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Round Table zur betrieblichen Krankenversicherung 10 Millionen Kunden bis 2030 sind drin

Von in Betriebliche Krankenversicherung (bKV)Lesedauer: 10 Minuten
Sven Grosse, Elisa Albers, Andreas Trautner und Kabil Azizi (v. l.)
Sven Grosse, Elisa Albers, Andreas Trautner und Kabil Azizi (v. l.) im Gesräch mit DAS-INVESTMENT-Redakteur Bastian Hebbeln. | Foto: Mark Meyer zur Heide

DAS INVESTMENT: Laut PKV-Verband stieg die Zahl der versicherten Personen in der betrieblichen Krankenversicherung (bKV) 2023 um 19,3 Prozent, während die der Unternehmen sogar um über 40 Prozent zunahm. Frau Albers, wie erklären Sie diese Diskrepanz?

Elisa Albers: Wir haben es mit einem jungen, breiten Markt zu tun. Die Spannbreite an potenziellen Firmenkunden ist weit. Gerade wenn sich Vermittler an ein für sie noch neues Produkt oder Konzept heranwagen, tendieren sie dazu, zunächst kleinere Unternehmen anzusprechen. Dort sind die Strukturen und Entscheidungsprozesse weniger komplex, man kennt vielleicht auch den Geschäftsführer und Entscheider persönlich.

Herr Grosse, können Sie das im Allianz-Vertrieb konkret nachvollziehen?

Sven Grosse:
Absolut. Viele Vermittler trauen sich zum ersten Mal an eine bKV. Da geht man sinnvollerweise erst einmal zu kleineren oder inhabergeführten Firmen, die besser ansprechbar sind als ein 1.000-Mann-Unternehmen. Viele Mandate betreffen kleinere Unternehmen mit fünf bis 15 Mitarbeitern. Das Problem des Fachkräftemangels ist bei diesen oft noch dramatischer als bei großen. Das erhöht den Druck, attraktive Benefits anzubieten. Aber wir sehen bei der Allianz auch bei großen Unternehmen eine stark steigende Nachfrage.

Herr Azizi, wie schätzen Sie es aus Sicht der Gothaer ein?

Kabil Azizi: Die Zahlen überraschen mich überhaupt nicht. Wir sind mittendrin im Fachkräftemangel und sehen, dass sich Unternehmen immer mehr für entsprechende Benefits öffnen. Im Marktdurchschnitt
liegt die Größe bei etwa 15 Personen, wir bei der Gothaer liegen bei durchschnittlich 24 Personen, was zeigt, dass wir als starker Kompositversicherer auch größere Kollektive bedienen.

Herr Trautner, Sie sehen vor allem ungenutztes Vertriebspotenzial bei den großen Unternehmen, bei denen Ihre Maklerkollegen bereits den Fuß in der Tür haben. Woran liegt das?

Andreas Trautner: Die spezialisierten Vermittler für Gewerbe, Sach und betriebliche Altersvorsorge, die in größeren Konzernen unterwegs sind, machen oft kein Krankenversicherungsgeschäft. Die Kontakte
zu größeren Unternehmen sind da, die Termine auf Geschäftsführerebene finden statt, aber das Geschäftsfeld bKV wird oft nicht einmal angesprochen. Für mich ist das nicht nachvollziehbar.

Azizi: Gerade bei größeren Kollektiven kann die Dauer eines Abschlusses deutlich länger sein, weil Betriebsrat, Personalrat und verschiedene Gremien einbezogen werden müssen. Viele Makler, die im Komposit-und bAV-Bereich unterwegs sind, scheuen diesen langen Prozess.

Grosse: Auch wir stellen fest: Viele Unternehmen lassen ihre bAV- und Sach-Mandate einfach liegen, sprechen das Thema bKV gar nicht an. Das kann sich bitter rächen. Wir haben Fälle von Unternehmen
mit vierstelligen Mitarbeiterzahlen, wo eine bKV eingeführt wurde, aber nicht über den besitzenden bAV-Makler. Das gefährdet letztlich auch das bAV-Mandat. Insofern ist eine frühzeitige, proaktive Ansprache extrem wertvoll.

Wie gehen Sie als Versicherer mit diesem Phänomen um und wie unterstützen Sie Ihre Vermittler?

Albers: Die Spezialisierung der Vertriebspartner auf bestimmte Produktsegmente ist Vor- und Nachteil zugleich. Bei Axa haben wir uns früh dazu entschieden, den ganzheitlichen Benefit-Gedanken aufzugreifen. Unsere Vertriebsmannschaften gehen gezielt den Weg, die bKV vor allem über die bAV anzusprechen. Gerade das steuerrechtliche Thema hat eine gewisse Komplexität. Deshalb bieten wir vielfältige Weiterbildungsangebote für unsere eigenen Vertriebe, aber auch für externe Partner an. Bei uns kann ein Unternehmer beispielsweise die erste Beratung bei einer Steuerrechtskanzlei gratis bekommen.

Herr Trautner, wie komplex ist die bKV aus Ihrer Sicht der Beratungspraxis?

Trautner:
Erst Mal ist es ein normaler Gruppenvertrag, und die Anmeldung der Mitarbeitenden erfolgt oft noch über Excel-Listen. Für uns Vermittler ist die Skalierung in der bKV enorm einfach im Vergleich zum Einzelgeschäft, aber nicht für die Unternehmer. Sie lehnen die Einführung wegen des vermeintlich hohen administrativen Aufwands ab und weil sie sich unsicher fühlen. Leider bleiben die meisten Vertriebler und Versicherer im Produktverkauf hängen und kommen nicht in den Bereich der Konzept- beziehungsweise Unternehmensberatung.

Grosse: Viele Makler arbeiten stark über Entgeltumwandlung und haben wenig Erfahrung mit rein arbeitgeberfinanzierten Modellen. Sie müssen lernen, wie sie mit Einwänden und Gremien umgehen oder der Frage, wie Leistungen für bestimmte Personengruppen definiert werden. Ein wesentlicher Erfolgsgarant ist die Präsenz von Kollegen, die Makler vor Ort und virtuell auch bei den Firmengesprächen unterstützen. Bei der Allianz haben wir dafür ein eigenes bundesweites Key-Account-Team aufgebaut. Zudem haben wir bei uns alle Mitarbeiter im Vertrieb als Fachmann/-frau für betriebliche Gesundheitslösungen über die Deutsche Maklerakademie zertifiziert.

Wie stark versuchen Sie, externe Vertriebspartner bei der Gothaer zu aktivieren, Herr Azizi?

Azizi: Wir haben einen spezialisierten Bereich mit Mitarbeitern, die Makler und auch den Exklusivvertrieb draußen begleitet. Gerade spezialisierte Maklerhäuser, die sich mit großen Mandaten beschäftigen, benötigen oft gar nicht so viel Hilfe – die haben entweder selbst schon Personal, das auf die bKV spezialisiert ist oder holen sich gezielt Unterstützung. Wir bieten gerade bei kleineren Vertriebspartnern
Schulungen an, was auch sehr stark angenommen wird.

Wie beurteilen Sie die Unterstützungsleistungen der Produktgeber, Herr Trautner? Gibt es wahrnehmbare Unterschiede zwischen den Gesellschaften?

Trautner: Es gibt definitiv wahrnehmbare Unterschiede. Die Rückmeldung der Vertriebler ist, dass das Potenzial der eigenen Maklerbetreuer und Key Accounter der Versicherer noch sehr ausbaufähig ist. Die notwendigen Unternehmensanalysen werden in der Breite definitiv nicht umgesetzt. Wenn die Strategie der Versicherer funktionieren würde, hätten wir ganz andere Umsatzzahlen. Arbeitgeber haben die Befürchtung, dass es für die Umsetzung Personal bindet, oder glauben, dass andere Benefits attraktiver sind. Es geht noch zu häufig nicht um den echten Nutzen einer bKV aus Unternehmersicht.

Grosse: Dem kann ich nicht uneingeschränkt zustimmen, Andreas. So machen wir bereits heute mit unserer Benchmark-Analyse sichtbar, wie ein Unternehmen im Wettbewerbsumfeld der Benefits bei der Mitarbeitersuche positioniert ist – und zwar völlig losgelöst davon, über welchen konkreten Benefit wir reden. Hier haben sich auch die Gesellschaften parallel zur sehr dynamischen Marktentwicklung in ihren Unterstützungseinheiten massiv professionalisiert.

Frau Albers, wie gehen Sie bei der Axa damit um, dass Unternehmen oft ein begrenztes Budget für Benefits haben?

Albers: Das Budget von Unternehmen für Benefits ist in der Tat nicht unendlich skalierbar. Was man aber tun kann, ist, den Gedanken der Vorsorge und das Thema der Fehlzeiten bei der Beratung in den
Vordergrund zu stellen. Bei der Axa sind wir so aufgestellt, dass wir die betriebliche Vorsorge und damit alle Bausteine der Mitarbeiterabsicherung ganzheitlich ansprechen und sehr flexibel verschiedene Lösungen für unterschiedliche Budgets und Bedürfnisse der Unternehmen aufzeigen.

Wie erreicht man bei diesem Entscheidungsprozess den Mitarbeiter, der ja auch vom Wert einer bKV überzeugt sein muss?

Azizi: Wir haben im Fall eines Vertragsabschlusses ein Starter-Kit mit allen relevanten Informationen geschaffen, inklusive QR-Codes, über die man unsere Gesundheits-App herunterladen und Rechnungen
einreichen kann. Sehr beliebt sind Budgettarife, da sie sofort erlebbare Leistungen bieten. Arbeitnehmer können direkt zum Zahnarzt gehen oder Prophylaxe-Leistungen in Anspruch nehmen.

Herr Trautner, Sie vertreten die Position, dass der Arbeitgeber zu sehr über das Thema Fachkräftemangel angesprochen wird. Warum ist der Bestandsmitarbeiter wichtiger?

Trautner: Statistisch sprechen wir von etwa 3 Prozent offenen Stellen. Das größere Problem ist aber die Versorgung der 97 Prozent Bestandsmitarbeiter. Es gehen oft 25 Prozent der Lohnsumme durch Fluktuation, Fehlzeiten oder Vakanzkosten verloren. In diesem Kontext kann die bKV nicht in eine Reihe gestellt werden mit Benefits wie Gutscheinen oder Shopping-Karten. Sie ist kein Benefit, sondern eine Lohnzusatzleistung, die zwingend eingeführt werden sollte, um das eigene Unternehmen zu schützen.

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