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Wie Versicherungsmakler ihr Lebenswerk versilbern können

Cross-Selling unter Kunden, die ein anderer Versicherungsmakler akquiriert hat? „Das hat wunderbar funktioniert“, berichtet David Dalinghoff. „Wir konnten den Bestand weiter ausbauen und arbeiten gut mit unseren neuen Kunden zusammen.“ Der 32-Jährige wechselte nach seiner Banklehre in die Versicherungsbranche und ist heute Co-Chef bei W&P Makler aus dem sauerländischen Marsberg. Vor zwei Jahren zählte Dalinghoff zu den Ersten, denen die Fonds Finanz bestehende Kundenverträge übertragen hat. Deutschlands größter Maklerpool kauft Bestände von Vermittlern auf dem Sprung in den Ruhestand und gibt sie zur weiteren Betreuung in die Hände umsatzstarker Geschäftspartner.
Ein ähnliches Modell bietet Mitbewerber Blau Direkt mit seiner Bestandsbörse an, über die er übernommene Versicherungs- und Investmentverträge an Kaufinteressenten aus der Branche vermittelt. „Dem Bestandskäufer bietet das die Riesenchance, in der Zukunft mehr Kunden mit gleicher Mitarbeiterzahl zu betreuen“, erklärt Dirk Henkies, Strategie- und Ruhestandsexperte bei dem Lübecker Maklerpool.
„Die rund 46.000 Versicherungsmakler hierzulande arbeiten in mehr als 16.000 Maklerbetrieben, von denen nur etwa 500 mittlere und große Unternehmen mit mehr als fünf Mitarbeitern sind. Viele kleinere dürften bald aber nicht mehr eigenständig am Markt vertreten sein.“ Denn die Mehrheit der Makler, die ihren Betrieb abgeben möchten, hat keinen firmen- oder familieninternen Nachfolger für den Chefposten in Aussicht.
Für diese Personengruppe bietet Blau Direkt ähnlich wie Policen Direkt eine Maklerrente als Altersvorsorge an: Der Versicherungsmakler erhält hier lebenslang 90 Prozent seiner erworbenen Bestandscourtagen, die im Durchschnitt der bislang mehr als 100 Teilnehmer bei etwa 36.000 Euro pro Jahr liegen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, das eigene Lebenswerk gegen eine Einmalzahlung zu versilbern. Beide Modelle stoßen auf eine steigende Nachfrage, weil immer mehr ältere Makler aus dem Markt gehen: Laut einer Umfrage des Branchenverbands AfW sind lediglich 4,4 Prozent der Vermittler von Versicherungen und Finanzanlagen hierzulande 30 Jahre alt oder jünger. 67,2 Prozent haben dagegen bereits die 50 überschritten, und 9,6 Prozent sind auch noch mit mehr als 67 Jahren in ihrem Job aktiv.
Lebenswerk versilbern
Doch spätestens bis 2030 dürften sich die meisten Makler aus den geburtenstarken Babyboomer-Jahrgängen verabschieden. Insgesamt plant etwa jeder dritte Teilnehmer der AfW-Umfrage, seine Tätigkeit innerhalb der nächsten 15 Jahre an den Nagel zu hängen. „Pro Woche erhalten wir etwa fünf Nachrichten von Versicherungsmaklern, die ihren Bestand verkaufen wollen“, berichtet Matthias Schmidt, Chef der Kompass Group Deutschland, die derzeit mit einem firmeninternen Rechtsstreit für Schlagzeilen sorgt. Das Insurtech-Unternehmen aus Karlsruhe gab auf der DKM Ende Oktober den Startschuss für eine weitere Plattform, die Interessenten mit Verkäufern zusammenbringen soll. Anders als manche Mitbewerber wolle man dabei aber die sorgfältige Auswahl eines geeigneten Nachfolgers für den übernommenen Betrieb nicht vernachlässigen. „Wir sehen uns nicht als Marktplatz, sondern als Matching-Plattform – sozusagen als Parship für Finanzberater.“
„Parship für Finanzberater“
In diesem Jahr will Schmidt bis zu 200 Maklerpaare bis zur Vertragsunterschrift begleiten. Denn: „Immer mehr Vermittlerbetriebe erkennen ihre Chancen, über den Ankauf von Vertragsbeständen zu wachsen.“ Branchenneulinge spielen dabei eine Nebenrolle. „Teilweise kommen Interessenten zwar direkt aus der Ausschließlichkeit oder einem Strukturvertrieb. Der klassische Käufer ist aber schon drei bis fünf Jahre lang als Makler tätig.“ Der steigenden Zahl an Angeboten steht somit eine wachsende Nachfrage gegenüber. Branchenexperten erwarten deshalb, dass sich der deutsche Maklermarkt im nächsten Jahrzehnt weiter konsolidieren wird. Das heißt, dass kleinere Firmen zu immer weniger größeren zusammengeführt werden.
„Die Anzahl der Transaktionen auf dem Maklermarkt hat in den vergangenen Jahren immer weiter zugenommen“, sagt Sven Gerhardus. „Und wir rechnen mit einer Zahl an Übernahmen, wie es sie bisher nicht gegeben hat“, so der Partner bei der Beratungsgesellschaft Bearing Point. „Die Konsolidierung im Maklermarkt kochte schon lange auf kleiner Flamme, doch seit 2021 wurde der Herd aufgedreht, und die Hitze nimmt weiter zu.“ Vor allem Chefs kleinerer Maklerbetriebe ohne spezielle Zielgruppe müssten sich fragen, wie sie im hart umkämpften Markt auch 2030 noch wettbewerbsfähig sein können. Gerhardus vergleicht die Zukunft der sogenannten Einhandsegler-Makler mit Tante-Emma-Läden im Lebensmittelhandel.

Hallo, Herr Kaiser!
Einhandsegler in Seenot
„Bei der Konsolidierung des deutschen Maklermarkts stehen wir erst am Anfang“, erklärt Henkies mit Blick auf Großbritannien und die USA, wo dieser Prozess bereits vor mehr als einem Jahrzehnt begonnen habe und nun weitgehend abgeschlossen sei. „Im Bereich der Gewerbemakler gab es in Deutschland dazu auch schon viel Bewegung. Bei den Maklerbetrieben mit 500.000 bis zwei Millionen Euro Umsatz beginnt das gerade erst.“ So will die Hamburger GGW Group in den kommenden fünf Jahren „viele, auch vom Umsatz her, kleinere Maklerhäuser“ übernehmen. Dazu hat das vom ehemaligen HDI-Vorstand Tobias Warweg gegründete Unternehmen jetzt eine digitale Plattform für mittelständische und kleine Makler gestartet.
Mitbewerber wie GGW hätten bislang zwar vor allem große Gewerbemakler übernommen, sagt Henkies. „Doch das Angebot in diesem Segment wird immer kleiner. Daher erwarte ich, dass sie sich künftig auch für Mischbetriebe interessieren werden, die Gewerbe- und Privatkunden haben.“ Bei den von ihm geführten Ankäufen der Blaudirekt-Tochtergesellschaft Tjara macht das Geschäft mit Privaten derzeit 80 Prozent aus, mit Firmen 20 Prozent. „Doch wir sind gerade dabei, verstärkt auch Makler mit höheren Gewerbe-Anteilen zu kaufen.“
Die sogenannten Konsolidierer dürften sich künftig vermehrt um die gleichen Kaufgelegenheiten streiten, schlussfolgert Henkies. „Das Kapital für die Deals stellt uns unser Investor Warburg Pincus zur Verfügung.“ Auch andere große Aufkäufer werden von internationalen Investoren finanziell unterstützt: Die Londoner Beteiligungsgesellschaft Permira ist Ende 2023 bei GGW eingestiegen.
Hinter der Firmengruppe stand seit zwei Jahren mehrheitlich der britische Private-Equity-Investor HG Capital, der auch 60 Prozent der Anteile an Fonds Finanz hält. Das Private-Equity-Unternehmen TA Associates aus Boston sponsert neben dem Londoner Spezialinvestor Anacap Financial Partners als Minderheitsinvestor den stark expandierenden Industriemakler MRH Trowe. Und die US-Investmentgesellschaft Bain Capital gründete die Münchener Summitas-Gruppe als Joint Venture mit dem Wiesbadener Finanzdienstleister JDC und dem Versicherer Canada Life.

Die globalen Geldgeber schätzen am Investitionsobjekt Makler den stetigen Zufluss von Geld. Auch Henkies achtet vor allem auf die laufenden Einnahmen in Form von Bestandscourtagen, um bei einer Übernahme den Kaufpreis zu bestimmen. „Zunehmend spielen hier auch Servicegebühren eine Rolle“, so der Tjara-Chef. Ihren planvollen Übergang in den Ruhestand sollten Makler demnach mindestens fünf Jahre vor dem gewünschten Zeitpunkt einleiten. „Wenn die Nachfolgeplanung schlecht organisiert oder zu spät begonnen wird, kann sich der Firmenwert halbieren.“
Maklerbestände gefragt
Ihren aktuellen Unternehmenswert schätzen die vom AfW befragten Vermittler auf durchschnittlich 390.000 Euro (siehe Grafik ). Doch: „Es ist nicht gesagt, dass solche Verkaufspreise tatsächlich erzielt werden, zumal die Preise je nach Spezialisierung schwanken“, betont Verbandsvorstand Frank Rottenbacher. „Derzeit sind Maklerbestände zwar branchenweit sehr gefragt, jedoch müssen diese möglichst vollständig digitalisiert und sehr gepflegt sein, sonst lässt das Interesse der Käufer schnell nach.“
Das bestätigt Praktiker Henkies: „Um den Wert der übertragenen Verträge zu steigern, sollten die Kundendaten möglichst leicht übertragen werden können und komplett sein. Einem Makler haben wir kürzlich etwa 10.000 Euro extra für seinen Bestand gezahlt, nachdem er für die Hälfte seiner Kunden jeweils aktuelle E-Mail-Adressen und Handynummern nachgetragen hatte.“