Die geopolitische Lage hat sich zuletzt deutlich zugespitzt: Anfang Juni führten israelische Truppen Angriffe auf iranische Nuklearanlagen durch, die US-Regierung unterstützte diesen Konflikt wenig später aufseiten Israels mit Luftangriffen auf den Iran. Parallel dazu verabschiedet die Trump-Regierung aktuell mit ihrer „Big Beautiful Bill“ ein Gesetzespaket, mit dem Steuersenkungen auch durch die Aufnahme von Staatsschulden ermöglicht werden sollen.

Folgen der Entwicklungen im Nahen Osten sind ein sprunghafter Anstieg der Ölpreise, verbunden mit Abverkäufen an den Aktienmärkten. Bitcoin hingegen zeigte sich bemerkenswert stabil. Diese Entwicklung bestätigt, was wir in unseren Analysen seit Monaten beobachten: Bitcoin wird zunehmend als systemunabhängiges Reserve-Asset wahrgenommen – ähnlich wie Gold, aber mit höherer Liquidität und digitaler Infrastruktur.

Aus wissenschaftlicher Perspektive lässt sich dieses Verhalten mit Konzepten aus der Portfoliotheorie erklären: Investoren reagieren auf makroökonomische Unsicherheit mit einer Reallokation in Assets mit geringer Korrelation zu traditionellen Märkten. Wie die Kursentwicklung beweist, erfüllt Bitcoin diese Rolle zunehmend – und zwar nicht nur als spekulatives Vehikel, sondern als Bestandteil langfristiger Allokationsstrategien.

Die Rückkehr der Knappheit: algorithmisch, nachvollziehbar, messbar

Zentral für das Vertrauen in Bitcoin ist seine programmierte Knappheit. Während klassische Fiat-Währungen durch politische Prozesse gesteuert und im Bedarfsfall ausgeweitet werden, ist die Bitcoin-Geldmenge algorithmisch auf 21 Millionen Einheiten begrenzt. Diese inhärente Verknappung gewinnt an Bedeutung in einer Phase, in der Staaten erneut expansive Fiskalpolitik betreiben.

Um ein Beispiel dafür zu finden, muss man nur in die USA blicken, wo Präsident Donald Trump wieder den Gelddrucker anwerfen lässt: Im Zuge der „Big Beautiful Bill“ soll die offizielle Schuldengrenze um 4 Billionen US-Dollar angehoben werden – ein Signal, das Zweifel an der fiskalischen Nachhaltigkeit traditioneller Geldsysteme nährt.

On-Chain-Daten zeigen indes, dass derzeit rund 70 Prozent aller Bitcoin seit über sechs Monaten nicht bewegt wurden. Diese sogenannte HODL-Ratio (Hold On for Dear Life) ist ein empirischer Indikator für Marktvertrauen und langfristige Kapitalbindung in Bitcoin – ein Verhalten, das man auch bei klassischen Reserve-Assets beobachtet. Aus Sicht der Geldtheorie ist dies ein Ausdruck von Bitcoin als „Store of Value“, der sich zunehmend der Liquiditätspräferenz entzieht.

 

Bitcoin als strategisches Asset

Ein weiterer signifikanter Trend ist neben der privaten auch die zunehmende institutionelle und staatliche Beteiligung am größten Kryptoasset: Unternehmen wie Strategy, Metaplanet oder Gamestop allokieren gezielt Bitcoin in ihren Bilanzen – meist als Reaktion auf Währungsrisiken oder zur Diversifikation der Treasury-Reserven. Staaten wie Pakistan bauen staatlich regulierte Mining-Infrastrukturen auf – und setzen auf die Einführung staatlicher Bitcoin-Reserven.

Wir beobachten hier zunehmend eine geopolitisch motivierte Bitcoin-Adoption, mit dem Ziel, monetäre Souveränität zu stärken – ein Phänomen, das sich mit Konzepten aus der internationalen politischen Ökonomie analysieren lässt.

ETPs als regulatorisch gesicherte Brücke

Trotz dieser Dynamik bleibt der Zugang zur Krypto-Ökonomie für viele Anleger technisch herausfordernd. Notwendig für die „eigene“ Verwahrung von Krypto sind Dinge wie Wallet-Management, Private Keys, Verwahrung – nach wie vor abschreckend für viele Interessenten. Aber auch Krypto-Börsen bieten, trotz ihrer Vorteile beim Handeln, Risiken wie Hacks oder technische Ausfälle.

Daher ist es sicherlich auch börsengehandelten Krypto-Fonds – in Europa in Form von ETPs, in den USA in Form von ETFs – zu verdanken, dass sich Bitcoin zunehmend etabliert. Das Risiko des Verlusts von Krypto-Assets durch ein eigenes Cold Wallet oder den Hack einer Börse ist übrigens nicht nur theoretisch, wie die Kennzahl der „verlorenen“ BTC zeigt: Jener Bitcoin, die seit 2009 unwiderruflich verloren gingen.  

 

Bitcoin als makroökonomischer Gegenentwurf

Dass Bitcoin trotz bestehender geopolitischer und wirtschaftlicher Spannungen solide bei über 100.000 US-Dollar gehandelt wird, ist kein Zufallsprodukt spekulativer Übertreibung. Es ist Ausdruck eines systemischen Wandels: Bitcoin wird zunehmend als ernstzunehmendes, dezentrales und inflationsresistentes Asset verstanden – gerade in Zeiten, in denen klassische Instrumente der Geld- und Fiskalpolitik an Vertrauen verlieren. Wer Bitcoin nur als experimentelle Technologie oder bloßen Hype versteht, verkennt seine wachsende Bedeutung als makroökonomisches Phänomen.


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Über den Autor

Adrian Fritz verantwortet als Head of Research die Forschungsabteilung von 21.co. Das Unternehmen ist die Muttergesellschaft von 21 Shares, einem Emittenten von Krypto-ETPs.