Aktienmärkte Vorsicht, die Unternehmensgewinne sind unter Druck

Zuletzt hat der Aktienmarkt eine kleine Rally erlebt: Die Marktteilnehmer gingen davon aus, dass die Inflation nachlässt und die Fed ihre Zinserhöhungen bald verlangsamen wird. Wir glauben allerdings nicht, dass die Kursgewinne nachhaltig sind. Wir gehen vielmehr davon aus, dass die Fed die Zinssätze auf ein Niveau anheben wird, das den wirtschaftlichen Neustart abwürgt. Die Unternehmensgewinne könnten sich zukünftig weiter abschwächen, da sich die Verbraucherausgaben verschieben und die Gewinnspannen schrumpfen. Wir sehen keinen typischen Konjunkturzyklus, so dass wir mit unterschiedlichen regionalen und sektoralen Auswirkungen rechnen. Das Risiko enttäuschender Gewinne ist ein Grund für unsere taktische Untergewichtung von Aktien.
Höhere Löhne würden mehr Arbeitnehmer einen Job annehmen lassen
Die Pandemie und das Wiederaufleben der Wirtschaftstätigkeit führten zu einer massiven Umverteilung der Ressourcen. Während der Pandemie verlagerten sich die Verbraucherausgaben auf Waren; Dienstleistungen blieben außen vor. Das stützte die Erträge der Warenproduzenten, doch diese Entwicklung hat sich seit einiger Zeit verändert: Die Güternachfrage schwächt sich ab. Überhöhte Lagerbestände, von Einzelhändlern bis hin zu Halbleiterfirmen, sind ein Beweis dafür. Gleichzeitig sind Dienstleistungen stark nachgefragt.
Diese Rotation könnte sich auch auf Aktien auswirken: Es wird erwartet, dass 62 Prozent der Gewinne des S&P 500 im laufenden Jahr im Warenbereich erzielt werden, gegenüber 38 Prozent im Dienstleistungsbereich. Das bedeutet: Ein Boom im Dienstleistungssektor treibt die Gewinne des S&P 500 nicht so stark an wie es der Produktionssektor vermag.
Der heutige Arbeitsmarkt belegt überdeutlich, dass wir uns nicht in einem typischen Konjunkturzyklus befinden. Der Arbeitskräftemangel erweist sich als ein wesentliches Produktionshemmnis, nachdem viele Menschen während der Pandemie aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind. Unserer Einschätzung nach würden höhere Löhne dazu beitragen, den Arbeitsmarkt zu normalisieren, indem sie die Arbeitskräfte zur Rückkehr ermutigen und Anreize für die Beschäftigten setzen, nicht mehr für einen nur geringen Lohnaufschlag den Arbeitsplatz zu wechseln. Auf der anderen Seite erhöhen höhere Löhne natürlich auch die Kosten der Unternehmen und drücken auf die Gewinnspannen. Wir sind Zeuge dieser Dynamik, während der Neustart selbst ins Stocken gerät.
Europa und wahrscheinlich auch die USA vor Rezession
In Europa wird der Energieschock infolge des Überfalls Russlands auf die Ukraine wahrscheinlich noch in diesem Jahr eine Rezession auslösen. In den USA gerät der Neustart ins Stocken, da er auf Produktions- und Arbeitskräfteengpässe stößt, und wir erwarten, dass auch die US-Konjunktur schrumpfen wird.
Was bedeutet dieses Umfeld für die Erträge? Nach unseren Berechnungen ist das Gewinnwachstum des S&P 500 im Wesentlichen zum Stillstand gekommen, wenn man den Energie- und Finanzsektor ausklammert. Darüber hinaus sind die Gewinnerwartungen der Analysten unserer Meinung nach immer noch zu optimistisch.
Zwischen den einzelnen Unternehmenssektoren gibt es große Unterschiede. Die hohen Öl- und Gaspreise haben zu Rekordgewinnen bei den Energieunternehmen geführt. Wir gehen davon aus, dass dieser Trend vorerst anhält. Der Grund dafür: Der Westen ist bestrebt sich von der russischen Energie abzukoppeln und braucht neue Lieferanten. Langfristig könnten deren hohe Preise und Gewinne durch die zunehmende Dekarbonisierung aufgezehrt werden. Der US-Senat hat einen Gesetzesentwurf, den Inflation Reduction Act, verabschiedet, der den Energiesektor wahrscheinlich umkrempeln wird. Das Paket sieht Investitionen in grüne Energieinfrastrukturen und Steuervorteile vor, und will Anreize für den Übergang zu Netto-Null-Emissionen schaffen.
Zwei Gründe warum Aktien wieder unter Druck geraten
Welche Auswirkungen hat eine schwächere Gewinnprognose auf die Investitionen? Die Aktien haben sich erholt, da die Märkte die Hoffnung auf einen baldigen Kurswechsel der Fed einpreisen. Aber wir trauen der Rally nicht. Erstens sind die Markterwartungen von langsamer steigenden Zinsen unserer Meinung nach verfrüht. Unserer Meinung nach wird ein Umschwenken erst später erfolgen, weil die Fed im Moment Mühe hat, die Inflation einzudämmen. Zweitens halten wir die Erwartungen des Marktes in Hinblick auf die Erträge als zu optimistisch. Die Rückkehr der Ausgaben in den Dienstleistungssektor, die Verlangsamung des Wachstums und der sich abzeichnende Druck auf die Gewinnspannen stellen Risiken dar.
Fazit: Qualität, stabile Cashflows und solide Bilanzen zählen
Kurzfristig sind wir vorsichtig, aber wir bleiben investiert. Aus taktischen Gründen bevorzugen wir Investment-Grade-Kredite gegenüber Aktien, weil wir glauben, dass sie einen Abschwung überstehen können, den die Aktien noch nicht eingepreist haben. Wir bleiben bei den meisten Aktien in den entwickelten Ländern taktisch untergewichtet, bis wir klare Anzeichen für eine taubenhaftere Herangehensweise der Zentralbank sehen. Ausgewählte Gesundheits- und Energietitel gefallen uns. Bei Technologietiteln sind wir aufgrund ihrer Anfälligkeit für höhere Zinssätze vorerst zurückhaltend. Wir sehen jedoch strategische Chancen in den Bereichen Technologie und Gesundheitswesen, da sie besser als die kohlenstoffintensiven Sektoren aufgestellt sind. Innerhalb der Sektoren bevorzugen wir Qualitätsunternehmen, die in der Lage sind, höhere Kosten an die Kunden weiterzugeben sowie über stabile Cashflows und solide Bilanzen verfügen.
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