Carsten Klude
Konjunkturelle Erholung im 2. Halbjahr?
![Carsten Klude, Chefvolkswirt bei M.M. Warburg.](/uploads/images/teaser/slider/big/1560940563-Klude_Carsten_1070_web_.jpg)
Carsten Klude
Seit Beginn des Jahres 2019 haben sich nicht nur Aktien, sondern auch Anleihen sehr positiv entwickelt. Zumindest auf den ersten Blick scheint die gleichermaßen positive Wertentwicklung beider Anlageklassen allerdings inkonsistent zu sein. Die anhaltend hohe Nachfrage nach sicheren Staatsanleihen zeigt, dass viele Anleger angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Lage skeptisch sind, ob und mit welcher Dynamik sich der wirtschaftliche Aufschwung fortsetzt.
Gleichzeitig signalisiert der Anstieg der Aktienkurse, dass es jedoch genügend Investoren gibt, die das Szenario einer Rezession ausschließen und die von einer konjunkturellen Erholung in der zweiten Jahreshälfte ausgehen. Obwohl es gerade für die Eurozone bislang kaum Daten gibt, die diese Annahme untermauern, wiesen europäische Aktien zuletzt sogar eine bessere Wertentwicklung auf als US-amerikanische.
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Seit Beginn des Jahres 2019 haben sich nicht nur Aktien, sondern auch Anleihen sehr positiv entwickelt. Zumindest auf den ersten Blick scheint die gleichermaßen positive Wertentwicklung beider Anlageklassen allerdings inkonsistent zu sein. Die anhaltend hohe Nachfrage nach sicheren Staatsanleihen zeigt, dass viele Anleger angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Lage skeptisch sind, ob und mit welcher Dynamik sich der wirtschaftliche Aufschwung fortsetzt.
Gleichzeitig signalisiert der Anstieg der Aktienkurse, dass es jedoch genügend Investoren gibt, die das Szenario einer Rezession ausschließen und die von einer konjunkturellen Erholung in der zweiten Jahreshälfte ausgehen. Obwohl es gerade für die Eurozone bislang kaum Daten gibt, die diese Annahme untermauern, wiesen europäische Aktien zuletzt sogar eine bessere Wertentwicklung auf als US-amerikanische.
Dies ist umso erstaunlicher, da von der politischen Seite die erhoffte Klärung offener Fragen bislang nicht eingetreten ist. Im Gegenteil: Ob Donald Trump tatsächlich in der Lage ist, einen Handelsdeal mit China unter Dach und Fach zu bringen, ist genauso unsicher wie die Frage, ob ein anderer britischer Premierminister einen No-Deal-Brexit verhindern kann. In der jüngeren Vergangenheit haben sich Erfolgsmeldungen in Bezug auf eine baldige Einigung im Handelsstreit und gegenseitige Schuldzuweisungen für das Scheitern der Gespräche nahezu täglich abgewechselt. Momentan müssen die Kapitalmarktteilnehmer bezogen auf dieses Thema damit leben, dass die Unsicherheit weiter anhält.
Zudem ist die Wahrscheinlichkeit eines harten und ungeordneten Brexit nach dem Rücktritt von Theresa May angestiegen. Zum einen haben die Briten bei der Europawahl noch einmal gezeigt wie gespalten das Land in Bezug auf den Brexit ist. Zum anderen gilt Boris Johnson als Favorit für die Nachfolge von Theresa May. Der Ex-Außenminister und Ex-Bürgermeister von London ist nicht gerade als kompromissbereit und Mann leiser Töne bekannt. Aber auch hier wird das Problem nicht zeitnah gelöst sein, was wiederum zu anhaltender Unsicherheit beiträgt.
Bei den Europawahlen konnten die Euroskeptiker zwar nur moderate Zugewinne verzeichnen, dennoch macht das Wahlergebnis das Regieren zukünftig schwieriger. Aufgrund dieser Rahmenbedingungen gibt es wenig Gründe, warum die Anleihekurse nachhaltig unter Druck geraten sollten, sodass es derzeit wenig Argumente dafür gibt, weshalb die Rendite für eine 10-jährige Bundesanleihen in naher Zukunft ansteigen wird. Schließlich ist die Inflation bis auf Weiteres unter Kontrolle.
Mit höheren Notenbankzinsen als Spielverderber ist von daher weder dies- noch jenseits des Atlantiks zu rechnen. Von der EZB sind bis zur Nachfolgeregelung Mario Draghis, dessen Amtszeit im Oktober ausläuft, keine weitreichenden Entscheidungen zu erwarten. Von der US-Notenbank wird hingegen erwartet, dass sie im weiteren Jahresverlauf die Zinsen senken wird. Vor allem in den vergangenen 14 Tagen sind die Zinserwartungen massiv gefallen. So zeigen die Fed Funds Futures, dass die Mehrheit der Marktteilnehmer mittlerweile schon für den 31. Juli mit einem ersten Zinsschritt nach unten rechnet. Auf der nächsten FOMC-Sitzung am 18. September könnte es dann bereits eine zweite Zinssenkung geben, wenn es nach den Akteuren an der Terminbörse CME geht. Und bis Januar 2020 wird sogar mit einer noch expansiveren Geldpolitik in Form eines dritten Zinsschrittes gerechnet.
Diese Erwartungshaltung ist der vielleicht wichtigste Faktor, der sowohl den Aktien- als auch den Anleihekursen im Moment zugutekommt. Insbesondere die US-Notenbank hat mit ihrer abrupten geldpolitischen Kehrtwende die Kursentwicklung an den Kapitalmärkten maßgeblich beeinflusst. Allerdings macht die Federal Reserve unter ihrem Präsidenten Jerome Powell keine sonderlich gute Figur. Schon seit Ende des vergangenen Jahres befindet sie sich „behind the curve“, zudem scheinen ihre Handlungen zunehmend unter dem Einfluss von US-Präsident Trump zu stehen, der schon seit einiger Zeit vehement Zinssenkungen fordert.
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