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„Besser 19 Giftschlangen als nur ein einzelnes Krokodil“ Ausbleibende US-Zinserhöhung hat China stabilisiert

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Krokodil Nummer 2

Den Finanzmärkten fiel im Sommer tatsächlich noch ein zweites Krokodil auf, welches schon eine ganze Weile in einer prinzipiell gut beleuchteten, aber irgendwie außer Acht geratenen Ecke saß: Die Gefahr einer Zinserhöhung in den USA. Dort ist der Preis des Geldes schon lange sehr niedrig. Steigende Zinsen bedeuten höhere Kosten und schwindende Gewinne für die Unternehmen, weshalb die Aktienmärkte oft nicht gut darauf reagieren. Aber die Konjunktur lief lange Zeit so gut, dass leicht steigende Zinsen unproblematisch erschienen. Dann aber stieg der US-Dollar dramatisch an und die Aktienkurse gerieten unter erheblichen Druck, sodass die Zinsentwicklung plötzlich doch wichtig erschien. Und so kam zur China- noch die Zinspanik.

Diese beiden Krokodile hatten aber den Effekt, sich gegenseitig zu neutralisieren – 19 Stück sind gar nicht nötig. Das Elend der Chinesen bewog die amerikanische Zentralbank, die Zinserhöhung hinauszuschieben. Und seit die Zinserhöhung nicht mehr (unmittelbar) im Raum steht, geht es auch den Chinesen besser (deren Verschuldung oft auf US-Dollar lautet und die eine Verlangsamung der US-Konjunktur überhaupt nicht brauchen können).

Eigenes Geschäftsmodell zerstört

Diese Geschichte ist nicht besonders schwer zu verstehen, gleichwohl hat es im Sommer wieder einige prominente Opfer gegeben, insbesondere unter dem „smart money“. Das erste Opfer waren die „risk-parity“-Modelle, wonach ein Portfolio sich in einem Zustand stets ausgewogener Risiken befindet. Wenn sich in einer Anlageklasse das Risiko erhöht und die Volatilität steigt, so wird deren Anteil am Portfolio reduziert. Das klingt einfach und nach einer guten Methode nervenschonend Geld zu verdienen. Allerdings sind diese Strategien mittlerweile so groß geworden im Markt, dass sie ihr eigenes Geschäftsmodell zerstören:

Wenn etwa die Aktien fallen und ein Fonds daraufhin seine Positionen reduziert, drückt er seine eigenen Positionen so weit nach unten und die Volatilität so stark nach oben, dass er – um des konstanten Risikos willen – noch mehr verkaufen muss und damit in eine Spirale gerät, in der ein Verkauf den nächsten auslöst. Das prominenteste Opfer war hier Bridgewater, dessen größter, nach dieser Strategie gemanagter Fonds ein Volumen von 80 Milliarden Dollar hatte.

Zwei weitere Legenden sind ebenfalls in Schwierigkeiten geraten, mit konzentrierten Wetten auf das falsche Papier. Valeant, ein bei Hedge-Fonds sehr beliebtes Pharma-Unternehmen, das durch krasse Preiserhöhungen und geschicktes Ausnutzen des steuerlichen Rahmens aufgefallen ist, geriet ins Gerede, es habe seine Bilanzen künstlich aufgebläht mit Umsätzen, die nie erzielt worden sind. Der Börsenkurs der Aktie fiel im Sommer von 260 auf unter 100 Dollar. Zu den größten Investoren gehörten die berühmten Hedge-Fonds von Bill Ackman und John Paulson, die beide nun Milliardenverluste (auf dem Papier) zu verkraften haben.

„In der Aufschwungphase sieht man nicht so genau hin“

Nun passiert es auch Legenden, dass sie irgendwann Fehler machen oder kein Glück mehr haben. Das ist ganz normal. Für die sterblichen Anleger ist es aber wichtig, den Zeitpunkt zu beachten: Solche Dinge passieren meist in einer Phase, in welcher der Markt das Beste bereits hinter sich hat. Blow-ups passen in eine Zeit, in der plötzlich die Krokodile, die ja immer irgendwie im Raum sind, bemerkt und zur allgemeinen Kenntnis gebracht werden. In der Aufschwungphase ist der Zweifel dünn gesät, alle klopfen sich gegenseitig auf die Schulter, gratulieren sich selbst und allen anderen zur Wertentwicklung. Man sieht nicht so genau hin, so lange alles passt. In der Spätphase drehen sich die Dinge auf ihre hässliche Seite. Die Vertrauensseligkeit rächt sich und aus der schönen Sporttasche kommt das Krokodil. Bei Volkswagen in Form von Abgastests, bei Hedgefonds in Form von leeren Bilanzen.

Dann schlägt die Stimmung um und alle werden misstrauisch und vermuten in jedem Rucksack, jeder Handtasche ein kleines Kroko. In Phasen des Misstrauens fallen dann die Börsenkurse und der Anleger ist gut beraten, seine Investitionen gut auf ihre Werthaltigkeit zu überprüfen. Denn das Krokodil überlebt immer. Und kommt wieder. Irgendwann. Dann kommt der alte Börsenspruch wieder zu seinem Recht: Bei Ebbe sieht man, wer nackt schwimmt.

So weit sind wir noch nicht ganz und wahrscheinlich sehen wir zum Jahresende noch gute Kurse. Aber es wird langsam Herbst am Aktienmarkt.

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