Sven Stoll
18.01.2023

ETF der Woche Breit gestreut vom China-Comeback profitieren

ETF der Woche
ETF der Woche: Chinas Abkehr von der Null-Covid-Politik und nachlassender staatlicher Druck auf die Tech-Konzerne weckt bei Anlegern Kursfantasien.
© Jessica Hunold erstellt mit Canva

Drei Jahre waren die Grenzen dicht. Doch seit einigen Tagen drängeln sich die Menschen in langen Schlangen an den Flughäfen in Peking und Shanghai. Chinesen dürfen wieder ins Ausland reisen. Die Öffnung der Grenzen folgt damit einen Monat nach der abrupten Kehrtwende der chinesischen Staatsführung. Seit dem Ausbruch der Pandemie in Wuhan verfolgte Machthaber Xi Jinping eine rigorose Null-Covid-Strategie, die mit Lockdowns für Millionen von Menschen, Massentests und Zwangsquarantäne umgesetzt worden war.

Mehr Zuversicht durch Lockerung der Maßnahmen

Viele Chinesen vom Festland reisen gerne zum Shoppen in die ehemalige Kronkolonie Hongkong und geben dort viel Geld aus. Geringe Steuern auf Produkte und bessere Qualität sind entscheidende Gründe. Der gesamte Beitrag der Reise- und Tourismusbranche zum Bruttoinlandsprodukt Hongkongs lag vor Ausbruch der Pandemie im Jahr 2019 bei 17,6 Prozent. Auch andersherum ist das Reisen wieder einfacher. Bei der Einreise nach China werden keine Quarantäne-Maßnahmen mehr durchgeführt.

Die Lockerungen dürften einer der Gründe sein, warum die Aktienmärkte seit einiger Zeit eine kräftige Kursrally hinlegen. So stieg der Hongkonger Aktienindex Hang Seng seit Ende Oktober um 40 Prozent. Festlandaktien, die in Shanghai und Shenzhen gelistet werden, stiegen in diesem Zeitraum nur um 12 Prozent. Die Ursache ist, dass ausländische Geldanleger aufgrund der höheren Transparenz und Liquidität ihr Geld lieber in Hongkong investieren.

 

Die Aufhebung der Reisebeschränkungen ist aber nicht der einzige Grund, warum Profiinvestoren wieder zuversichtlicher sind, was den chinesischen Aktienmarkt angeht. So ist die chinesische Zentralbank in der Lage, eine andere Notenbankpolitik zu verfolgen als westliche Notenbanken, die sich an den Entscheidungen der amerikanischen Federal Reserve orientieren. „Chinas Zentralbank konnte aufgrund der moderaten Inflation im letzten Jahr ihren Mindestreservesatz um 125 Basispunkte senken. Daher ist es wahrscheinlich, dass China im Jahr 2023 die einzige große Volkswirtschaft der Welt sein wird, die ihre finanziellen Bedingungen weiter lockert und damit die Art von Stimulus bietet, die anderen großen Volkswirtschaften kurzfristig nicht zur Verfügung steht“, erklärt Alessandro Rollo, Produktmanager beim Vermögensverwalter Vaneck.

Ersparnisse auf Rekordniveau

Ein anderer Faktor, der den Experten optimistisch stimmt, ist das Rekordniveau der Ersparnisse der privaten Haushalte. Schätzungen zufolge liege der Anteil der Sparguthaben bei etwa 40 Prozent des Bruttosozialprodukts. „Hunderte Millionen von Sparern haben kaum Möglichkeiten, beim Aufbau ihrer Altersvorsorge außerhalb der Kapitalmärkte des eigenen Landes eine angemessene Rendite zu erzielen. Deshalb sei damit zu rechnen, dass ein Teil der Ersparnisse in den Aktienmarkt des Landes fließe, der sich immer noch zu 95 Prozent im Besitz der einheimischen Bevölkerung befinde“, argumentiert der Experte.

Hilfspaket für den Immobiliensektor

Wichtig ist für Chinas Wirtschaft zudem der Immobilienmarkt. Im Jahr 2020 ist in China eine gigantische Immobilienblase geplatzt, die viele große Immobilienentwickler in Schieflage brachte. Um gegenzusteuern, leitete die Regierung im November 2022 einen Kurswechsel ein. „Ein aus Liquiditätsmaßnahmen und Kreditverlängerungen bestehendes Hilfspaket ebnete den Weg. Zuletzt wurden große Banken angehalten, Kredite an Immobilienentwickler zu vergeben, damit diese ihre internationalen Schulden begleichen können. So sollten weitere Zahlungsausfälle und Ansteckungseffekte verhindert werden“, berichtet Marcel Huber, Portfoliomanager bei Black Point Asset Management. Er rechnet damit, dass sich die chinesische Regierung in der neuen Amtszeit Xi Jinpings vor allem auf die Stärkung des Wirtschaftswachstums im Land fokussieren wird. „Wir gehen davon aus, dass der strauchelnde Immobilienmarkt vor einem Kollaps bewahrt und die Wirtschaft durch eine Lockerung der Null-Covid-Politik geöffnet wird.“

 

Die Großbanken Goldman Sachs und Morgan Stanley rechnen für dieses Jahr mit einem BIP-Wachstum zwischen 4,5 und 5 Prozent. Der Internationale Währungsfonds erwartet 4,4 Prozent. Ob sich die Prognosen bewahrheiten, hängt nicht zuletzt von der weiteren politischen Entwicklung ab. „Das aktuell größte Risiko wäre eine militärische Auseinandersetzung im Südpazifik. Insbesondere die Greater China Politik, die den Anspruch auf Taiwan explizit erhebt, könnte zu einem Super-Gau für Chinas Wirtschaft werden. Deshalb betrachten die Chinesen den aktuellen Konflikt des Westens mit Russland sehr genau, um die Sanktionsmechanismen und deren Folgen zu studieren“, sagt Volker Schilling, Vorstand und Fondsmanager bei Greiff Capital. Zuletzt haben die Spannungen zwischen den Großmächten wieder nachgelassen. Ein Unsicherheitsfaktor bleibt auch die Entwicklung der Pandemie. Sollte die Corona-Welle länger als von Gesundheitsexperten erwartet anhalten, könnte sich die Erholung der Wirtschaft hinauszögern.

Breiter Investmentfokus: ICBCCS S&P China 500 ETF

Quelle Fondsdaten: FWW 2024

Die Bewertungen des chinesischen Aktienmarktes sind derzeit günstig und locken zum Einstieg. So liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) aller Aktien, die im CSI-300-Index gelistet sind auf dem Niveau des Jahres 2013 bei knapp unter 12. Risikobereite Anleger bekommen die Aktien aus dem Reich der Mitte somit bedeutend günstiger als vor der Pandemie. Wer möglichst breit investieren möchte, kann einen Blick auf den ICBCCS S&P China 500 ETF werfen. Der passive Fonds von Wisdom Tree bildet den chinesischen Aktienmarkt in seiner ganzen Breite ab. In den vergangenen drei Monaten ging es mit dem Fondspreis um 9 Prozent nach oben, seit Auflage im Juli 2016 um insgesamt 43 Prozent.

In den S&P 500 China Index können grundsätzlich alle chinesischen Aktienklassen, inklusive der A-Aktien und Offshore-Notierungen aufgenommen werden. Das Offshore-Segment wird von bekannten Tech-Giganten mit einer größeren internationalen Präsenz wie Alibaba und Tencent dominiert. A-Aktien werden im Gegensatz dazu ausschließlich im Festland, also nicht in Hongkong gehandelt. Daher werden die Kurse von A-Aktien in der Landeswährung, dem Renminbi (CNY) notiert. Als Privatanleger kannst du diese Aktien nicht erwerben, weil nur ausländische Profiinvestoren und chinesische Anleger Zugang haben. Der S&P 500 China repräsentiert die 500 wichtigsten Aktien aus dem Reich der Mitte. Der ETF kauft die Aktien physisch und ist anhand der nach dem Streubesitz bereinigten Marktkapitalisierung gewichtet. Die Produktkosten liegen bei 0,55 Prozent pro Jahr.

Die größte Position im knapp 50 Millionen Euro großen ETF ist mit 5,9 Prozent Tencent, das wohl wichtigste Internetunternehmen Chinas. Der 1997 gegründete Konzern beschäftigt sich mit Online-Videogames, Internetwerbung, Videoplattformen und Bezahlsystemen. Besonders beliebt ist der Messenger WeChat. Tencent ist auch an etlichen internationalen Videospiele-Konzernen beteiligt. An zweiter und dritter Position im Portfolio sind mit jeweils 4,5 Prozent der Online-Händler Alibaba und der Schnapsbrenner Kweichow Moutai gewichtet. 

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