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Bill Gross: A Man in the Mirror

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Seit den frühen 1970er-Jahren, als der US-Dollar vom Gold entkoppelt wurde und das Kreditwesen sich auf seine unglaubliche, Liquidität schaffende Total-Return-Reise bis hin zur Gegenwart begab, war es Anlegern, die nur geringe Risiken eingingen und bequem vor den periodischen Wellen des Schuldenabbaus beziehungsweise der Mittelabflüsse geschützt waren, möglich, die Krone der „Großartigkeit“ zu erhalten, die in einigen Fällen auch verliehen wurde. Möglicherweise war dies jedoch eher auf das Zeitalter zurückzuführen als auf die Anleger selbst.

Auch ich gehörte stets zu jenen, die geringe oder, wie ich sie bezeichnen würde, moderate Risiken eingingen. Sicherlich war ich auch nicht schlecht im Umgang mit Zinsoptionen und vielleicht sogar noch besser darin, diesen Eindruck zu fördern, dennoch nahm ich lediglich moderate Risiken in Kauf. Für einige Monate im Jahr 2011 mag dies nicht allzu gut gelaufen sein, ebenso wenig wie in einzelnen Jahren während der vergangenen vier Jahrzehnte.

Da die Kreditausweitung jedoch nahezu ununterbrochen voranschritt und die damit einhergehende erhöhte Risikobereitschaft so gut wie immer von Vorteil für den Kapitalismus war, konnte auch Pimco davon profitieren. Aus einer eher technischen Perspektive wurde der Ansatz meiner/unserer Firma, Volatilität zu verkaufen und auf unterschiedliche Arten „Carry“ zu generieren – auf direktem Wege durch Optionen und Futures, am Hypothekenmarkt anhand des Vorauszahlungsrisikos oder auf der Zinskurve anhand von Bullet-Strukturen und Roll-Down anstelle von Barbell-Strukturen und unterdurchschnittlichen Mehrerträgen –, über die Jahre hinweg stets belohnt.

In Phasen deutlich erhöhter Volatilität (1979–1981, 1998, 2008) waren wir glücklicherweise in der Lage, künftige Entwicklungen vor ihrem Eintreten zu antizipieren, oder hatten uns in Bezug auf den „Carry“ so positioniert, dass unsere Kunden nur geringe Verluste erfuhren und den Rückschlag somit überstehen konnten, was anderen Unternehmen nicht gelang.

Dabei will ich auf Folgendes hinaus: Pimco, Berkshire Hathaway und Peter Lynch erlebten ihre Glanzzeiten allesamt in Epochen der Kreditausweitung – in denen Akteure, die nach Carry strebten, Volatilität verkauften, auf höhere Renditen abzielten und größere Ausfallrisiken in Kauf nahmen und entweder strukturell oder durch ihren Ruf vor Mittelabflüssen und dem Schuldenabbau geschützt waren, die einige Wettbewerber genau zum falschen Zeitpunkt trafen – all jene Epochen waren vielleicht nichts anderes als das – Epochen.

Was, wenn ...

Was geschieht jedoch, wenn sich ein Zeitalter verändert? Was geschieht, wenn die fortlaufende Kreditausweitung und ihre unterstützende Wirkung auf die Anleihenkurse und Erträge an ihr Ende gelangen oder beträchtliche Veränderungen erfahren?

Was, wenn die Niedrigzinsen das Ende eines Total-Return-Zeitalters einleiten, das in den 1970er-Jahren begann, sich 1981 beschleunigte und 2012/2013 in eine mathematische Sackgasse für Anleihen münden wird, ebenso wie für ähnliche Anlageklassen?

Was, wenn eine künftige Epoche überwiegend mit Erträgen einhergeht, die hinter den Indexerträgen zurückbleiben, oder von andauernden Wellen Lehman'scher Volatilität ähnlich der von 2008 gekennzeichnet ist, oder aber eine Phase globaler geopolitischer Konfrontationen mit sich bringt, hervorgerufen durch die Suche nach knappen und immer knapper werdenden Ressourcen, wie Öl, Wasser oder auch Nahrungsmittel, wie Jeremy Grantham es nahelegt?

Was, wenn die Auswirkungen des globalen Klimawandels beträchtliche Veränderungen des recht vorteilhaften Umfelds für eine Expansion und Befürwortung des Kapitalismus hervorrufen? Was, wenn die quantitativen Lockerungsmaßnahmen schließlich in sich zusammenbrechen, anstatt die Vermögenspreise anzuheben?

Was, wenn die Zukunft einem Anleger – einem scheinbar großartigen Anleger – eine Änderung seines Kurses oder zumindest das Erlernen neuer Tricks abverlangt? Dies würde die Großartigkeit eines Anlegers wahrlich unter Beweis stellen: seine Fähigkeit, sich an ein neues Zeitalter anzupassen.

Das Problem der Buffetts, Fusses, Granthams, Dalios, Gabellis und Grosses der Welt ist jedoch, dass sie das Ergebnis vermutlich nie erfahren werden. Denn sie können und werden diese Zeitalter vermutlich nicht überdauern. Indes weiß man nie, was die Zeit für jeden von uns mit sich bringt oder wie wir uns in Zukunft verhalten werden.