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Börsenblatt Eyb & Wallwitz Lehman-Pleite – über Notoperationen hinaus hat man nicht am System gerüttelt

Georg Graf von Wallwitz, Geschäftsführer der Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH
Georg Graf von Wallwitz, Geschäftsführer der Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH

Beim Ausbruch der Finanzkrise in der zweiten Hälfte des Jahres 2007 war keine unerklärliche Instanz am Werk. Es wurden zu viele Kredite an zu schlechte Schuldner vergeben, wodurch das Vertrauen in die Banken verschwand – und damit ihre Geschäftsgrundlage. Die Entwicklung neuer Techniken im Umgang mit Immobilienkrediten ermöglichte es den ursprünglichen Kreditgebern (z. B. regionalen Banken), diese Kredite weiterzureichen an Investoren, die keinen blassen Schimmer hatten, wem sie auf diese Weise ihr Geld liehen. Der Kredit floss nun immer leichter, denn die Qualität der Kreditnehmer war den letztlichen Kreditgebern nicht bekannt.

Aber diejenigen, die das sehen konnten und durchaus auch sahen, behielten die Kredite ja nicht auf den eigenen Büchern, und so war es ihnen im Grunde egal, ob die Kredite bedient wurden oder nicht. Die Zentralbanken unterschätzen lange das Risiko, welches diese Papiere bargen, sie unterschätzten dann das destruktive Ausmaß der Kreditkrise, und sie überschätzten schließlich noch den möglichen Schaden, welche die Quantitative Lockerung (ein damals nur theoretisch erprobtes Hilfsmittel) anrichten würde. So dauerte die Krise deutlich länger als nötig.

Keinen Mut zur Systemänderung

Und es hat sich erstaunlich wenig geändert durch die Krise. Über die Notoperationen hinaus hat es nicht den Mut gegeben, am System zu rütteln. Die Occupy-Bewegung blieb eine Fußnote. Dabei wäre viel Raum für ernsthafte Korrekturen am Finanzsystem gewesen. Allgemein wurde über die ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung (insbesondere in den angelsächsischen Ländern) geklagt, aber es wurde nichts dagegen unternommen. Im Gegenteil, die Tendenz zur Monopolbildung in der Wirtschaft (welche für weniger Wettbewerb und mehr Ungleichheit sorgt) hat eher zugenommen. Nach wie vor hängt ein guter Teil der Nachfrage von neuen Schulden ab.

Noch immer gibt es viele finanzielle Konstruktionen und Transaktionen, deren sozialer Nutzen sich auch mir nicht erschließt (falls das ein Maßstab ist). Noch immer bevorzugt das Steuersystem die Finanzierung durch Schulden vor der Finanzierung durch Eigenkapital. Die Wirtschaft ist immer stärker zu einer Rentenökonomie (engl. Rent-seeking) geworden, in der Grundbesitzer, Patentbesitzer, Monopolisten, Schuldenmacher (die heute Financial Engineers heißen) und ähnliche Glückspilze sehr gut leben, ohne Phantasie oder Schweiß in nennenswertem Ausmaß aufwenden zu müssen. Vielleicht hätte das alles uns nicht überraschen müssen, denn dieser Zustand eines verknöcherten, wachstumsfeindlichen Monopolkapitalismus wurde bereits in den 1940er-Jahren von Joseph Schumpeter beschrieben– als zwangsläufiger Endpunkt der kapitalistischen Wirtschaftsgeschichte.

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Experten versagen schafft Biotop für die Unvernunft

Geändert hat sich das Misstrauen in die Eliten. Das trifft insbesondere die Technokraten, die das gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftssystem ausgestalten. Sie sind in einer modernen Wirtschaftsordnung unabdingbar, weil die Zusammenhänge für die meisten Politiker zu kompliziert sind. Aber die Technokraten sind manchmal anfällig dafür, sich in den Details zu verlieren. Sie sehen dann zwar prinzipiell, was in der Wirtschaft vor sich geht, aber sie verstehen nicht das Ausmaß und die Bedeutung. Wo die Experten versagen, entsteht ein Biotop für die Unvernunft: Es ist eine direkte Folge dieses Vertrauensverlusts, dass in den USA acht Jahre später ein geistiges Klima herrscht, in welchem eine besonders unvernünftige Regierung das Ruder übernehmen kann. Ähnlich steht es in Westeuropa: Die Einführung des Euro war ein Fehler, der nun zum Sargnagel des Vernunftprojekts EU zu werden droht.

Für den Investor kann das alles nur heißen, dass er mehr Schumpeter lesen und sein Geld so anlegen muss, dass es auch in einer zwischen Verknöcherung und Populismus oszillierenden Welt noch gut aufgehoben ist. Wachstum wird ein rares Gut bleiben, die Rentenökonomie und ihre Mono- und Oligopole werden noch einige Jahre lang funktionieren. Entsprechend kann und soll man investieren. Das ist für den Bürger keine schöne Aussicht, aber für den Anleger funktioniert es.

Im ausführlichen Börsenblatt lesen Sie, wie dies mit Dostojewskijs Geschichte der Brüder Karamasow und dem Glauben an eine höhere Instanz – sei es die Religion oder die Wissenschaft oder die Gesellschaft (vertreten durch den Staat) – zusammenhängt.

Link: https://www.phaidrosfunds.com/aktuelles/publikationen/boersenblaetter/karamasows-teufel.html

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