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Christoph D. Wahlen und Gösta Jamin
Christoph D. Wahlen und Gösta Jamin: Ein Anleger, der sich in eine bestimmte Aktie, Kryptowährung oder in einen Anlagestil „verliebt“, wird nur noch denjenigen Informationen suchen und aufnehmen, die seine Sichtweise bestätigen. | Foto: Christin Jahns mit Canva

Das Battle bei sommerlichen Grillpartys zwischen Hardcore-Veganern und Hardcore-Fleischessern – unerbittlicher kann ein Zusammenprall unterschiedlicher Meinungen kaum ausfallen. Während die einen wissenschaftliche Belege dafür zitieren, dass Menschen zweifelsfrei reine Pflanzenfresser seien und Fleischkonsum zu vorzeitigen Krankheiten und Tod führe, zitieren die anderen ebenfalls wissenschaftliche Belege, wonach eine Paleo-Ernährung zu empfehlen sei, die der Ernährungsweise unserer steinzeitlichen Vorfahren als Jäger und Sammler entspricht und die daher fleischlastig ist, weil sie ohne Ackerfrüchte auskommen muss.

Beide Seiten berufen sich dabei auf „wissenschaftliche“ Belege. Als Pragmatiker fragt man sich zwischen diesen beiden Extrempositionen, wie man zu so unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen kann, wo wir doch alle über Google oder andere Suchmaschinen Zugriff auf die gleichen Primärquellen haben.

Bestätigungsfehler festigen bestehende Meinungen

Der Grund hierfür ist der Bestätigungsfehler beziehungsweise Confirmation Bias. Menschen mit starken Überzeugungen neigen dazu, nur diejenigen Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten, die die eigene Sichtweise bestätigen und gegenteilige Evidenz entweder überhaupt nicht zu registrieren oder für weniger verlässlich zu halten. Auf diese Weise verfestigt sich die vorgefassten Meinungen immer weiter, je mehr bestätigende Informationen man aufnimmt.

 

Bei der Geldanlage kann diese Neigung nicht nur die Stimmung verderben wie die Auseinandersetzung zwischen Hardcore-Veganern und -Fleischessern, sondern richtig viel Geld kosten. Ein Anleger, der sich in eine bestimmte Aktie, Kryptowährung oder in einen Anlagestil „verliebt“, wird nur noch denjenigen Informationen suchen und aufnehmen, die seine Sichtweise bestätigen. Umso größer kann dann am Ende die Überraschung sein, wenn sich die reale Kursentwicklung ganz anders darstellt als die erwartete.

Beispiele für derartig polarisierende Investments sind aktuell die Nvidia-Aktie oder die eine oder andere Kryptowährung, über deren Zukunftsaussichten es komplett konträre Meinungen gibt.

Gegenteilige Sichtweisen werden eliminiert

Wir Menschen betrachten objektive Fakten durch die Linse unserer bestehenden Überzeugungen. Dem Bestätigungsfehler unterliegt man übrigens nicht nur bei der gegenwärtigen Suche nach und dem Filtern von Informationen, sondern auch in der Rückschau. Man erinnert sich dann nur noch selektiv an Informationen aus der Vergangenheit, die die eigene heutige Sichtweise bestätigen.

Je emotionaler wir zu bestimmten Themen stehen, desto stärker wirkt sich der Confirmation Bias aus. Der Bestätigungsfehler kann auch darin zum Ausdruck kommen, dass wir systematisch Menschen mit einer gegenteiligen Sichtweise aus unserem Umfeld eliminieren, um uns ihre kritischen Positionen nicht mehr anhören zu müssen. Berühmt geworden ist das Beispiel des Beratergremiums von US-Präsident John F. Kennedy im Vorfeld der gescheiterten Invasion in der kubanischen Schweinebucht. Kritische Berater, die das Scheitern des Angriffs zutreffend vorausgesagt hatten, wurden aus dem Gremium entfernt, sodass es einhellig die Invasion empfahl, die letztlich in einer Katastrophe endete. Fehler bei der Beurteilung passieren immer dann, wenn wir ein gewisses Ergebnis erwarten und uns dabei Echokammern aufbauen.

Bestätigungsfehler verhindert unvoreingenommene Herangehensweise

Beim Bestätigungsfehler spielt uns wieder unser steinzeitliches Gehirn einen Streich. Um unter den widrigen Bedingungen des Lebens in der afrikanischen Savanne überleben zu können, konnten die damaligen Menschen keine umfangreichen Analysen durchführen, sondern mussten schnelle und eindeutige Entscheidungen treffen. Zudem waren die damals zu treffenden Entscheidungen weit weniger komplex als in der heutigen globalen und vernetzten Massengesellschaft und konnten mithilfe des vorhandenen Erfahrungswissens getroffen werden.

In Form von Traditionen, kulturelle Überzeugungen, Familienwerten und persönliche Überzeugungen verhindert der Bestätigungsfehler ein unvoreingenommenes Herangehen an Informationen und damit oft den Fortschritt. Traditionell war die Erde im Mittelpunkt unseres Sonnensystems, alles andere war Ketzerei. Kulturelle Überzeugungen bis vor weniger als 100 Jahren bestanden zum Beispiel in dem Vorurteil, dass Frauen ein schlechteres mathematisches Verständnis haben, lieber nicht wählen sollten, oder aufgrund ihres Körperbaus keinen Marathon laufen durften. Persönliche Einstellungen, wie „ich kann nicht mit Geld umgehen“ führen dazu, es gar nicht erst zu versuchen.

 

Bestätigungsfehler: So kannst du dich schützen

  • Der erste und wichtigste Schritt, um sich nicht selbst mit dem Bestätigungsfehler hereinzulegen, besteht darin, sich seiner Existenz überhaupt bewusst zu sein. Dies schafft die Voraussetzung dafür, bewusst nach Gegenargumenten für die eigene Sichtweise zu suchen. Das gilt für die Geldanlage, aber auch für alle anderen Bereiche.
  • Grundsätzlich ist der Mensch bei der Entscheidungsfindung tendenziell bequem und wählt eher die einfache, wenig Energie kostende Entscheidung. Doch während es früher wirtschaftlich zu aufwändig war, sich ein umfassendes Bild zu bilden, leben wir heute in eine Informationsgesellschaft und haben eine Vielzahl von aktuellen Informationen auf Knopfdruck verfügbar. Und wir können es uns heute leisten, langsamer zu denken als in der gefährlichen afrikanischen Savanne und gegen ein geringes Entgelt Realtime-Kursdaten von allen Preisen zu bekommen.
  • Eine weitere Möglichkeit besteht darin, sich ein regelbasiertes Anlagesystem aufzubauen, also Kauf- oder Verkaufsentscheidungen auf Basis von systematischen Entscheidungskriterien und Recherchen zu treffen.                                                          
  • Nicht zuletzt sollte man darauf achten, sich mit Freunden und Kollegen mit heterogenem Hintergrund und Sichtweisen zu umgeben und diese ganz bewusst nach ihrer Einschätzungen zu befragen. Der Standardsatz des Juristen „es kommt darauf an“ hat Vorteile bei der Entwicklung einer besseren Urteils- und Entscheidungsfindung. Zu wissen, welche Fehler es gibt und sich mit anderen, am besten kritischen Menschen auszutauschen ist der erste Schritt. In Kursen mit Trainern und Coaches kann man das neue, neutrale Verhalten trainieren, genau wie Piloten im Simulator neue Routinen festigen.

Über die Autoren 

Christoph D. Wahlen und Gösta Jamin sind Gründer der Finanzakademie – by Pro Coaching. In den vergangenen Jahrzehnten haben die beiden an der Börse selbst schmerzliche Erfahrungen mit Fehlern gemacht, die eigentlich vermeidbar gewesen wären.

In der Serie „Geld-Psychologie" schreiben sie über Fallen, die unser Gehirn uns stellt, um dir dabei zu helfen, sie aufzudecken und zu vermeiden. Mehr Infos und Weiterbildungsangebote findest du auf Finanzakademie – by PRO Coaching. 

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