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Interview mit Andreas Trautner: Vielen Vermittlern fehlt das Grundwissen für die bKV

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DAS INVESTMENT: In ihrem Vortrag haben Sie gesagt, dass der Vertrieb die betriebliche Krankenversicherung wie eine Sachversicherung verstehen und auch ansprechen sollte. Was bewirkt das?
Andreas Trautner: Ich betrachte die betriebliche Krankenversicherung gerne unter dem Konzept des „Maschine Mensch“. Ein Auto ist mit Software und Hardware ausgestattet und entsprechend durch eine Kfz-Versicheru...
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DAS INVESTMENT: In ihrem Vortrag haben Sie gesagt, dass der Vertrieb die betriebliche Krankenversicherung wie eine Sachversicherung verstehen und auch ansprechen sollte. Was bewirkt das?
Andreas Trautner: Ich betrachte die betriebliche Krankenversicherung gerne unter dem Konzept des „Maschine Mensch“. Ein Auto ist mit Software und Hardware ausgestattet und entsprechend durch eine Kfz-Versicherung geschützt. Ähnlich verhält es sich mit jedem Computer – bei einem Software-Defekt installiert man ein Update, bei einem Hardware-Schaden ersetzt man die defekte Komponente. Das wichtigste Kapital eines Unternehmens ist der Faktor Mitarbeiter und warum sollten wir nicht die Versorgung des Humankapitals im Rahmen eines betrieblichen Versicherungsvertrags ähnlich wie eine Sachversicherung behandeln? Betrachten wir beispielsweise häufige Gesundheitsstörungen wie psychische Probleme, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Bluthochdruck als Softwareprobleme und Hilfsmittel wie Brillen oder Hörgeräte als Hardware.
In diesem Sinne könnte man die betriebliche Krankenversicherung analog zu einer Maschinenausfallversicherung definieren. Dieser Ansatz vereinfacht das Verständnis und die Kommunikation für viele Makler. Es geht darum, die Mitarbeiter als wertvolle Ressource zu sehen, die ähnlich wie bei technischen Geräten, einer spezialisierten Versorgung bedürfen. Dies bezieht sich nicht nur auf die Bereitstellung von Ersatzteilen im physischen Sinne, sondern auch auf eine schnelle und fachgerechte medizinische Behandlung – vergleichbar mit der Wahl zwischen einer freien und einer Fachwerkstatt für Ihr Auto. Letztendlich geht es bei der bKV vor allem um Service und Dienstleistung. Das Konzept des „Maschine Mensch“ im Rahmen einer Sachversicherung ist in meinen Gesprächen und in den Firmen, mit denen ich arbeite, sehr geläufig und wird sofort verstanden.
Die bkV wächst zwar stark, aber die Absicherungsquote ist vergleichsweise gering. Warum tut sich der Versicherungsvertrieb damit so schwer?
Trautner: Die bKV stellt eine komplexe Materie dar, die fundiertes Wissen in mehreren Fachgebieten erfordert. Man muss sich nicht nur im Versicherungs-, sondern auch im Arbeits- und Steuerrecht, mit Versorgungsordnungen und Finanzierung auskennen. Hinzu kommt die Notwendigkeit, effizient mit Steuerberatern und Betriebsräten zu kommunizieren. Die Beratung erstreckt sich von der Tarifauswahl, Digitalisierung und Prozessen bis hin zu arbeits- und steuerrechtlichen Aspekten.
Dabei muss man wissen: 2011 galt die bKV plötzlich als Sachbezug bis zu einem Wert von 44 Euro. Diese Regelung änderte sich 2014, und mit einem Urteil aus dem Jahr 2018, welches erst 2020 umgesetzt wurde, wurde der Sachbezug für die bKV wieder eingeführt. Trotz zwischenzeitlich zurückgewonnener Rechtssicherheit, dass die bKV als Sachbezug anzusehen ist, führte der Ausbruch von Corona Anfang 2020 dazu, dass sowohl Versicherer als auch Makler nicht beim Kunden vor Ort sein konnten, was den Vertrieb stark beeinträchtigte. Es gibt einen erheblichen Nachholbedarf bei den Versicherern in Bezug auf die Vermittlung, da die Informationen oft nicht bis zum Makler durchdringen. Viele Unternehmen sind in einer defensiven Position, da der Nutzen von Zusatzversicherungen unter den aktuellen rechtlichen Bedingungen lange nicht klar war.
Aber Sie haben auch Kritik an den Maklern, dass sie zu wenig aus den Potenzialen der bKV bei Kunden herausholen, oder?
Trautner: Es fehlt an Grundwissen in den eben genannten Punkten. Viele Makler sehen sich überfordert mit der Komplexität der Thematik, da sie bereits mit dem Tagesgeschäft ausgelastet sind. Ich frage mich oft, warum es in unserer Branche so schwer ist, sich zu spezialisieren oder für bestimmte Bereiche Experten hinzuzuziehen, ähnlich wie ein Hausarzt, der zu einem Spezialisten überweist. Ich verstehe auch nicht, warum immer noch jeder Makler meint, Generalist sein zu müssen. Obwohl einige gute Kontakte zu Entscheidungsträgern in Unternehmen durch ihr bAV- und Gewerbesachgeschäft haben, unterlassen sie es, das Thema bKV anzusprechen. Damit lassen sie riesige Umsatzchancen liegen.
Die meisten Makler machen auch keine Kosten-Nutzen-Analyse. Wenn sie es einfach als Zusatzversicherung verkaufen, kostet es aus Sicht der Unternehmen erstmal einfach nur Geld. Eine von der Funke-Gruppe durchgeführte Servicestudie aus dem Jahr 2021 zeigt, dass 39,7 Prozent der befragten Arbeitgeber administrative Hürden fürchten und 36 Prozent den Kosten-Nutzen-Effekt anzweifeln. Zudem sind andere Benefits vermeintlich wichtiger.
In meiner Beratungstätigkeit lege ich großen Wert darauf, zunächst eine detaillierte Analyse des Unternehmens durchzuführen. Ähnlich einer medizinischen Anamnese, ohne die keine professionelle Therapie beginnen kann, ist es entscheidend, die wirtschaftlichen Faktoren wie Fluktuation, Fehlzeiten und Demografie sichtbar zu machen. Das kostet ein Unternehmen am Ende 22 bis 25 Prozent seiner Jahreslohnsumme. Die Investition in die bKV ist aus kaufmännischer Sicht auf jeden Fall sinnvoll.
Was müssen die Vermittler denn tun, um ihre Defizite zu beheben?
Trautner: Die Vermittler müssen an die Hand genommen werden durch Coaching und durch Expertenbegleitung. Oder sie müssen endlich einsehen, dass auch im höheren Alter eine Qualifizierung zu gewissen Themen notwendig ist, um überhaupt das Grundlagenwissen zu haben. Das ist erforderlich, um von Unternehmen in gewissen Bereichen überhaupt ernst genommen zu werden. Das Thema Weiterbildung geht bis zur Rente. Es gibt genügend Ausbildungswege und Zertifizierungslehrgänge. Vielen fehlen die kompletten steuer- und arbeitsrechtlichen Grundlagen. Und es fehlt Produktwissen darüber, was eine bKV überhaupt alles kann. Wenn man wenig Ahnung hat, sprich man das Thema lieber gar nicht erst an, bevor man sich einen Korb holt. Da regiert oft die Angst.
Sie sind der Meinung, dass das Thema Fachkräftemangel vertrieblich falsch angesprochen wird. Der Fokus sollte mehr auf den Bestandsmitarbeitern liegen. Erklären Sie das bitte einmal.
Trautner: Wenn man sich Medienberichte, aber auch die Produktflyer und Verlaufsunterlagen der Versicherer anschaut, geht es durchweg um den „war of talents“ beziehungsweise den Fachkräftemangel. Laut Statista waren im vergangenen Jahr durchschnittlich cirka 760.000 Stellen unbesetzt, was 2,5 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland entspricht. Doch das bedeutet gleichzeitig, dass über 97 Prozent Bestandsmitarbeiter sind, die seit Jahrzehnten die Firmen am Laufen halten, das entsprechende Know-how haben, Überstunden leisten und neue Mitarbeiter einarbeiten. Wer sich nicht um das Bestandskapital kümmert und glaubt wegen weniger unbesetzter Stellen keine neuen Aufträge annehmen zu können, hat aus meiner Sicht seine Firma unternehmerisch nicht verstanden.
In Branchen wie der Pflege, dem Krankenhauswesen sowie der Hotellerie und Gastronomie mag es zwar eine Fluktuation von 20 bis 30 Prozent geben, doch in vielen Bereichen des Mittelstands und der Produktion stellt das Nichtbesetzen von drei bis fünf Prozent der Stellen kein übermäßiges unternehmerisches Risiko dar. Wenn ich mit einer Firma mit zum Beispiel 100 Mitarbeitern spreche, dann sind nicht die Mitarbeiter, die fehlen, das Problem, sondern die 95 Prozent, die da sind und die nicht versorgt werden. Denn nur für die hat man Aufträge und zahlt Löhne.
Das ganze Investment in Lohnkosten lohnt sich nur, wenn der Mitarbeiter produktiv ist. Und wenn 95 bis 97 Prozent der Beschäftigten da sind, kann doch der Fachkräftemangel nicht das Problem sein. Das bestätigen auch alle Firmen, die wir in diesem Bereich beraten. Für mich ist es, eine nicht nachvollziehbare, subjektiv völlige Fehleinschätzung dessen, was im Bereich Personaleinsatz tatsächlich das Risiko ist. In Wahrheit ist es die Nichtversorgung der Bestandsmitarbeiter.
Spielen die Branche, die Berufsfelder und Personalstruktur innerhalb eines Unternehmens, deren Größe und Standort nicht eine Rolle, was die Vermittelbarkeit der bKV angeht oder geht das aus Ihrer Sicht immer?
Trautner: Die bKV muss immer gehen. Nehmen wir zum Beispiel einen kleinen Handwerksbetrieb mit zehn Mitarbeitern. Fällt hier eine Person aus, sind gleich 10 Prozent des Personals nicht einsatzfähig. Stellen Sie sich den Fall vor, dass die Berufsgenossenschaft vorschreibt, dass auf Baustellen immer in Zweier-Teams gearbeitet werden muss. Wenn nun einer drei Wochen auf einen Orthopäden-Termin warten muss, kann der andere die ganze Zeit nicht auf die Baustelle.
Bei einem Unternehmen von 100 Mitarbeitern kann man den Ausfall von zwei Personen irgendwie kompensieren. Aber die Herausforderungen beschränken sich nicht auf eine bestimmte Branche. Sie treten in IT-Firmen, Ingenieurbüros, landwirtschaftlichen Betrieben, Produktionsbetrieben, Speditionen oder Krankenhäusern auf. Alle Branchen haben das gleiche Problem und alle betrifft, dass der Personaleinsatz in Deutschland aufgrund von Sozialabgaben und Krankenständen enorm teuer ist.
Die bKV kann eine wertvolle Ergänzung zu den freiwilligen Leistungen eines Arbeitgebers sein. Es stellt sich jedoch die Frage, wie sie implementiert werden sollte. Spricht man direkt die Wünsche der Mitarbeiter an, dann ist es immer schwierig, die unterschiedlichen Bedürfnisse zu managen, zum Beispiel nach Tank- oder Shopping-Gutscheinen. Besser ist es, die bKV ausschließlich aus der Sicht des Unternehmens zu betrachten. Die Implementierung erfolgt primär aus personalökonomischer Sicht. Wie hoch ist der Lohnaufwand und was sind die Kosten eines Stillstands, falls Mitarbeiter ausfallen? In diesem Kontext ist es entscheidend, die bKV nicht als Ersatz, sondern als echten zusätzlichen Benefit anzubieten. So vermeidet man den psychologischen Effekt, den Mitarbeitern etwas wegzunehmen.
Der Fehler, den viele Unternehmen begehen, besteht darin, dass sie einen Blumenstrauß aus gerne zehn bis 20 gängigen Zusatzleistungen anbieten und diese gegeneinander ausspielen. Die bKV muss als wertvolle Zusatzleistung definiert werden, die den Bedürfnissen aller Mitarbeiter gerecht wird, unabhängig von der Unternehmensgröße oder dem Standort.
Warum ist eine bKV so viel wichtiger als andere Mitarbeiterleistungen?
Trautner: Sie kann Krankenstände nachweisbar senken. Was den Vergleich angeht: Nehmen wir beispielsweise einen 40-Euro-Tankgutschein, der während der Corona-Zeit oft ungenutzt blieb. Trotzdem hatte er durch die hohen Benzinpreise eine gewisse Relevanz. Wenn man jedoch als Arbeitgeber denselben Betrag in eine bKV investiert, hat der Arbeitnehmer bei einem Budgettarif beispielsweise 1000 Euro zur Verfügung. Bei einem Tankgutschein wären es 480 Euro im Jahr. Laut Umfragen werden 80 Prozent aller Benefits von den Beschäftigten gar nicht wahrgenommen oder genutzt. Diese verursachen zwar Kosten, aber der Effekt auf die Mitarbeiterbindung und die emotionale Bindung zum Unternehmen ist gar nicht da.
Statistiken zeigen, dass gesetzlich Versicherte bei einem Nettoeinkommen zwischen 1.700 und 2.600 Euro durchschnittlich 937 Euro pro Jahr für Gesundheitsleistungen wie Vorsorge, Zähne, Brille oder Arzneimittel zuzahlen. Der emotionale Wert, der durch die Übernahme solcher Kosten durch den Arbeitgeber entsteht, ist immens.
Es geht um Wertschätzung und soziale Verantwortung. Es eröffnet für Menschen mit Vorerkrankungen die Tür zu besserer medizinischer Versorgung und bindet die Mitarbeiter stärker an das Unternehmen. Im Vergleich zu einem einfachen Tankgutschein, der kurzfristig hilft, bietet die bKV eine nachhaltigere Unterstützung. Durch Angebote wie den Budgettarif ohne Gesundheitsprüfung auch für Angehörige wird eine ganzheitliche familiäre Unterstützung geboten, die weit über herkömmliche Benefits hinausgeht.
Bei dem was Gesundheit kostet, sind Budgettarife mit 300 Euro im Jahr doch eher ein Gimmick und können nicht den von Ihnen genannten Zweck erfüllen.
Trautner: Es ist tatsächlich ein reines Alibi zu sagen, dass man mal mit einem Budget von 300 Euro anfängt. Es gibt mittlerweile auch welche, die bis 1.800 Euro gehen. Aber jeder Budgettarif beinhaltet ein kostenfreies Servicedienstleistungspaket. Dieses umfasst Facharzt-Terminservice, Video- und mobile Arztsprechstunden oder Pflege-Assistance. Man braucht nur einen Trägertarif, um das Servicedienstleistungspaket kostenfrei zu bekommen. In diesen Leistungen liegt der größere Effekt aus Arbeitergesicht, um Fehlzeiten zu reduzieren. Ein Großteil der Ausfallzeiten entsteht nicht durch Krankheit an sich, sondern durch Wartezeiten auf Termine. Aber genau das müssen Vermittler verargumentieren. Für nur 300 Euro Leistungen im Jahr kann man es auch sein lassen, denn der Nutzen ist bei einem halben Zahn oder halben Brillenglas nicht gegeben.
Welches Produktkonzept würden Sie denn empfehlen?
Trautner: Der Arbeitgeber muss sich bei der Produktauswahl die Frage stellen, was er mit der Maßnahme erreichen möchte. Will er spezielle Leistungstarife, wie Zahn- oder stationäre Tarife, oder einen Tarif, der schnell und umfassend wirkt und breite Anerkennung in der Belegschaft findet? Ein Zahn- oder stationärer Tarif nützt nur denen, die im betreffenden Jahr krank sind, bietet also keine Erlebbarkeit in der Breite.
Daher ist ein Budgettarif oft emotional wirksamer, da Vorsorgeleistungen, Osteopathie, Heilpraktiker, Brillen, alles bezahlt wird. Man hat eine fast 100-prozentige Quote derer, die es nutzen. In einer Bäckereikette zum Beispiel ist das Lächeln der Verkäuferin hinterm Tresen quasi deren Schaufenster, also sind die Zähne sehr wichtig. Daher sollte man hier lieber eine kleinere Budgetstufe nehmen und diese mit einem Zahntarif kombinieren. Aus personalwirtschaftlicher Perspektive ist das Hybridmodell, bestehend aus einem Budgettarif mit stationärem Tarif, das effektivste Produkt.
Und warum ist das so?
Trautner: Verschiedene Studien haben gezeigt, dass nur cirka 3,5 Prozent der Menschen länger als sechs Wochen krank sind. Diese Langzeiterkrankten, mit den zwei häufigsten Diagnosen Krebs und psychische Erkrankungen, verursachen jedoch 45 Prozent der gesamten Ausfalltage und benötigen oft stationäre Aufenthalte. Also macht das aus ökonomischer Sicht Sinn. Für Langzeitkranke ist der stationäre Tarif die Eintrittskarte für eine erstklassige Behandlung – mit schnellerer OP-Terminvergabe, besserer Versorgung und einer schnellen Rückkehr an den Arbeitsplatz. Ein Budgettarif wiederum beinhaltet Vorsorgemaßnahmen, die eine frühzeitige Krebserkennung und Therapie ermöglichen. Aber die belegbaren Effekte auf die Reduktion von Fehlzeiten gibt es eben nur in dieser Kombination mit dem Zieltarif und nicht mit einem reinen Grund-Budgettarif.
Wie schaffen die Anbieter es, sich produktseitig noch zu differenzieren?
Trautner: Der Produktmarkt ist größtenteils ausgereizt. Oft handelt es sich im stationären und Zahnbereich nur um eine Kopie der Einzeltarife. Einzig Budgettarife und die Servicedienstleistungen bieten noch echte Innovationsfelder. Die Einführung von Budgettarifen begann ursprünglich mit Sublimits, beispielsweise nur 100 Euro für eine Brille oder 70 Euro für eine Zahnreinigung pro Jahr. Dadurch werden die am häufigsten in Anspruch genommenen Leistungen begrenzt. Dann brachte die Barmenia das erste Budgettarifmodell ohne Sublimits auf den Markt. Hierbei können Kunden das gesamte Budget für verschiedene Zwecke wie Brillenkauf oder Vorsorgeuntersuchungen verwenden.
Problem hierbei: Zahlt der Kunde für einen Budgettarif von 1.000 Euro beispielsweise 480 Jahr im Jahr, gerät der Versicherer bereits bei einer Leistungsinanspruchnahme von 500 Euro ins Minus – und das nur bezogen auf die Tarifbeiträge, ohne Berücksichtigung der Kosten für Innendienst und Vertrieb. Der Deckungsbeitrag liegt also unter 50 Prozent. Vermittler wollen aber, dass die Budgets voll ausgeschöpft werden, damit die Endkunden zufrieden sind. Das Modell ist attraktiv, aber riskant für den Versicherer.
Deshalb gibt es heute Variationen in den Tarifen: Sublimits ja oder nein, Beitragsbefreiung ja oder nein, rezeptfreie Medikamente enthalten oder nur rezeptpflichtige Medikamente. Oder Tarife für Angehörige, bei denen diese das volle Budget ohne Gesundheitsprüfung in Anspruch nehmen können. Das bieten wiederum nur ganz wenige an. Aber am Produkt selbst ist nicht viel zu machen.
Die Innovationen liegen in der Frage der Servicedienstleistungen, ob Facharzt-Terminservice, psychologische Gefährdungsanalyse, Widerspruchsverfahren im Bereich MDK-Pflegeeinstufung oder das Thema Pflegeassistenz dabei ist. Es gibt immer mehr Personalausfall durch Angehörigenpflege. Wenn die bKV hier die Möglichkeit bietet, Dienstleister für die Pflege in Anspruch zu nehmen, dann ist das eine echte Innovation. Das Produkt an sich ist in allen Bereichen eigentlich auskalkuliert.
Dennoch lassen sich die Anbieter ja einiges einfallen. Wie bewerten Sie das?
Trautner: Die Hallesche hat eingeführt, dass Arbeitnehmer, die ihr jährliches Budget ausschöpfen, maximal 1.200 Euro, im darauffolgenden Jahr mit 50 Euro mehr belohnt werden. Dies fördert die Nutzung des Budgets, da der Arbeitnehmer zusätzlich profitiert, während er weniger als die Hälfte des Beitrags zahlt. Aber erklären sie das mal einem Aktuar. Das ist Marketing, in dem es um Marktanteile geht. Bei der Continentale wiederum bekommt man wiederum jedes Jahr 150 Euro mehr, wenn man gar nichts in Anspruch nimmt. Da hätte man bei einem Ausgangsbudget von 1.200 Euro nach vier Jahren den Höchstbetrag erreicht. Aber ich kann von einem Arbeitgeber doch nicht verlangen, seine Mitarbeiter dazu zu bewegen, nichts in Anspruch zu nehmen. Das widerspricht komplett dem Gedanken einer BKV. Auch das ist Marketing.
Lässt sich denn nachweisen, dass sich durch die Einführung einer bKV, Fehlzeiten reduzieren?
Trautner: Man kann das in jeder Firma messen. Dafür braucht man am Anfang eine Unternehmensanalyse für den Ist-Zustand, um nach spätestens fünf Jahren einen Soll-Abgleich zu machen. Das Ergebnis ist 2,8 bis drei Krankheitstage pro Mitarbeiter weniger im Schnitt. Ein Beispiel aus der Praxis ist ein DRK-Kreisverband mit 400 Beschäftigten, der 2016 eine bKV eingeführt hat und nach drei Jahren eine Reduzierung der Krankheitstage um 33 Prozent verzeichnen konnte. Das einzige Problem ist jedoch, dass man nicht beweisen kann, dass dies ausschließlich auf die bKV zurückzuführen ist. Personalökonomen sagen aber, wenn der Krankenstand durch die Alterung der Belegschaft, Landarztflucht und längere Wartezeiten auf Termine auf einem gleichbleibenden Niveau gehalten werden kann, dass dies bereits ein Erfolg der bKV ist. Hinzu kommt, dass sich 72 Prozent der Beschäftigten für Unternehmen entscheiden würden, die eine bKV anbieten.
Beim Thema offene Stellen und Fachkräftemangel lässt sich berechnen, dass Firmen ihre Vakanzen schneller besetzen können – oft innerhalb von drei bis vier Wochen statt der üblichen fünf bis sieben Monate, weil sie in Stellenausschreibungen das anbieten, was Beschäftigte wollen. Es gibt also mehrere Stellschrauben finanziell, nicht nur die AU-Tage, sondern auch Vakanz- und Fluktuationskosten. Es ist aber auch nicht immer der personalökonomische Ansatz der richtige, es kann auch ein sozialverantwortlicher, wertschätzender Ansatz sein. Etwa 30 Prozent der Menschen haben Vorerkrankungen wie Rückenprobleme, psychischen Erkrankungen oder Diabetes. Aber oft wird der Zustand eines Mitarbeiters durch Manipulation von Krankenakten und Abrechnungsdiagnosen schwerwiegender dargestellt als er tatsächlich ist.
Wir gehen davon aus, dass cirka 50 Prozent der Beschäftigten aufgrund ihrer vorliegenden Patientenakte keine Zusatztarife mehr bekommen. Ein Großteil der Beschäftigten ist Mitte Ende 50 und hat keine Chance mehr, noch private Leistungen zu bekommen. Hier kann der Arbeitgeber durch die bKV einen Zugang zu besserer medizinischer Versorgung ermöglichen. Gerade in Sozialberufen haben wir damit hervorragende Erfahrungen gemacht. Man muss schauen, in welche Richtung der Unternehmer tendiert, aber beide Ansätze können erfolgreich umgesetzt werden.
Sie sprachen in diesem Zusammenhang von Kooperationen unter Maklern, gerade auch bei der Vema. Wie funktionieren diese?
Trautner: Vermittler müssen sich individuell auf die jeweilige Firma einstellen, doch oft fehlt ihnen das Fachwissen und die Erfahrungswerte. Gerade deshalb macht es Sinn, erfahrene Kollegen mitzunehmen. Warum Sie sich eine blutige Nase holen, wenn man Kollegen hat, die einem unter die Arme greifen können. Ich biete so eine Kooperation an. Im Makler-Extranet schließt man einen Kooperationsvertrag und bestimmt die Courtageteilung, ob nun 50 zu 50 oder 70 zu 30. Alternativ kann man sich auch für ein Honorar entscheiden. Der Makler-Partner geht dabei aber ins Kostenrisiko. Also sage ich immer, dass man es erfolgsabhängig machen soll. Wenn wir gut sind, verdienen wir zusammen gutes Geld, sonst nicht. Solche Kooperationen gibt es bisher bis zu 40 Mal im Jahr.
Bei der Vema ist es insgesamt aber noch sehr ausbaufähig. Effektiv sind es hier vier Makler, die sich um die Umsetzung des Themas bKV kümmern. Der Rest macht es gar nicht, versucht es irgendwie selbst oder mit dem Maklerbetreuer der Versicherung, auch weil es innerhalb der Vema kommunikativ schwierig ist. Dabei besteht ein enormes Potenzial von etwa 4800 Maklerhäusern, die in den Bereichen Gewerbe, Sach und bAV unterwegs sind, aber das Thema einfach nicht ansprechen.
In diesem Kontext trete ich als Spezialist auf und biete Online-Schulungen oder Vor-Ort-Meetings an. Die technischen, arbeits- und steuerrechtlichen Aspekte werden von mir abgewickelt. Das entlastet die lokalen Makler. Aber man geht immer zu zweit hin und der Kunde gehört im rechtlichen Sinne was die Bestandbetreuung betrifft immer dem Makler. Es geht im Hintergrund nur um das Thema Courtage-Splitting.
Ist das nicht schwierig, wenn Kunden, statt mit ihrem langjährig vertrauten Makler plötzlich mit ihnen zusammenarbeiten müssen?
Trautner: Überhaupt nicht, weil ich ja im Erstgespräch, Zweitgespräch und der Betriebsversammlung dabei bin. Nachfragen, zum Beispiel, dass eine Rechnung nicht voll bezahlt wurde, bleibt das operative Geschäft des Maklers an der Schnittstelle zum Endkunden. Ich bin der Spezialist für die Implementierung, Umsetzung, Nachhaltigkeit und Evaluierung. Vertraglich ist klar festgelegt, dass sich mein Bereich ausschließlich auf die bKV beschränkt. Es gibt das Wettbewerbs- und Abwerbeverbot und ich darf auch keine anderen Produkte beraten. Nach der erfolgreichen Implementierung kontaktiert mich der Makler meist nur noch zu Spezialfragen zum Beispiel im Steuerrecht und ich regle das dann für ihn. Das kommt in der Praxis aber selten vor und dass muss auch so sein, denn sonst wäre es zeitlich nicht zu bewältigen.
Andreas Trautner, wurde 1974 geboren. Er studierte Sportwissenschaften für Prävention und Rehabilitation. Seit dem Jahr 2000 arbeitet er in der Versicherungsbranche. Neben seiner Tätigkeit als Makler ist er DIN-zertifizierter Sachverständiger für die Krankenversicherung und tritt als Autor, Dozent, Speaker und Trainer auf.



