungen scheiterten auch am Fachkräftemangel. „Der Markt für BU-Schadenregulierer ist leergefegt. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden, wenn überhaupt, nur mit großem Aufwand und für teures Geld akquiriert“, so Wedekind.
Wenig Information zur Methodik
Die Untersuchung basiert auf den Daten von 16 Anbietern, das sind deutlich mehr als im Vorjahr. Gleichzeitig Teilnehmer des BU-Unternehmensratings und BU-Leistungspraxisratings von F&B sind: Allianz, Alte Leipziger, Axa, Continentale, Deutsche Ärzteversicherung, Dialog, DBV, Ergo, Generali, Gothaer, HDI, Münchener Verein, Nürnberger, Signal Iduna, Stuttgarter, Zurich.
Zur Methodik gibt F&B an, dass Axa, DBV und Deutsche Ärzteversicherung eine gemeinsame Leistungsprüfung verwenden. Ablehnungen werden mit 60 Prozent übergewichtet, weil sie laut der Analysten ein höheres Konfliktpotenzial bergen. Was das genau bedeutet, wird nicht erklärt. Berücksichtigt wurden über 48.000 BU-Leistungsfall-Neuanmeldungen im Jahr 2023 und ein BU-Leistungsbestand Ende des Jahres von über 199.000 Verträgen.
Neben der Datenanalyse setzt Franke und Bornberg auf Stichproben vor Ort. Dies waren laut der Autoren insgesamt mehr als 1.650. Dazu ziehen sie ziehen mindestens 125 Schadenakten je Gesellschaft heran, um sicher zu sein, dass überall die gleichen Messgrößen verwendet werden.
Franke sagt: „Wir bringen Licht in die Blackbox BU-Regulierung, denn wir übernehmen gemeldete Daten nicht einfach, sondern überprüfen und plausibilisieren sie. Auf diese Weise machen wir die Regulierungspraxis transparent und liefern Benchmarks für den Markt.“