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Börsenjahr 2024 im Rückblick

Unter vielen Börsianern galt es lange Zeit als ausgemacht, dass die USA spätestens Ende des Jahres 2023 zumindest den Beginn einer Rezession erleben würden. Dafür gab es neben den stark gestiegenen Zinsen gute Gründe. Ein wichtiges Argument war das Auslaufen der im Zuge der Pandemie aufgebauten Ersparnisse, die zu einem rückläufigen privaten Verbrauch führen sollten. Auch die Wiederaufnahme der Rückzahlung der Studentendarlehen sollte den Konsum belasten.
Rezessionsbeginn in den USA verschiebt sich weiter nach hinten
Was ist also schiefgelaufen bei der Prognose? Unterschätzt haben viele Volkswirte möglicherweise die weiter starken Fiskalimpulse (eindrücklich dokumentiert durch ein Haushaltsdefizit von circa 6 Prozent), zu denen auch der Chips Act gehört.
Ein Kennzeichen der amerikanischen Wirtschaft ist neben der erstaunlichen Stärke auch das Auseinanderklaffen zwischen den Wachstumsraten der Dienstleistungen und des Gütersektors. Während wir im Gütersektor durchaus von einer Rezession sprechen können, sind im Dienstleistungssektor nur wenig Anzeichen einer rückläufigen Nachfrage zu erkennen. Im Gegenteil, der jüngste Bericht der Einzelhandelsumsätze belegt gerade in dem Teilbereich der Ausgaben für Getränke und Nahrungsmittel (13 Prozent der gesamten Einzelhandelsumsätze) eine weit über der Inflationsrate hinausgehende Nachfragedynamik. Zusammen mit dem wieder erstarkten Konsumentenvertrauen und der rückläufigen Inflationsrate wird der Rezessionsbeginn daher immer weiter verschoben.
Europa kann bei fortschrittlichen Technologien kaum Erfolge vorweisen
Ganz anders als in den USA verhält sich die wirtschaftliche Lage in der Eurozone und China. In Europa waren im dritten Quartal die rezessiven Tendenzen zwar noch schwach, aber das Umfeld hoher Energiekosten, einer überbordeten Bürokratie und die Schwäche des Bausektors in vielen Ländern aufgrund der gestiegenen Zinsen werfen ein schlechtes Licht auf die künftige Entwicklung. In China hat der Rückgang der Inflationsrate überrascht und die desolate Lage des Bausektors deutet auf eine länger andauernde schwache Wirtschaftsdynamik hin.

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Gerade bei der Entwicklung fortschrittlicher Technologien wie der generativen KI kann Europa kaum Erfolge vorweisen. Es gibt kein zentrales Programm auf europäischer Ebene. Stattdessen ist die EU jedoch stolz darauf, als erster Kontinent KI zu regulieren. Hier wird nach der ESG-Behörde ein weiteres bürokratisches Monster geschaffen. Es bleibt abzuwarten, ob es wirklich gelingt ein extrem schnell wachsendes Gebilde wie die unzähligen Anwendungen und Technologien der KI wirksam zu regulieren, ohne gleichzeitig die Verbreitung und den Nutzen zu hemmen.
Wirtschaftswachstum wird durch KI leichten Auftrieb bekommen
Trotz dieser Bedenken ist davon auszugehen, dass der zunehmende Einsatz unterschiedlicher KI-Anwendungen auch die Produktivität erhöht und damit das Wirtschaftswachstum trotz des demographischen Gegenwinds leichten Auftrieb erfährt. Jeder der einmal das Übersetzungsprogramm von Deepl benutzt hat (übrigens ein Start-Up aus Köln) hat erlebt, wie sich die Produktivität durch KI steigern lässt.
Mitte Dezember können wir auch schon einen Ausblick auf das nächste Jahr wagen. Wenn die Inflation tatsächlich nachhaltig eingedämmt werden kann, gibt es gute Aussichten, dass auch die Zinsen wieder sinken. Hiervon würden nicht nur die Unternehmen profitieren und die Aktienbewertung, sondern auch die Haushalte vieler Länder. Im Zuge der stärkeren Durchdringung von Technologie in allen Lebensbereichen sollten vor allem amerikanische Technologiewerte profitieren, da sie in vielen Bereichen einen technologischen Vorsprung haben.
Über den Autor:
Jürgen Brückner ist Portfoliomanager bei FV Frankfurter Vermögen in Bad Homburg/ Königstein.