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Investment-Megatrend Biodiversität
Ein bisher vernachlässigtes existenzielles Risiko
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Investment-Megatrend Biodiversität Ein bisher vernachlässigtes existenzielles Risiko

Christlessee im Allgäu
Christlessee im Allgäu: Ungestörte Lebensräume mit großer Artenvielfalt werden knapp | Foto: Imago Images / imagebroker

Seit Jahrtausenden gestaltet der Mensch seine unmittelbare Umwelt nach seinem Willen. Je größer dabei der technische Fortschritt wurde und je weiter die Industrialisierung voranschritt, desto gravierender waren die Eingriffe in die Natur durch die schonungslose Ausbeutung der natürlichen Ressourcen – mit gravierenden Folgen: Ganze Wälder wurden gerodet, viele Tier- und Pflanzenarten ausgerottet und etliche Landstriche verwüstet oder verbaut.

 

 

 

So führt etwa die International Union for Conservation of Nature (IUCN) inzwischen 25 Prozent der Säugetiere, 41 Prozent der Amphibien und 13 Prozent der Vögel auf ihrer roten Liste der bedrohten Tierarten, während die UNO befürchtet, dass bis zum Ende dieses Jahrhunderts bis zu einer Millionen Tierarten verschwinden könnten. Wissenschaftler haben zudem errechnet, dass die Biomasse der Fluginsekten in den letzten drei Jahrzehnten um mehr als 75 Prozent zurückgegangen ist.

Massive Zerstörung und kein Ende in Sicht

Ein ähnlich trauriges Bild zeigt sich mit Blick auf die Lebensräume und Ökosysteme, wobei weltweit etwa 85 Prozent der Feuchtgebietsökosysteme und 50 Prozent der Korallenriffe bereits als zerstört gelten. Sofern sich die Welt um 1,5 Grad erwärmt, könnten sogar 99 Prozent der Korallenriffe verschwinden.

Während sich Investoren, Unternehmen und politische Entscheidungsträger in den letzten Jahren auf den Klimawandel und seine verheerenden Auswirkungen auf die Welt konzentriert haben, setzen sie sich immer öfter aber auch mit den Auswirkungen des Menschen auf und seine Abhängigkeit von der Natur auseinander. Neben dem Bewusstsein hinsichtlich des existenziellen Risikos, das der Verlust der biologischen Vielfalt unmittelbar für uns Menschen darstellt, sind allerdings auch eine ganze Reihe von systemischen Risiken für die Industrie und die Wirtschaft verbunden.

Sei es nun durch die Wertberichtigung von Vermögenswerten, durch den Ausfall zuvor verlässlicher Ökosystemleistungen, die für bestimmte Industriezweige im Rahmen des Herstellungsprozesses unverzichtbar sind oder durch Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs aufgrund von Umwelt- und Wettereinflüssen.

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Laut einer Umfrage des Weltwirtschaftsforums (World Economic Forum, kurz WEF) zur Wahrnehmung globaler Risiken gehört der Verlust der biologischen Vielfalt neben extremen Wetterereignissen und dem Versagen von Klimaschutzmaßnahmen in den nächsten fünf bis zehn Jahren inzwischen zu den drei größten Risiken.

 Billionenverluste und Hungersnöte durch Öko-Raubbau

Dabei sind allein die monetären Kosten des Verlustes der biologischen Vielfalt bereits heute enorm. So wird im Rahmen der im Mai 2020 veröffentlichten EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 angegeben, dass die Welt zwischen den Jahren 1997 bis 2011 Ökosystemdienstleistungen im Wert von schätzungsweise 3,5 bis 18,5 Billionen Euro pro Jahr durch Änderung der Bodenbedeckung und schätzungsweise 5,5 bis 10,5 Billionen Euro pro Jahr durch Landverödung verloren hat.

Zudem kann ein weiterer Rückgang der biologischen Vielfalt den Klimawandel beschleunigen, weltweit zu großen Hungersnöten führen und zur Ausbreitung neuer Krankheiten beitragen. Ein Rückgang der von der Natur erbrachten Ökosystemleistungen stellt zudem ein direktes Risiko für viele Unternehmen dar, da die Ernten unzuverlässiger werden, sich die Wettermuster ändern und die Insekten als natürliche Bestäuber der Landwirtschaft nicht mehr in dem Umfang zur Verfügung stehen, wie es noch vor einigen Jahrzehnten der Fall war.

Das Risiko, das hier zum Tragen kommt, ist sowohl ereignisbezogen, wie etwa im Rahmen von Hitzewellen, Überschwemmungen oder Dürren, als auch längerfristiger Natur, wie etwa die durch die Abholzung verursachte Verringerung der Niederschläge.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Verlusts der biologischen Vielfalt gehen allerdings weit über die Landwirtschaft hinaus, da die Unternehmen die Glieder multinationaler Lieferketten sind und den lokalen Lebensunterhalt und die Steuereinnahmen sichern. Sollten die Lieferketten unterbrochen werden, so beträfe dies inzwischen mehr als 50 Prozent des weltweiten BIP, wobei Sektoren wie das Baugewerbe, die Landwirtschaft sowie die Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie am stärksten betroffen wären.

Weiterhin hängt ein Drittel der weltweiten Nahrungsmittelversorgung von Insekten als Bestäuber ab, wobei ein sich fortsetzender Rückgang der Insektenpopulation unmittelbar auf die Nahrungsmittelproduktion auswirken würde, obwohl die bewirtschaftete Landfläche weltweit um 67 Prozent zunehmen müsste, um den erwarteten Nahrungsmittelbedarf im Jahr 2050 zu decken. Stattdessen ist jedoch ein Drittel der Landfläche der Erde stark erodiert und der Verlust an fruchtbaren Boden beträgt 24 Milliarden Tonnen pro Jahr.