Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater
Politische Wahlen haben kaum Einfluss auf Kapitalmärkte

Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater
Am Ende der ereignisreichen sechzehnjähigen Kanzlerschaft Angela Merkels zeigen die meisten wirtschaftspolitischen Beurteilungen zwei Gesichter. Einerseits wird dem Land weiterhin eine hohe wirtschaftliche Leistungskraft bescheinigt, verbunden mit einem anhaltend hohen Lebensstandard. Deutschland steht im weltweiten Vergleich der Pro-Kopf-Einkommen an 16. Stelle von etwa zweihundert Staaten der...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Am Ende der ereignisreichen sechzehnjähigen Kanzlerschaft Angela Merkels zeigen die meisten wirtschaftspolitischen Beurteilungen zwei Gesichter. Einerseits wird dem Land weiterhin eine hohe wirtschaftliche Leistungskraft bescheinigt, verbunden mit einem anhaltend hohen Lebensstandard. Deutschland steht im weltweiten Vergleich der Pro-Kopf-Einkommen an 16. Stelle von etwa zweihundert Staaten der Erde. Innerhalb des Euroraums gilt Deutschland unangefochten als stärkste Wirtschaftskraft. Die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte sind in der Ära Merkel real um knapp 17 Prozent gestiegen, die Arbeitslosigkeit bewegte sich von 13 Prozent im Jahr 2005 auf 6,5 Prozent im Corona-Jahr 2020 und damit in die Nähe von Vollbeschäftigung.
Andererseits macht sich jedoch ein gewisses Unbehagen breit, ob das Land für die sozialen, technologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft ausreichend gut aufgestellt ist. Dies hat auch mit der Narration zu tun, dass aus wirtschaftspolitischer Perspektive die Kanzlerschaft Merkels eher blass wirke, weil mit Finanzkrise, Eurokrise, Flüchtlingskrise, Fukushima-Krise und der Corona-Pandemie kaum Gelegenheit zu systematischer Wirtschaftspolitik blieb.
So resultierten einige wichtige wirtschaftspolitische Entwicklungen dieser Zeit tatsächlich eher aus Reaktionen auf akute Krisen: die Neuregulierung des Finanzsektors, das Ende der Atomkraft oder das Voranschreiten der europäischen Fiskalunion unter den Euro-Staaten mit europaweiten Kreditfonds und Wiederaufbauprogrammen. Wirtschaftspolitisch traf in den vergangenen vier Legislaturperioden jedenfalls nicht zu, was man Großen Koalitionen landläufig am ehesten zutraut, nämlich einen wahrgenommenen Reformstau aus eigener Kraft und Einsicht aufzulösen.
Großes Regierungsbündnis büßt Zustimmung ein
Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Zum ersten war von der Vorgängerregierung Schröder am Arbeitsmarkt gerade eine Jahrhundertreform umgesetzt und damit eines der drängendsten Probleme Deutschlands, die hohe Arbeitslosigkeit, entschärft worden. Zum zweiten entsprachen visionäre Zukunftsreformen auch nicht dem Politikstil der ersten deutschen Kanzlerin. Sie verstand sich stets als Pragmatikerin und als Arbeiterin im Weinberg der Demokratie, wo beharrliche kleine Schritte und die Konstruktion von Mehrheiten auf Dauer mehr zählen als lautstarke Zukunftsentwürfe.
Außerdem haben die verschiedenen Kabinette Merkels sehr wohl auch aktive wirtschaftspolitische Akzente gesetzt, denn im Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sind etwa mit Mindestlöhnen sowie der Ausweitung von Leistungen in der Renten- und Pflegeversicherung deutliche Richtungsentscheidungen gefallen. Auch die Umwelt- und Klimapolitik wurde beständig vorangetrieben. Insgesamt hat jedoch das große Regierungsbündnis zwischen CDU/CSU und SPD während der langen Regierungszeit stetig an Zustimmung verloren: von 69,4 Prozent 2005 auf aktuell gerade noch 45 Prozent.
Kopf-an-Kopfrennen
Betrachtet man die Wahlprogramme der großen Parteien, so bilden sich immer noch zwei Lager heraus: das bürgerliche Lager aus den Unionsparteien und den Freidemokraten und das linke Lager, zusammengesetzt aus den Grünen, der SPD und der Linkspartei. Wenn es nur nach Inhalten ginge, dann müsste die FDP der Wunschpartner der Union sein. Dort sind die Überlappungen der Programme am größten. Doch zum Regieren bedarf es den Umfragen zufolge wohl zum ersten Mal in der bundesrepublikanischen Geschichte eines weiteren Partners.
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