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Carmignac-Stratege Saint George „Auf Kollisionskurs“

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Die Zwischenwahlen zum Kongress der Vereinigten Staaten finden am 6. November statt und stellen für Donald Trump, dessen republikanische Partei nach den Umfragen bislang nicht vorne liegt, sein vorrangiges Ziel dar. Sich vor diesen entscheidenden Wahlen einer Verständigung mit China und möglichst auch mit der Europäischen Union rühmen zu können - und diese Verständigung würde sicherlich als heldenhafter Sieg dargestellt werden -, würde in der amerikanischen Öffentlichkeit die größte Wirkung erzielen. Eine Anlagestrategie darf daher nicht ausschließen, dass es zu gegebener Zeit zu einem rationalen Ausgang kommt. In diesem Zusammenhang könnte der Dol lar etwas an Glanz verlieren.

Heute profitiert die Währung noch von einer guten amerikanischen Wirtschaftskonjunktur, einer generellen Risikoaversion und einer weiterhin entschlossen handelnden Zentralbank. Auch wenn das Worst-Case-Szenario in Anbetracht eines rückgängigen Zyklus noch in die Ferne rückt, könnten sich erstklassige Werte von Schwellenländern als überzeugende Anlagen erweisen. Kurzfristig mahnt die Sorge um Kapitalerhalt in allen Szenarien zu höchster Vorsicht, wenngleich mit der gebotenen Flexibilität und Reaktivität. Es muss ja nicht zum Schlimmsten kommen.

Ist die Eurozone zum Scheitern verdammt? Die Auflehnung in der Eurozone gegen eine Konstruktion, die als ineffizient, starr, bürokratisch, ungerecht, ja sogar undemokratisch empfunden wird, nimmt zu. Aber es sind eher die Mängel, gegen die sich die wachsende Kritik richtet, als die Sache selbst. Die Panikbewegungen, die die immer mal wieder aufflackernden Pläne eines Eurozonenaustritts begleiten, lassen einen wesentlichen Aspekt außer Acht: Der öffentlichen Meinung ist überall längst bewusst, dass die Rückkehr eines Landes zu seiner ursprünglichen Währung unfinanzierbar wäre.

Sei es zu Recht oder zu Unrecht, der Euro ist heute unumkehrbar, wie auch Mario Draghi vor kurzem äußerte. Die gesamte Europäische Union bedarf jedoch dringend Reformen. Ansonsten bringen wiederholte Erschütterungen das gesamte Gebäude zum Einsturz. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat das verstanden, Kanzlerin Angela Merkel ebenso. Sie könnte also in ihrer letzten Amtszeit an der Spitze Deutschlands diese Bewegung vorantreiben. Auf wirtschaftlicher Ebene könnte sie zum Beispiel mit ihrer Koalition eine gemeinsame Steuerreform auf den Weg bringen und einen Teil der großen Handlungsspielräume der deutschen Wirtschaft nutzen. Diese Geste der politischen Führung wäre eine glaubhafte Antwort auf einen drohenden wirtschaftlichen Abschwung, der sich bereits bemerkbar macht.

Dadurch würde das Land zur europäischen Wachstumslokomotive, statt weiterhin hauptsächlich als strenger Wächter über die Maastricht-Kriterien aufzutreten. Die CSU, die konservative Schwesterpartei der CDU, könnte zweifellos ein Programm der Steuererleichterung unterstützen, wenn sie einmal die Migrationsproblematik hinter sich gelassen hat. Einer der häufigsten Fehler der angelsächsischen Beobachter ist, dass sie bei jeder europäischen Krise das politische Bestreben unterschätzen, gemeinsam für das Überleben der Eurozone einzutreten. Das eigentliche Risiko ist unserer Auffassung nach kurzfristig das Risiko des Wirtschaftszyklus (siehe Carmignac‘ s Note vom Juni 2018 „Countdown“). Die Unterstützung durch die Geldpolitik läuft aus, und die haushaltspolitische Stabilisierung ist mangels Reformen unzureichend.

Die Bedrohung durch Protektionismus schürt natürlich bei den meisten Wirtschaftsakteuren Ängste. Dies gilt jedoch auch für die Vereinigten Staaten, wo die Geschäftswelt der amerikanischen Regierung die Risiken dieser Politik aufzuzeigen beginnt. Paradoxerweise verstärkt die Tatsache, dass sich diese Politik direkt oder indirekt nur in geringem Maße auf das amerikanische Wirtschaftswachstum auswirkt, das Risiko, dass diese rigide politische Haltung in unmittelbarer Zukunft beibehalten wird. So wird die Lage der Märkte heute im Wesentlichen politisch beeinflusst. Das führt zu einer geringeren Vorhersehbarkeit und mahnt zur Vorsicht.

Die ausgleichenden Kräfte, oder anders gesagt der gesunde Menschenverstand, dürften bzw. dürfte sich durchsetzen und zu guten Kompromissen führen. Es sei daran erinnert, dass das eigentliche Risiko für die Märkte komplexer, also kurzfristig weniger gefürchtet wird: Es liegt in einer möglichen Kollision zwischen destabilisierenden Wirtschaftspolitiken, einem anfällig gewordenen Wirtschaftszyklus und der Tatsache, dass die Zentralbanken ihre Munition verschossen haben.

Autor Didier Saint George ist Mitglied des Investment-Kommitees und
Managing Director bei Carmignac.

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