Exklusiv-Gespräch über Trump-Wahlsieg und Ampel-Aus Carsten Maschmeyer: „Ein Eigentor für die Tech-Branche“
Anfang August lehnte Carsten Maschmeyer eine Anfrage für den Verwaltungsratsvorsitz bei Wefox ab. Kurz darauf sprach DAS INVESTMENT mit ihm unter anderem über die Gründe für seine Ablehnung sowie darüber, welche deutschen Insurtechs er für besonders aussichtsreich hält. Nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten spitzt sich die Lage auch in Deutschland zu. Warum es für deutsche Insurtechs zunehmend schwieriger wird, sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten, welche Vor- und Nachteile Trumps Wahlsieg für die US-Insurtechs sowie für die gesamte Tech-Branche in den USA hat und wie es nach dem Zusammenbruch der Ampel-Koalition weitergeht, erklärt der Star-Investor im zweiten exklusiven Interview mit DAS INVESTMENT.
DAS INVESTMENT: Herr Maschmeyer, Sie waren im Oktober in den USA, mitten in der heißen Wahlkampfphase. Was waren Ihre wichtigsten Eindrücke?
Carsten Maschmeyer: Ich war viel im Silicon Valley, San Francisco und Los Angeles, wo ich an 51 US-Start-ups beteiligt bin. Zudem lebt mein Sohn seit zwölf Jahren in Kalifornien, und ich habe dort auch eine Enkelin mit amerikanischem Pass. Was mich besonders überrascht hat, war die politische Aufspaltung im Silicon Valley. Früher waren das Valley und die Demokraten eine Einheit – das ist jetzt vorbei. Namhafte Persönlichkeiten wie Peter Thiel, Elon Musk und Marc Andreessen haben sich klar für Trump positioniert. Andreessen hat sogar lange vor der Wahl öffentlich erklärt, dass er Trump wählen wird. Interessant war auch die Wahlkampf-Strategie: In Kalifornien gab es kaum Trump-Wahlplakate, außer in den Touristenzentren wie Fisherman's Wharf in San Francisco oder Santa Monica. Das Ziel war offensichtlich, die US-Touristen zu beeinflussen, damit sie in ihren Swing States entsprechend wählen.
Warum nur an der Oberfläche kratzen? Tauchen Sie tiefer ein mit exklusiven Interviews und umfangreichen Analysen. Die Registrierung für den Premium-Bereich ist selbstverständlich kostenfrei.
Anfang August lehnte Carsten Maschmeyer eine Anfrage für den Verwaltungsratsvorsitz bei Wefox ab. Kurz darauf sprach DAS INVESTMENT mit ihm unter anderem über die Gründe für seine Ablehnung sowie darüber, welche deutschen Insurtechs er für besonders aussichtsreich hält. Nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten spitzt sich die Lage auch in Deutschland zu. Warum es für deutsche Insurtechs zunehmend schwieriger wird, sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten, welche Vor- und Nachteile Trumps Wahlsieg für die US-Insurtechs sowie für die gesamte Tech-Branche in den USA hat und wie es nach dem Zusammenbruch der Ampel-Koalition weitergeht, erklärt der Star-Investor im zweiten exklusiven Interview mit DAS INVESTMENT.
DAS INVESTMENT: Herr Maschmeyer, Sie waren im Oktober in den USA, mitten in der heißen Wahlkampfphase. Was waren Ihre wichtigsten Eindrücke?
Carsten Maschmeyer: Ich war viel im Silicon Valley, San Francisco und Los Angeles, wo ich an 51 US-Start-ups beteiligt bin. Zudem lebt mein Sohn seit zwölf Jahren in Kalifornien, und ich habe dort auch eine Enkelin mit amerikanischem Pass. Was mich besonders überrascht hat, war die politische Aufspaltung im Silicon Valley. Früher waren das Valley und die Demokraten eine Einheit – das ist jetzt vorbei. Namhafte Persönlichkeiten wie Peter Thiel, Elon Musk und Marc Andreessen haben sich klar für Trump positioniert. Andreessen hat sogar lange vor der Wahl öffentlich erklärt, dass er Trump wählen wird. Interessant war auch die Wahlkampf-Strategie: In Kalifornien gab es kaum Trump-Wahlplakate, außer in den Touristenzentren wie Fisherman's Wharf in San Francisco oder Santa Monica. Das Ziel war offensichtlich, die US-Touristen zu beeinflussen, damit sie in ihren Swing States entsprechend wählen.
Bemerkenswert fand ich auch, wie es Trump als verurteiltem Straftäter gelungen ist, sich als Interessenvertreter der kleinen Leute zu positionieren. Das ist nahezu bizarr und eine völlige Verdrehung der Realität. Trump hat es geschafft, die Themen Wirtschaft und Migration an die erste Stelle zu schieben. Biden hat zu spät seinen Rückzug erklärt, sodass die Demokraten keinen echten Auswahlprozess für einen anderen Kandidaten durchführen konnten – zum Beispiel den Gouverneur von Kalifornien.
War Kamala Harris denn keine würdige Trump-Gegnerin?
Maschmeyer: Nein, nicht wirklich. Als Vizepräsidentin war Harris in den ersten zwei Jahren der Biden-Regierung enttäuschend. Ich hatte anfangs große Hoffnungen in sie gesetzt, aber sie hat wenig Profil entwickelt und weder Akzente gesetzt noch Maßnahmen umgesetzt.
Wie haben Sie die Stimmung in der Tech-Szene wahrgenommen – besonders im Hinblick auf den überraschenden Seitenwechsel einiger prominenter Unterstützer?
Maschmeyer: Der Einfluss der Tech-Milliardäre wie Thiel und Musk auf die Wahlwahrnehmung ist beispiellos – so etwas hat es in einer westlichen Demokratie in den letzten Jahrzehnten nicht gegeben. Nehmen Sie Elon Musk: Noch vor knapp zwei Jahren hat er Trump scharf kritisiert und fast beleidigt. Damals hätte niemand einen Cent auf Trump gesetzt. Die große Frage war eher: Wann wird er verurteilt und wie lange muss er ins Gefängnis oder kommt er mit Bewährung davon? Aber dann kam die Wende: Biden machte mit einer katastrophalen Performance im Fernsehduell deutlich, dass er nicht mehr der Richtige ist. Und Musk spendete 120 Millionen Dollar und ist seit der Wahl 30 Milliarden reicher geworden – ein durchaus lukratives Geschäft für ihn. Noch wichtiger aber war: Er stellte seine 200 Millionen Follower auf X in den Dienst von Trumps Wahlkampf. Er verbreitete aufgebauschte Migrationsgeschichten. Dafür ist er mit einem lukrativen Posten belohnt worden: Musk wird zusammen mit dem Biotech-Millionär Vivek Ramaswamy die Behörde für Regierungseffizienz leiten, die die Bürokratie auf Bundesebene drastisch einschränken und deregulieren soll. Von etwaigen Einschränkungen oder einer möglichen Zerschlagung seiner Unternehmen wird dann keine Rede mehr sein. Wir müssen uns vor Augen führen: Die Tech-Giganten machen heute schon Umsätze und Gewinne, die den Gesamthaushalt mancher Industrieländer übersteigen. Unter Trump werden sie noch reicher – was auch schon seit dem Wahlabend eingetreten ist.
DAS INVESTMENT: Und was bedeutet der Trump-Sieg konkret für die Gründerszene?
Maschmeyer: Auch die US-Gründer profitieren in mehrfacher Hinsicht: Der Datenschutz wird unter Trump deutlich weniger streng gehandhabt, was besonders für Unternehmen wichtig ist, die mit Datenanalyse und Künstlicher Intelligenz arbeiten. Wer mehr Daten zur Verfügung hat und diese mit weniger Einschränkungen nutzen kann, dessen KI wird schneller besser. Denn wenn zum Beispiel eine Million Versicherungsdaten über einen Rechner laufen, wird die Software mit jedem Datensatz genauer und die künstliche Intelligenz entsprechend schlauer. Dazu kommen handfeste finanzielle Vorteile: Während Kamala Harris die Unternehmenssteuern auf 28 Prozent erhöhen wollte, plant Trump eine Senkung von 21 auf 15 Prozent. Besonders attraktiv für Start-up-Investoren: Wer beispielsweise 5 Millionen investiert und später 20 Millionen herausbekommt, muss die 15 Millionen Gewinn nicht sofort versteuern, wenn er sie neu investiert – und sei es nur in eine privat genutzte Immobilie. Diese Aussichten haben viele Gründer und Investoren dazu bewogen, Trump zu unterstützen. Nach dem Motto: „Not America first, but my company, my wealth first.“
Das klingt für Investoren ja alles andere als negativ. Freuen sich die Gründer, mit denen Sie in den USA gesprochen haben, über den Wahlsieg von Trump?
Maschmeyer: Marc Andreessen, einer der profiliertesten Start-up-Investoren, brachte es auf den Punkt: „Ich hasse mich dafür, aber ich muss an meine Firmen denken, an meine Investoren.“ Innerlich können sich viele nicht mit Trumps absolutistischen und diktatorischen Ansätzen anfreunden, aber sie haben aus taktischen, kurzfristigen Gründen für ihn gestimmt. Sie wollen keine verschärfte Regulierung, keine härtere Datenschutzgrundverordnung, sondern wollen ungestört wachsen und größer werden und somit ihren Standortvorteil gegenüber europäischen Firmen erhöhen.
Hat diese Medaille denn keine Kehrseite?
Maschmeyer: Doch, es gibt auch einen kritischen Punkt: die Migration. Denn bei Amazon, Google und Microsoft haben jeweils mehr als 80 Prozent der Menschen einen Migrationshintergrund, in erster oder zweiter Generation. Wenn Trump, wie angekündigt, den Zugang zu Arbeitserlaubnissen erschwert, könnte das nach hinten losgehen. Denn diese Unternehmen brauchen die weltweiten Talente im Silicon Valley. Sollte Trump also seinen migrationskritischen Aussagen Taten folgen lassen – was bei ihm nicht immer vorhersehbar ist – könnte das ein Eigentor für die Tech-Industrie sein, die auf globale Talente angewiesen ist.
Werden auch Insurtechs von Trumps Wahlsieg profitieren?
Maschmeyer: Ja, denn auch in der Versicherungsbranche dreht sich vieles um die Regulierung. Hier in Deutschland haben wir mit der Bafin eine Behörde, die, seitdem sie sich bei Wirecard weggeguckt hat, mittlerweile sehr streng reguliert – oft sogar zu strikt. Im Versicherungsbereich ist das ein zweischneidiges Schwert. Einerseits wünschen sich Unternehmen natürlich weniger Regulierung und einen Bürokratieabbau. Andererseits geben Versicherungen Leistungsversprechen ab, die oft 30 bis 50 Jahre halten müssen. Wenn Insurtechs dafür nicht genug Rücklagen bilden, kann das gefährlich werden. Durch Deregulierung wird das noch riskanter.
Inwiefern?
Maschmeyer: Ein Vergleich zur Bankenwelt zeigt das gut. Nach der Lehman-Krise hatten die USA ihre Banken weniger stark reguliert als Europa. Dadurch konnten sich amerikanische Banken weltweit stärker positionieren als die europäischen. Ähnliches könnte im Versicherungsbereich passieren. Die Standards in den USA werden flexibler, was Insurtechs und neue Technologien wie Blockchain unterstützt. Ein weiterer Punkt ist das amerikanische öffentliche Sozialsystem, das unter den Republikanern und Trump weniger Priorität hat. Zum Beispiel wird Obamacare zurückgedreht, so dass die Menschen noch mehr finanzielle Belastungen tragen müssen. Anders als in Deutschland oder anderen europäischen Ländern gibt es dort kein umfassendes staatliches soziales Sicherheitsnetz. Daher haben private Versicherungen dort eine höhere Bedeutung, da staatliche Versicherungen oft nicht ausreichen, um die Bürger abzusichern.
Wo sehen Sie noch Unterschiede zwischen den Insurtechs in den USA und Deutschland?
Maschmeyer: Ein zentraler Unterschied ist, dass wir in Europa keine „Vereinigten Staaten von Europa“ haben. Start-ups in Deutschland konzentrieren sich meist auf den deutschen Markt. In den USA hingegen müssen Unternehmen zwar oft für jeden Bundesstaat eine eigene Lizenz beantragen, doch wenn das geschafft ist, steht ihnen ein riesiger, weitestgehend einheitlicher Markt zur Verfügung. Ich bin relativ sicher, dass Elon Musk in den USA die Bürokratie abbaut und Effizienz steigert. Weniger Regulierung und mehr Fokus auf den Gesamtmarkt könnten dazu führen, dass Unternehmen dort schneller und effizienter wachsen als im Rest der Welt.
Ein weiterer Vorteil in den USA ist der schon erwähnte leichtere Zugang zu Daten. Jedes zusätzliche analysierte Datenset verbessert die Software. In Europa hingegen bremsen strikte Datenschutzvorgaben – oft noch verstärkt durch die deutsche übereifrige Gründlichkeit in der Umsetzung – diesen Fortschritt. Auch das führt dazu, dass internationale Start-up-Investoren Deutschland zunehmend meiden. Unternehmen und Investoren ziehen in Länder mit weniger Regulierung und einem günstigeren Marktumfeld sowie höherem Wirtschaftswachstum. Ich spreche oft mit Unternehmern und internationalen Wirtschaftsführern, und viele sagen inzwischen, dass Deutschland immer unattraktiver wird. Diese Entwicklung schadet nicht nur dem Start-up-Ökosystem, sondern auch der gesamten Wirtschaft.
Ein weiteres Problem ist die fehlende Liquidität im deutschen Start-up-Markt. Wenn Investoren keinen „Exit“ sehen – also keine Möglichkeit, ihre Anteile später gewinnbringend zu verkaufen – sind sie nicht bereit erneut zu investieren. Ohne Exits fehlt Geld für weitere Investitionen, wodurch der Standort Deutschland weiter an Wettbewerbsfähigkeit verliert.
Und was würden Sie vorschlagen, um diese Probleme in Deutschland zu lösen?
Maschmeyer: Wir wissen bereits, dass Deutschland in Rankings zur Digitalisierung und Innovation weit zurückliegt und das geringste Wirtschaftswachstum, teilweise sogar ein Minuswachstum in Europa aufweist. Was wir bräuchten, wäre eine Art Entbürokratisierungsminister oder eine Kommission, die unnötige Regeln und ineffiziente Strukturen abbaut. Deutschland sollte sich ein Beispiel an den USA nehmen und den Standort für Gründer und Investoren attraktiver machen.
Nach dem Bruch der Ampelkoalition stehen Neuwahlen bevor. Was bedeutet das für die Gründerszene allgemein und für die Insurtech-Szene im Besonderen?
Maschmeyer: Was die Ampelkoalition in den letzten drei Jahren geleistet hat, war in meinen Augen dysfunktional. Wir haben erlebt, wie sich die Parteien auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen, anstatt mutig auf den größten gemeinsamen Zähler zu setzen. Jeder wollte nur sein eigenes Parteiprogramm durchbringen, ohne den Blick für das Ganze zum Wohle des Landes und der Bürger.
Wen trifft dabei Ihrer Ansicht nach die größte Schuld?
Maschmeyer: Besonders problematisch waren aus meiner Sicht die Grünen. Sie haben versprochen, dass erneuerbare Energien und „grüne Technologien“ Arbeitsplätze schaffen und die Wirtschaft durch Umsatz- und Gewinnsteigerungen stärken würden. Stattdessen erleben wir das Gegenteil: höhere Energiekosten, mehr Vorschriften und eine Verunsicherung der Verbraucher. Wir kaufen jetzt Atomstrom aus Nachbarländern mit unsichereren Kraftwerken, weil der Atomausstieg hierzulande überstürzt beschlossen wurde – ein Schritt, den Angela Merkel damals nach der Fukushima-Katastrophe wahrscheinlich aus taktischen Gründen gemacht hat, um Wähler von den Grünen zu gewinnen. Dabei gab und gibt es in Deutschland weder Tsunamis noch häufige Erdbeben. Die Menschen sind verunsichert: Soll ich in Wärmepumpen investieren oder nicht? Wird mein E-Auto gefördert oder nicht? Die Nachfrage nach Wärmepumpen sinkt, und immer weniger Elektroautos werden bestellt. Unsere stärkste Industrie – die Automobilbranche – wurde durch die überhastete Abkehr vom Verbrennungsmotor stark geschwächt. „Made in Germany“, vor allem in Verbindung mit hochwertigen Autos, hat leider seine Kraft verloren.
Wie geht es Ihrer Einschätzung nach weiter?
Maschmeyer: Die anstehenden Neuwahlen am 23. Februar könnten zu einem grundlegenden Kurswechsel führen. Die CDU/CSU dürfte einen klaren Sieg einfahren, während die SPD eine desaströse Niederlage selbst bei einem Wechsel des Kanzlerkandidaten erleben könnte.
Und was bedeutet das für die Start-ups?
Maschmeyer: Für die Gründerszene ist es entscheidend, dass die nächste Regierung dringend notwendige wirtschaftspolitische Reformen angeht. Deutschland hat derzeit das geringste Wirtschaftswachstum in Europa, eine enorme Bürokratie und eine steigende Zahl an Insolvenzen, was sich langsam auch in erhöhten Arbeitslosigkeitszahlen niederschlägt. Die Menschen haben wirtschaftliche Ängste, und das Thema Wirtschaftspolitik wird bei der Wahl im Mittelpunkt stehen.
Das Auseinanderbrechen der Ampel war unvermeidlich, aber der Umgang damit wirkte wie eine pubertäre Beziehung, bei der sich beide Seiten gegenseitig die Schuld zuschieben. Olaf Scholz hätte klare Führung zeigen müssen, indem er entweder eine neue Richtung vorgibt oder Verantwortung für das Scheitern übernimmt. Doch genau daran hat es gemangelt: Führung und Vision.
Die Gründerszene braucht jetzt eine Regierung, die den Wirtschaftsstandort Deutschland stärkt, Bürokratie abbaut und Investitionen fördert. Ohne klare Reformen für ein positive Innovationsumfeld wird Deutschland weiter an Attraktivität für Gründer und Investoren verlieren.
Sehen Sie eine Beteiligung der FDP an der künftigen Bundesregierung positiv?
Maschmeyer: Ja. Die SPD hat meiner Meinung nach nur eine Chance, bei den Neuwahlen ein halbwegs achtbares Ergebnis zu erzielen, wenn sie Olaf Scholz nicht erneut antreten lässt. Viele in der SPD hatten gefordert, Scholz durch Boris Pistorius zu ersetzen. Scholz ist schlichtweg unbeliebt: In den Umfragen zu den beliebtesten Politikern liegt er auf dem letzten Platz. Pistorius dagegen hält sich seit Langem konstant auf Platz eins und hätte eine Chance gehabt. In jedem anderen Bereich – zum Beispiel im Sport – würde man denjenigen spielen lassen, der besser performt. Aber Scholz scheint sich an seinem Amt festzuklammern, obwohl es für ihn Ende Februar vorbei sein wird.
Und wer wird sein Nachfolger?
Maschmeyer: Ich rechne mit einem klaren Sieg der CDU/CSU bei den Neuwahlen. Außerdem glaube ich an ein Comeback der FDP, insbesondere wenn sie sich auf ihr kürzlich veröffentlichtes Wirtschaftswendepapier konzentriert und es als Grundlage für ihren Wahlkampf nimmt. Die Menschen sorgen sich um ihre Rente, haben Angst vor der Inflation, den steigenden Energiekosten und davor, ihren Lebensstandard deswegen nicht halten zu können. Diese Verunsicherung führt dazu, dass sie weniger Geld für größere Anschaffungen ausgeben. Wir brauchen dringend eine Wirtschaftswende. Es ist bedauerlich, dass Scholz es nicht geschafft hat, in der Koalition entscheidende Schritte in diese Richtung zu gehen. Auch Robert Habeck hat selbst zugegeben, dass die Entwicklungen der letzten Monate sich nicht gut anfühlen. Die FDP könnte mit ihrem Fokus auf wirtschaftliche Reformen viele Wähler ansprechen. Ich sehe ihre Rückkehr in die Regierung als sinnvollen Schritt, um die dringend benötigten Veränderungen in der Wirtschaftspolitik anzugehen. Sie passt ohnehin in ihrer Ausrichtung besser zu den Unionsparteien.
Und was halten Sie vom neuen vorübergehenden Finanzminister Jörg Kukies? Er hat ja bei Goldman Sachs gearbeitet und müsste eigentlich „vom Fach“ sein.
Maschmeyer: Ich kenne Jörg Kukies aus der Coronazeit, wo wir wichtige Gespräche führten, um Zukunfts-Start-ups mit Coronahilfen auszustatten. Wir haben uns mehrmals ausgetauscht, und ich halte ihn für einen sehr kompetenten Finanzexperten. Es ist auf jeden Fall gut, dass er als Übergangsminister den Posten übernimmt, denn er bringt Finanz- und Wirtschaft-Know-How mit. Allerdings wird er in dieser kurzen Zeit kaum etwas umsetzen können, weil sowohl die FDP als auch die CDU/CSU nur in wenigen Fragen mit der Minderheitsregierung stimmen werden. Ohne deren Unterstützung wird es schwierig für ihn, substanzielle Entscheidungen zu treffen. Ich vermute auch, dass sich kein erfahrener Politprofi derzeit für dieses Amt zur Verfügung gestellt hätte.
Und was halten Sie von Friedrich Merz als Kanzlerkandidat? Könnte ihm seine Nähe zu Blackrock zum Verhängnis werden?
Maschmeyer: Ich sehe seine frühere Tätigkeit für Blackrock als unproblematisch. Ich halte Friedrich Merz gerade deshalb für wirtschaftlich kompetent und führungsstark. Das könnte unserem Land guttun. Ich glaube, dass er in der Lage wäre, eine Koalition – in welcher Konstellation auch immer – straffer zu führen. Er würde klare Ansagen machen, beispielsweise: Wenn die Grünen weiterhin mit unrealistischen und standortschädlichen Ideen hantieren, könnte er andere Regierungsoptionen in Betracht ziehen oder sich in Einzelfällen anderweitig Mehrheiten beschaffen.
Über den Interviewten:
Carsten Maschmeyer ist ein Finanzinvestor und Geschäftsführer mehrerer Beteiligungsunternehmen, darunter der Maschmeyer Group, Alstin Capital und Seed + Speed Ventures, die in Start-Ups aus verschiedenen Branchen investieren. Anfang 2020 stieg er über seine Risikokapitalfirma Alstin Capital bei der saarländischen Neodigital Versicherung ein. Darüber hinaus tritt Maschmeyer seit 2016 in der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ auf. Vor seiner Tätigkeit als Start-Up-Investor war Maschmeyer Chef und Gründer des umstrittenen Finanzvertriebs AWD, der im Dezember 2007 vom Schweizer Versicherer Swiss Life übernommen und 2013 in Swiss Life Select umbenannt wurde.