Börsenexperte Robert Halver Die EU-Kuh ist nur vorerst vom Eis

Die europäischen Finanzmärkte und der Euro atmen durch, denn der Kelch der politischen Euro-Sklerose ist vorübergegangen. Aber ist dieser Deal wirklich der historisch große Wurf, das neue Europa, von dem die Politiker jetzt schwärmen?
Ende gut, alles gut?
Entschuldigung, aber ich erlaube mir, etwas Wasser in den süßen Brüsseler EU-Wein zu gießen.
In vielen Ländern ist die Akzeptanz des EU-Gemeinschaftsprojekts derart in Misskredit geraten, dass sich selbst Deutschland gezwungen sah, seine Stabilitätsseele zu verkaufen. Geldgeschenke sind ein klarer Verstoß gegen die Stabilitätskriterien. Man mag diesen Sündenfall jetzt Realpolitik nennen. Nachdem der deutschen Seite ihr bisheriger stabilitätspolitischer Blutsbruder Großbritannien abhandengekommen ist, werden die schuldengläubigen EU-Länder immer mehr.
Berlin tröstet sich damit, dass es mit diesem „alternativlosen“ Deal zwei Fliegen mit einer Klatsche schlägt: Zum einen erhalten Geschenke die Freundschaft, konkret die von Italien zur EU. Eine neue Euro-Krise ist vom Tisch. Jetzt sind also schon nicht zurückzuzahlende Zuwendungen als Kitt nötig, um die EU zusammenzuhalten. Zum anderen versetzt Deutschland den europäischen Süden mit Geldgeschenken in die Lage, weiter deutsche Maschinen und Autos zu kaufen.
Insgesamt werden die europäischen Stabilitätsregeln immer mehr zur aussterbenden Spezies. Zur Erinnerung: Die Deutschen waren nur bereit, ihre geliebte D-Mark aufzugeben, wenn der Euro genauso stabil ist. Frankreich ist am Ziel. Unser Nachbarland hat doch schon immer von Finanzsolidität so viel gehalten wie von verbrannter Crème brûlée. Und dieser jetzt praktizierte EU-Länderfinanzausgleich wird keine einmalige Veranstaltung bleiben. Die Transferunion wird zum Evergreen. Die nächste Wirtschaftskrise kommt bestimmt und an Geschenke gewöhnt man sich schnell.
Solidarität zwischen EU-Staaten ist zwar richtig,…
Grundsätzlich ist die europäische Idee eine großartige. Immerhin haben wir uns nach Jahrhunderten der kriegerischen Auseinandersetzungen endlich zu einer Wertegemeinschaft zusammengerauft. Daneben müssen wir uns gegen Feinde von außen wehren.