Nachhaltigkeit Versicherungsvermittler trifft neue Pflicht unvorbereit
Scheitert die Politik mit ihrem anspruchsvollen Ziel, mehr privates Geld in den Klimaschutz zu lenken, an den Finanzberatern, die sie in die praktische Umsetzung einbezogen hat? Davor warnt zumindest Timo Biskop, Fokusbereichsleiter für „Beratung & Vertrieb beim German Sustainability Network (GSN): „Die Qualifikation und Motivation der Vermittler wird entscheidend für den Markterfolg nachhaltiger Produkte sein.“
Doch hieran hapert es noch, stellt Biskop fest. Der Branchenexperte stützt sich auf eine Online-Umfrage unter Vermittlern, die das GSN und der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) im September durchgeführt haben. Hieran beteiligten sich einige Hundert Vermittler, die 17 Fragen zu Interesse, Alltagsrelevanz, Qualifikation und Status Quo der Nachhaltigkeitsberatung beantworten sollten.
„Die aktuelle Blitzumfrage untermauert weiterhin das Bild einer unsicheren Branche und zeigt dringende Verbesserungsnotwendigkeiten auf. Dies betrifft allem voran die Aufklärungsarbeit zum Thema Nachhaltigkeit“, kommentiert Biskop die Ergebnisse. Sie zeigten große Informationslücken der Versicherungsvermittler, die seit dem 2. August Kunden nach deren Nachhaltigkeitspräferenzen befragen müssen.
Doch lediglich etwa die Hälfte der befragten Vermittler gibt an, selbst grundlegend zu Inhalten und Zielen der Regulatorik informiert zu sein. Ein Drittel hingegen fühlt sich noch zu wenig bis gar nicht vorbereitet. Umfassende Informationen und Handlungshilfen erwarten Vermittler von Produktgebern (75 Prozent), Aufsichtsbehörden wie der Bafin oder IHK (38), Berufsverbänden (37) sowie von Pools und Dienstleistern (30).
Hallo, Herr Kaiser!
Die am Markt momentan verwendeten Abfrage-Tools werden von 69 Prozent der Befragten als überwiegend ungeeignet bewertet. 78 Prozent fühlen sich zudem davon gestört, unterschiedliche Abfragelogiken verwenden zu müssen. Zudem sagen zwei von drei Vermittlern, in den vorherigen vier Wochen nie von Kunden auf Nachhaltigkeitsaspekte angesprochen worden zu sein. Und die wenigsten Verbraucher dürften ihre Präferenzen hierbei kennen und vertrauten daher ihrem Vermittler.
„Es ist noch viel zu tun, bis die Umsetzungsfähigkeit der Nachhaltigkeitspräferenzabfrage sichergestellt ist“, sagt BVK-Präsident Michael H. Heinz. Denn obwohl sich 33 Prozent der Befragten dem Thema Nachhaltigkeit mit Neugierde nähern, stimmen 19 Prozent dem nicht zu. Und 28 Prozent der Befragten geben an, sich dazu gezwungen zu fühlen, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen.
Um Vermittlern bei ihrer Nachhaltigkeitspositionierung zu helfen, hat der BVK bereits im Sommer eine Checkliste für Vermittler veröffentlicht. „Wir werden als Vermittler nur dann authentisch und kompetent von unseren Kunden wahrgenommen, wenn wir unsere eigenen individuellen Positionen zu Nachhaltigkeitsfragen kennen“, betont Verbandspräsident Heinz. „Die formal korrekte Abfrage vorgegebener Stichpunkte reicht nicht aus. Die Beteiligung unserer Branche an der dringend notwendigen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft beginnt beim Kundenkontakt im Vermittlerbetrieb. Das ist für uns Verpflichtung und Chance zugleich.“
„Eine jegliche Beschäftigung mit Nachhaltigkeitsfragen muss alle Bereiche des Geschäftsmodells eines Vermittlerbetriebes durchdringen. Das beginnt bei der eigenen Positionierung, der Entscheidung für eine offensive, neutrale oder defensive Grundhaltung und betrifft letztlich jeden einzelnen operativen Prozess“, betont Matthias Beenken die Bedeutung des Gesamtkonzepts. Der Professor für Versicherungswirtschaft an der Fachhochschule Dortmund hat die BVK-Checkliste wissenschaftlich begleitet.