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Biotechnologie Blick in die Quellen alles Lebens

Nobelpreisträgerinnen Emmanuelle Charpentier (l.) und Jennifer Doudna
Nobelpreisträgerinnen Emmanuelle Charpentier (l.) und Jennifer Doudna: Die französische Mikrobiologin und die amerikanische Biochemikerin haben die Genschere Crispr-Cas erfunden, die viele Anwendungen in medizinischer Therapie, Pflanzenzucht und experimenteller Forschung zulässt. | Foto: imago images / Agencia EFE
Iain Snedden, Aktienanalyst

Das eine oder andere naturwissenschaftliche Fach zog mich an der Highschool nur mäßig in den Bann. Als mein Kollege mir also kürzlich aufgeregt von einem großen Fortschritt im Bereich der „Proteinstruktur-Vorhersage“ erzählte, sprang ich nicht gerade vom Stuhl auf. Als ich jedoch etwas mehr darüber recherchierte, wurde mir klar: Es handelt sich um absolut interessante Entwicklungen.

Proteine sind die Bausteine des Lebens. Sie sind das Herzstück fast aller Organismen. Wie sie funktionieren, hängt davon ab, wie sie sich in einer Zelle falten, um ihre dreidimensionale Struktur zu erhalten. Proteine selbst sind wiederum aus Ketten von Aminosäuren aufgebaut, von denen es nur etwa 20 Arten gibt – klingt soweit übersichtlich, oder? Es gibt jedoch Hunderte von Millionen Kombinationsmöglichkeiten dieser Aminosäuren innerhalb eines Proteins – wobei der wirklich entscheidende Teil letztlich die Struktur des Proteins ist beziehungsweise wie es sich in einer Zelle faltet. Ein Protein kann bis zu 10.300 verschiedene Formen annehmen, womit deren Formenvielfalt Wissenschaftler vor große Herausforderungen stellt.

Die Bestimmung dieser präzisen 3D-Form ist jedoch für unser Verständnis der Biologie von entscheidender Bedeutung. Die bisherigen Ansätze sind ungemein komplex und zeitaufwändig, daher ist der Wissenschaft seit langem daran gelegen, eine bessere Methode zu finden.

Algorithmus sagt die Struktur neuer Proteine vorher

Das bringt uns zu CASP (Critical Assessment of Structure Prediction), ein alle zwei Jahre stattfindender Wettbewerb, bei dem Wissenschaftler-Teams mit Hilfe von Technologie versuchen, die Form bekannter Proteine aus ihren Aminosäure-Komponenten vorherzusagen. Aus der saloppen Bezeichnung „Olympiade der Proteinfaltung“ ist für Laien nicht ersichtlich, dass das Problem, das die Teilnehmer zu lösen versuchen, Auswirkungen auf so ziemlich jeden Lebensbereich hat.

Ende des vergangenen Jahres wurde der Gewinner der letzten CASP-Runde bekanntgegeben: der Algorithmus AlphaFold 2. Dieser wurde von DeepMind entwickelt, einem britischen Unternehmen, das zur Google-Muttergesellschaft Alphabet gehört. Der Algorithmus nutzt künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen, um bestehende Proteinsequenz-Datenbanken zu analysieren. Auf der Grundlage der gewonnenen Informationen gelingt es dem Algorithmus, die Struktur neuer Proteine vorherzusagen.

DeepMind ging übrigens auch aus dem vorletzten CASP-Wettbewerb als Sieger hervor. Die Alphabet-Tochtergesellschaft nahm damals zum ersten Mal daran teil.

Bemerkenswert an der Leistung von AlphaFold 2 ist, wie genau die Vorhersagen ausfielen. Erreicht wurde ein Medianwert von über 92/100 – weit höher als die Leistung von AlphaFold im Jahr 2018 und als jeder andere Wettbewerbsgewinner in den Jahren zuvor. Wissenschaftler sehen eine Vorhersage-Genauigkeit, die mit traditionellen, sehr arbeitsintensiven Methoden vergleichbar ist.

Neue medizinische Therapien werden greifbar

Was bedeutet das für die Praxis? Nachdem Wissenschaftler bereits in der Lage sind, mit AlphaFold 2 rasch die Struktur von Proteinen zu bestimmen, deren Analyse zuvor Jahre in Anspruch nahm, werden sie bald verstehen, wie Zellen mutieren und Krankheiten verursachen – und wie diese behandelt werden können. Die aus diesem Wissen entstehenden möglichen Anwendungen gehen dabei weit über die medizinische Welt hinaus: Es dürfte bald möglich sein, technische und industrielle Prozesse effizienter, umweltfreundlicher und damit fortschrittlicher zu machen.

Obwohl das Jahr 2020 also im Hinblick auf die Pandemie und ihre Folgen ein sehr betrübliches Jahr war, läutete es dennoch eine Reihe von eindrucksvollen wissenschaftlichen Entwicklungen ein. Die Zulassung eines Covid-19-Impfstoffs in weniger als einem Jahr war solch eine unglaubliche Leistung. Die Verleihung des Nobelpreises für Chemie an Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna für ihre bahnbrechende Crispr-Cas-Methode – ein molekularbiologisches Verfahren, um DNA gezielt zu schneiden und zu verändern – ist Anerkennung für das enorme Potenzial der Anstrengungen, Therapien gegen Krebs und bisher unheilbare erblich bedingte Krankheiten zu finden.

Die Tatsache, dass die Leistung von AlphaFold 2 vielen Experten als die aufregendste wissenschaftliche Entwicklung des Jahres überhaupt gilt, zeigt, dass wir dem Jahr 2020 zumindest etwas Positives abgewinnen können. Wenn es gelingt, das Wissen aus diesen wegweisenden Projekten zu nutzen, um die Welt für uns alle zu verbessern, können wir auf weitere Fortschritte im Jahr 2021 und darüber hinaus gespannt sein.

 

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