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Bundesregierung plant Neustart bei Nahles-Rente
Die Bundesregierung plant eine Öffnung des als Nahles-Rente bekannten Sozialpartnermodells für nicht-tarifgebundene Unternehmen durch eine Überarbeitung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes. Das sagte Rolf Schmachtenberg, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, auf der Handelsblatt-Tagung „Betriebliche Altersversorgung 2023“ in Berlin. Über die Pläne berichtet aktuell der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
Verbreitung von Betriebsrenten rückläufig
Der Verband sieht für die betriebliche Altersvorsorge (bAV) im Zuge des steigenden Bedarfs an kapitalgedeckten Alternativen in der Rente und dem Fachkräftemangel gute Perspektiven. Gleichzeitig komme das Thema aktuell kaum voran, vor allem im Mittelstand. Laut einer Studie von Generali Deutschland nutzen von den Mitarbeitern aktuell nur noch knapp 40 Prozent eine Betriebsrente. Das sind 1,7 Prozentpunkte weniger als 2022 und gar zehn Prozentpunkte weniger als 2011.
Ursachen sind laut des GDV-Berichts die Auswirkungen der Niedrigzinsphase, mit der viele die Kapitaldeckung generell infrage gestellt hätten und das schwierige wirtschaftliche Umfeld. „Die betriebliche Altersvorsorge kann nur durch Wachstum generiert werden“, sagte der Freiburger Ökonom Bernd Raffelhüschen bei der Veranstaltung in Berlin. Die Folge seien große Unterschiede in der Verbreitung der baV. Seit Jahren gebe es ein Gefälle zwischen großen und kleinen Unternehmen, zwischen tarifgebundenen und ungebunden. Das Interesse der Mitarbeiter an einer nicht rein arbeitgeberfinanzierten Betriebsrente hänge zudem stark von ihrem Einkommen ab.
Nahles-Rente: Keine Arbeitgeberhaftung und keine Garantien
Mit dem 2018 in Kraft getretenen Betriebsrentenstärkungsgesetz hatte die Regierung im Koalitionsvertrag bereits ein großes Reformpaket geschnürt, um die Marktdurchdringung zu erhöhen – verbunden unter anderem mit einer besseren Förderung für Geringverdiener und dem neu geschaffenen Tarifpartnermodell, so der GDV. Es sieht vor, dass Arbeitgeber enthaftet werden und nicht mehr für die Höhe der Betriebsrente einstehen zu müssen. Mehr noch: Garantien sind in diesem Modell sogar verboten. Im Gegenzug sollen die Beschäftigten davon profitieren, dass ein höherer Anteil der Beiträge in Aktien, Fonds und andere kapitalmarktnahe Geldanlagen gesteckt werden darf. Dabei haben die Arbeitnehmer mehr Mitspracherechte, wie die Gelder angelegt werden.
Modell bisher ein Misserfolg
Allerdings gibt es fünf Jahre nach dem Start erst zwei Vereinbarungen. Der GDV berichtet, dass sich zuletzt sogar die IG Metall gegen tarifvertragliche Vereinbarungen mit bloßer Beitragszusage in der bAV aussprach. Betroffen waren immerhin 2,2 Millionen Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie. Die Gewerkschaften stören sich vor allem daran, dass künftig nicht mehr garantiert wird, wie hoch eine Betriebsrente ausfallen wird und damit die Arbeitnehmer nicht wissen, mit welcher Zusatzrente sie rechnen können. Branchenbeobachter sahen in IG Metall-Weigerung schon den Todesstoß für diese Vorsorgeform. Der GDV wertet das Ganze zumindest als politischen Misserfolg.
Hallo, Herr Kaiser!
24 Punkte für Reform des Betriebsrentenstärkungsgesetz
Die Ampel-Regierung will aber an dem nach der damaligen Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles benannten Modell festhalten. Schmachtenberg kündigte für 2024 ein Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Rahmenbedingungen an. Ziel bleibe, wie schon 2018 bei Einführung, die Verbreitung der bAV zu erhöhen. Im noch unveröffentlichten Referentenentwurf stünden 24 Punkte, wie Schmachtenberg auf der „Handelsblatt“-Tagung verriet. Dazu zählt beispielsweise der Wegfall von Hinzuverdienstgrenzen und der Anspruch auf einen bAV-Bezug auch bei Erhalt nur einer gesetzlichen Teilrente. Damit sollen Hürden abgebaut werden, die einen flexiblen Übergang vom Berufsleben in den Ruhestand auch mit Blick auf die Betriebsrente behindern.
Vor allem aber soll das Sozialpartnermodell stärker geöffnet werden – für freie Berufe oder tarifungebundene Betriebe. Wie das konkret aussehen soll, ist offen. „Bei der Öffnung des Modells für nicht tarifgebundene Unternehmen sind wir noch auf der Suche nach einer Regelung“, sagt der Staatssekretär laut eines Berichts des Branchendienstes „Versicherungsmonitor“.
Flächendeckende bAV notwendig
Sollte sich auch mit den nächsten Verbesserungen die bAV nicht wie erhofft durchsetzen, steht langfristig auch eine Vorsorgepflicht im Raum, schreibt der GDV. Der Staatssekretär bezeichnete solch eine Maßnahme als eine „Gedankenfigur“, die das Bundesarbeitsministerium nicht ausschließe. Denn das langfristige Ziel der Politik ist nicht weniger als eine vollständige Marktdurchdringung. Schmachtenberg: „Wir halten eine flächendeckende bAV für notwendig.“