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„Bis sich die Schuldenkrise entspannt hat, ist Zurückhaltung bei Aktien angesagt“

Ralf Zimmermann
Ralf Zimmermann
Die internationalen Kapitalmärkte sind derzeit von stark gegensätzlich gerichteten Kräften hin- und hergerissen. Positiv für Risikoanlagen (Aktien) ist die nach wie vor überreichliche globale Liquidität, vor allem in den USA, wo die Geldmenge mit zweistelligen Raten wächst. Die Bewertungen der Aktien sind durch die Kursrückgänge inzwischen historisch niedrig. Die Unternehmen verfügen (noch) über eine überdurchschnittlich gute Ertragslage und Liquiditätsausstattung. Durch die Kurseinbrüche wird ein deutlich negativeres Umfeld vorweggenommen. Zudem haben bereits viele Anleger kapituliert, Pessimismus war in der Vergangenheit als Kontraindikator eher ein positives Zeichen für die Märkte.

Negativ für Aktien sind die sich deutlich eintrübenden Konjunkturaussichten sowie die Schulden- und Bankenkrise. Die Eurokrise hat ein besonders hohes Gewicht, obwohl die jüngsten Pläne vorsehen, den Euro-Rettungsfonds zu „hebeln“ und die Banken mit mehr Kapital auszustatten, um im Falle einer Insolvenz Griechenlands eine Ausweitung der Krise zu verhindern. Dennoch ist eine nachhaltige  Entspannung des Systemrisikos nicht in Sicht.

Liquidität pusht Aktien

Aktuell wächst die Geldmenge in den USA mit zweistelligen Raten wie nach Lehman. In der Vergangenheit floss üblicherweise mit Verzögerung ein Teil dieser Liquidität auch in Risikoanlagen. Dabei ist dieses Wachstum noch nicht durch eine dritte liquiditätstreibende Runde der quantitativen Lockerung (quantitative easing, QE) begünstigt, wonach die Notenbank mit dem direkten Kauf von Wertpapieren die Geldmenge unmittelbar erhöht.

Auf ihrer jüngsten Sitzung beschränkte sich die Federal Reserve (noch) auf liquiditätsneutrale Maßnahmen: Sie neutralisiert den Kauf von langlaufenden US-Staatsanleihen durch den gleichzeitigen Verkauf von kurzlaufenden Anleihen. Offensichtlich muss Ben Bernanke berücksichtigen, dass auch innerhalb der Fed die Widerstände gegen die aggressive Geldpolitik zugenommen haben und die insgesamt steigenden Inflationsraten die Entscheidung zu Gunsten von QE 3 erschweren.

Auch wenn die Gemengelage diffuser geworden ist, ist aber letztlich davon auszugehen, dass die US-Notenbank bei stärkeren Rezessionshinweisen QE3 starten wird. Dies erhöht das Risiko langfristiger Verwerfungen, die neue Liquidität dürfte aber temporär Aktien begünstigen.

Die EZB zeigt sich restriktiver als die Fed

Die Liquiditätsentwicklung in der Eurozone steht dem Verlauf in den USA diametral entgegen: Das Geldmengenwachstum ist auf Rezessionsniveau. Das liegt zum einen an der restriktiveren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) – Anleihenkäufe der EZB werden durch gegenläufige Maßnahmen neutralisiert, bereits zwei Zinserhöhungen seitens der EZB seit April 2011. Zum anderen ist die Kreditvergabe der Banken zäh.

Allerdings sind erste zarte Hinweise auf Zinssenkungen aus Frankfurt zu vernehmen und die EZB will ihre 2010 eingestellten Käufe von Pfandbriefen in beschränktem Umfang wieder aufnehmen – gleichwohl bleibt der Faktor noch deutlich negativ.

Die Geldpolitik in den Schwellenländern scheint zu drehen – bislang war sie angesichts der Inflationsrisiken restriktiv. Als erstes großes Schwellenland hat Brasilien Anfang September überraschend seine Leitzinsen gesenkt. Ähnliche Signale könnten in China in den nächsten Monaten folgen – sollten sich die Hinweise verdichten, dass die Konjunkturabkühlung im Westen an Fahrt aufnimmt und der Inflationszyklus in China seine Spitze erreicht hat. Dies würde die Entwicklung der Schwellenländerbörsen stabilisieren.

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