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Börsen-Chaos Macht Chinas Zinssenkung alles nur noch schlimmer?

Eine Senkung des Ausleihesatzes - wie zuletzt am Dienstag - sorgt für einen höheren Mittelzufluss an staatliche Firmen, die in Branchen wie dem Stahlsektor ohnehin schon Überkapazitäten aufweisen. Das verstärkt den deflationären Druck und könnte unter Umständen die realen Zinsen nach oben statt nach unten drücken, erklärt das Conference Board. Chinas Aktienmärkte gaben am Mittwoch nach, als die Wirkung des Zinsschritts und der flankierenden Verringerung der Reserveanforderungen an die Geschäftsbanken verpuffte. Der Ausverkauf hat bereits der fünf Billionen Dollar an Marktwert vernichtet. Am Donnerstag waren Chinas Börsen bei volatiler Tendenz im späten Handel deutlich fester. Anleger in aller Welt erhoffen sich von Zhou Xiaochuan, dem Gouverneur der People’s Bank of China, dass er das Investorenvertrauen wieder herstellt, das mit der Abwertung am 11. August verloren ging und Besorgnis um eine Verlangsamung des Wachstums in China schürte. Während die vorhergehenden vier Zinssenkungen seit November wenig Zugkraft zeigten, stößt die fünfte Verringerung auf eine gewisse Skepsis. „Einfach nur die Zinsen in China zu senken, dürfte nicht funktionieren, um das Wachstum wiederzubeleben“, sagt Frederic Neumann, Co-Chef für Wirtschaftsanalysen in Asien bei HSBC Holdings in Hongkong. „Sofern sie die Kreditvergabe an staatliche Unternehmen ausweiten, die weitgehend für die Überkapazität verantwortlich sind, könnte der Schritt letztlich den deflationären Druck in der Wirtschaft verschlimmern.“ Chinas Erzeugerpreise sind im Juli auf das niedrigste Niveau seit 2009 gefallen, was für die Industriesektoren des Landes Kapazitätsüberhänge und eine schwache Nachfrage im In- und Ausland signalisiert. Die einzige große Volkswirtschaft, die abgesehen von China solch einen hartnäckigen deflationären Trend aufgewiesen hatte, war Japan in den 1990er Jahren, schrieben Analysten von Morgan Stanley um Chetan Ahya im August in einer Studie.  Während zusätzliche Kapazitäten niedrigere Preise erzwingen, dürften die um die Inflation bereinigten Realzinsen steigen, was die Kapitalkosten für die produktivsten Kreditnehmer im Privatsektor des Landes erhöht, erklärt Andrew Polk, Ökonom des Conference Board in Peking. „Das ist ein Grund, warum die Geldpolitik nicht funktioniert“, sagt er. „Es gibt eine enorme Überkapazität, es gibt Zombie-Unternehmen, und die guten Unternehmen nutzen die lockere Geldpolitik nicht, weil sie sich um die Bereinigung ihrer Bilanzen kümmern, die Schulden zurückzahlen und ihre Produktion nicht ausweiten.“ Die gute Nachricht ist, dass die Zinssenkung den finanziellen Druck auf die lokalen Regierungen mindert, die Schätzungen von JPMorgan  zufolge in diesem Jahr mit einer Schuldendienstlast von etwa einer Billion Yuan (rund 137 Milliarden Euro) konfrontiert sind. Die geldpolitische Lockerung war angemessen, um die finanziellen Schwachstellen einzudämmen, selbst wenn der Schub für die Realwirtschaft begrenzt bleibt, sagt Wang Tao, China-Volkswirt von UBS Group in Hongkong. Frühere Anstrengungen zur Wachstumsbelebung haben die konjunkturelle Abkühlung nicht zu stoppen vermocht, die das von Ministerpräsident Li Keqiang gesteckte Wachstumsziel von sieben Prozent in diesem Jahr gefährdet. Dazu zählten Programme zur Schuldenumwandlung, um die Lokalregierungen zu entlasten, sowie Finanzspritzen in staatliche Förderbanken, damit diese die Kredite in die Wirtschaft zu weitergeben. China verringerte neben dem Ausleihesatz auch den Benchmark-Satz für Einlagen, was sich womöglich als Wachstumsbremse erweisen könnte. Denn anders als in vielen westlichen Ländern, regen Zinssenkungen in China nicht die Nachfrage an, erklärt Lim Say Boon, Investmentchef der DBS Bank in Singapur. „Chinesische Verbraucher werden nicht sagen: ’Hey, die Zinsen für meine Kreditkarte sind eben 0,5 Prozent gefallen, darum gehe ich jetzt raus und kaufe mir einen neuen Fernseher auf Pump’“ schreibt er in einer Analyse. „Wahrscheinlicher ist, dass die Konsumenten sagen: ’Hmm, meine Spareinlage bringt mir etwas weniger ein, darum gebe ich besser etwas weniger aus und spare mehr, um das auszugleichen’.“
Nach Einschätzung von David Loevinger, ehemals China- Experte im US-Finanzministerium und nun Analyst beim Fondsmanager TCW Group in Los Angeles, steht China „vor einem klassischen Sparparadox“. „Angesichts einer zu hohen Kapazität und zu hoher Schulden werden die Einsparungen durch die Zinssenkungen zur Schuldentilgung verwendet“, erwartet Loevinger. „Ein niedrigerer Zinssatz für Bankeinlagen wird die chinesischen Haushalte dazu zwingen, mehr zu sparen, um ihre Finanzziele zu erreichen - was das Wachstum weiter mindert.“

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