Der Wahlkampf um das US-Präsidentschaftsamt nimmt zunehmend Fahrt auf und dabei wird eines immer offensichtlicher: Krypto wird ernst genommen.
Diese Tatsache wird aktuell von den Kandidaten beider Großparteien in den Vereinigten Staaten unter Beweis gestellt: Donald Trump, der Bitcoin noch 2019 als „kein echtes Geld“ und 2021 als „scheinbaren Betrug“ („Bitcoin seems like a scam“) bezeichnet hatte, trat Ende Juli auf der „Bitcoin 2024“ in Nashville auf, einem der wichtigsten Krypto-Events des Landes. Dort verkündete er vor rund 3.000 Zuschauern, die USA zum weltweit führenden Produktionsort für Bitcoin machen zu wollen. Zudem plant er unter seiner kommenden Präsidentschaft den Aufbau einer nationalen Bitcoin-Reserve. Als Präsident will Trump der „Verfolgung“ der Krypto-Industrie ein Ende setzen. Damit ist im Wesentlichen der bisher rigide Kurs der Börsenaufsichtsbehörde SEC unter Vorsitz von Gary Gensler sowie die Politik unter US-Präsident Joe Biden gemeint.
Ob Trump seine Ankündigungen wahr machen würde, steht in den Sternen – eindeutiger haben sich einige seiner Parteikollegen positioniert: So setzt der republikanisch geführte US-Bundesstaat Florida seit mehreren Jahren seine Krypto-freundliche Politik fort. Auch der von Trump jüngst zum Vizepräsidentschaftskandidat benannte JD Vance ist ein klarer Befürworter der Krypto-Industrie und hält nach eigenen Angaben Bitcoin im Wert von 100.000 bis 250.000 US-Dollar.
Demokraten fordern jetzt eine „Pro Krypto-Politik“
Auch bei den Demokraten scheint sich der Krypto-Wind zu drehen. So schickten am 26. Juli eine Reihe von Politikern der US-amerikanischen Demokratischen Partei einen Brief an das Democratic National Committee mit der Aufforderung, die ablehnende Haltung der Partei gegenüber Kryptowährungen zu ändern. Digitale Assets und die Blockchain böten „immenses Potenzial für Innovationen, Wirtschaftswachstum und finanzielle Inklusion Amerikas“ – und zugleich stünden diese bei den Wählern der Swing States und politisch umkämpften Staaten „ganz oben auf der Agenda“.
Die Biden-Regierung steht dem Thema Krypto seit langem skeptisch gegenüber: So hatte sie Bitcoin 2023 in einem Paper als unnötig energieaufwändig kritisiert und stattdessen die Einführung einer digitalen Zentralbankwährung auf Basis des US-Dollars als vorteilhaft präsentiert. Bidens Nominierung von Gary Gensler als SEC-Vorsitzender ebnete den Weg für dessen rigide Politik, die dieser mit mehreren Gerichtsverfahren gegen Krypto-Akteure führte – wenngleich die Behörde formell unabhängig von der US-Regierung agiert. Erst jüngst hatte diese sich von zuvor beschlagnahmten Bitcoin in Höhe von 240 Millionen Dollar getrennt. Unter dem Druck des Wahlkampfes, und womöglich auch aufgrund der stark steigenden Verschuldung in den Vereinigten Staaten, scheint sich das nun zu ändern.
So nahm das Team der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris Berichten zufolge vor kurzem mit mehreren Unternehmen aus dem Krypto-Sektor Kontakt auf – darunter Coinbase, Ripple Labs, und dem Stablecoin-Unternehmen Circle. Harris selbst ist bislang weder als lautstarke Krypto-Befürworterin noch als Kritikerin aufgefallen. Ob sie sich den Verfassern des Schreibens an das Democratic National Committee anschließt, ist noch offen.
Die Bemühungen von Parteikollegen, die Harris-Kandidatur stärker für Krypto zu positionieren, mündeten schließlich in der Vereinbarung eines Treffens zwischen Demokraten – darunter Mitglieder des Harris-Wahlkampfteams – und führenden Vertretern der Krypto-Branche. Dieses Treffen fand am 8. August statt und entwickelte sich zu einem teilweise hitzigen Gespräch, bei dem Krypto-Vertreter – darunter Führungskräfte von Ripple, Coinbase und Uniswap – den Demokraten vorwarfen, welchen Schaden die aktuelle Regierung mit ihrer Krypto-Politik bereits angerichtet hätte. Einige Teilnehmer zeigten sich dennoch optimistisch über das zukünftige Verhältnis zwischen Demokraten und der Krypto-Branche.
Krypto-Adoption zeigt mehr als nur politisches Kalkül
Dass aus diesen Bekundungen mehr Pragmatismus als Idealismus spricht, ist offensichtlich. Die Teams beider Kandidaten dürften sich von den Unterstützungserklärungen für die Krypto-Branche – egal ob diese bereits ausgesprochen oder erst geplant sind – entscheidende Unterstützung für ihre Wahlkämpfe versprechen. Nicht zuletzt dürfen auch die möglichen Wahlkampfspenden aus der Krypto-Branche in Höhe von geschätzten 160 Millionen US-Dollar eine Rolle für die Motivation der Politiker darstellen.
Und dennoch offenbart die Entwicklung um den US-Wahlkampf einen bedeutenden Aspekt: Die wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Adoption von Krypto schreitet rasch voran. Dass sich Krypto – am Beispiel des größten Krypto-Assets Bitcoin – für führende US-Politiker binnen nur drei Jahren von einem „scam“ zu einer potenziellen strategischen Ressource der USA wandelte, ist seinem wachsenden Stellenwert zu verdanken.
Dies äußert sich in den stets zunehmenden Bemühungen der traditionellen Finanzbranche, Krypto in ihr Geschäft einzubeziehen – so etwa durch Blackrock, Morgan Stanley oder Visa –, aber auch in jenen Entscheidungen von Staaten, Versicherungen und Pensionsfonds, sich Krypto zuzuwenden. Zugleich führen bedeutende Adoptionsschritte mitunter zu einem Effekt der gegenseitigen Verstärkung, wenn etwa politische Richtungsentscheidungen zu jenen auf privatwirtschaftlicher Seite führen – und umgekehrt: Denn fast parallel zu Trumps Ankündigung einer „Bitcoin-Reserve“ verkündete der Finanzdienstleister Cantor Fitzgerald, bereits 150 Millionen Dollar in Bitcoin zu halten und ab sofort Darlehen mit einer Absicherung durch das Krypto-Asset zu vergeben.
Über den Autor
Adrian Fritz verantwortet als Head of Research die Forschungsabteilung von 21.co. Das Unternehmen ist die Muttergesellschaft von 21 Shares, einem Emittenten von Krypto-ETPs.