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Aus der CFP-Praxis Der Weltportfolio-Ansatz: Warum sich beim Investieren der Blick über den Tellerrand lohnt

Times Square in New York
Times Square in New York: Auch Investments außerhalb Deutschlands bieten Renditechancen | Foto: imago images/YAY Images

Es liegt in der Natur des Menschen, sich bevorzugt mit Vertrautem zu umgeben, und auch in finanziellen Angelegenheiten spielt der sogenannte Home Bias eine entscheidende Rolle. In meiner langjährigen Praxis als Berater fällt mir immer wieder diese Heimatneigung auf, die das Phänomen beschreibt, dass sich Anlegerinnen und Anleger eher an Aktien aus ihnen bekannten Märkten (Deutschland und Europa) beteiligen, als auf dem Weltmarkt zu investieren.

Home Bias: Trend zu Heimat-Investments weit verbreitet

Denn hier fühlt sich der Kunde wohl und kennt sich vermeintlich aus, warum also sollte man einen Blick über den Tellerrand werfen? Aus dem Bauch heraus befürchtet man dort meist mehr Risiken als Chancen. 

 

 

So auch bei meinem Kunden aus Ludwigshafen am Rhein, den ich als Neukunde erstmalig beriet. Er beschäftigt sich aus persönlichem Interesse schon seit gut 20 Jahren mit Portfolio- und Anlagestrategien, hat es allerdings bisher noch nie in Betracht gezogen, sein Wertpapierdepot prozentual nach Regionen zu unterteilen.

Seine aktuelle Depotstruktur enthielt einen hohen Anteil an BASF-Aktien sowie jeweils einen ETF auf den Dax und einen aktiv gemanagten Fonds auf den Gesundheitssektor. Nach der umfassenden Analyse seiner bisherigen Anlagepräferenzen entschied ich mich dafür, ihm den Weltportfolioansatz zu unterbreiten. Zunächst verschaffte ich ihm dafür einen Überblick über die Bruttoinlandsprodukte (Bip) einzelner Volkswirtschaften.

Quelle: IWF 2022

Hierdurch verdeutlichte ich meinem Kunden die Diskrepanz seiner bisherigen Überlegungen und Anlageaktivitäten im Vergleich zu einer Investition nach Weltwirtschaftsströmen. Die Ausrichtung am jeweiligen Bip führt im langfristigen Mittel in der Regel zur einer solideren Wertentwicklung  gegenüber dem Risiko der Über- oder Unterrendite, denn mögliche regionale Kursrückgänge können dann durch Kursgewinne in anderen Regionen aufgefangen werden. 

Diversifiziertes Portfolio dank globaler Ausrichtung  

Gerade in diesem Fall war der direkte und persönliche Austausch zwischen meinem Kunden und mir sehr wertvoll, denn trotz seiner Affinität zum Kapitalmarkt war ein global ausgerichteter Ansatz noch nicht in seinen Blickwinkel geraten. Aus der verhaltensökonomischen Forschung ist mittlerweile bekannt, dass Anlegerinnen und Anleger mitunter bewusst eine internationale Streuung vermeiden, um vermeintliche Risiken zu umgehen.

Gerade deshalb entschied ich mich dazu, meinen Beratungsansatz danach auszurichten und ihm zu zeigen, weshalb sich der Blick über den eigenen Tellerrand hinaus lohnt. Anhand eines einfachen Beispiels wird ersichtlich, wie sich seine Fonds im Vergleich zu einem breit investierenden ETF gruppieren, der weltweit investiert

Der rote Punkt zeigt deutlich, dass ein weltweiter Ansatz nach Marktkapitalisierung – hier ein ETF mit knapp 3.700 Einzelaktien – im Mittel eine beachtliche Rendite über die letzten drei Jahre erzielte, wobei die Volatilität in den niedrigeren Bereich tendiert.

Mit einer äußerst geringen Volatilität und einer sehr hohen Rendite schlug der aktiv gemanagte Fonds im Gesundheitssektor diesen Ansatz (lila Punkt), aber gleichzeitig verpasste mein Kunde diesen mit seiner Wahl eines Dax-ETFs (orangener Punkt) und einer sehr hohen Volatilität deutlich. Dies veranschaulicht klar, wie sehr ein solches Einzelmarkt- oder Branchen-Picking zu einer Über- oder Unterrendite führen kann.

Kern des Weltportfolioansatzes ist es, breit zu streuen: über Branchen, Länder und Währungen und das über einen langen Anlagehorizont hinweg, ganz Sinne einer breiten Diversifizierung. Eine weitere wichtige Säule, auf der der Ansatz beruht, ist der Zinseszinseffekt: das kontinuierliche Wachstum des Geldes. 

 

Buy-and-Hold-Strategie sinnvoll

Bereits durch die Analyse und den Vergleich dieser drei Fonds konnte ich meinem Kunden zeigen, wie überlegen eine Strategie mit dauerhaft hohem Zinseszinseffekt gegenüber der regelmäßig wechselnden Einzelauswahl von Ländern, Regionen oder Branchen sein kann. Ein weiterer Vorteil dieses Ansatzes ist, dass man diese Strategie grundlegend beibehält und ein einmal zusammengestelltes Weltportfolio sich jahrelang entwickeln lässt.

 

 

Damit unterbricht man den bewährten Zinseszinseffekt nicht, sondern erzielt darüber hinaus sogar eine Art Zinseszinseffekt-Bonus, da während der Laufzeit keine Transaktionskosten anfallen und somit erst beim finalen Verkauf die Abgeltungssteuer ausgelöst wird – ein Steuerstundungseffekt, der den Zinseszinseffekt weiter antreibt. Welchen Einfluss diese Erkenntnis auf die zukünftige Portfoliostruktur hat, lässt sich in drei Umsetzungsstrategien veranschaulichen: 

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1. Investition nach Marktkapitalisierung

Hier bleiben wir im Beispiel des weltweiten ETFs, welcher sich ausschließlich an der Marktkapitalisierung ausrichtet. Der Vorteil: Der ETF passt sich innerhalb seiner Struktur an Veränderungen der Marktkapitalisierung an und ist kostengünstig in der Verwaltung. Ein potenzieller Nachteil kann sein, dass die USA derzeit aufgrund ihrer sehr hohen Gewichtung für die nächsten Jahre ein Bündelrisiko darstellen könnten.

2. Investition nach Bruttoinlandsprodukt (Bip)

In diesem bei meinen Kunden sehr beliebten Ansatz wird die investierbare Welt anhand ihres Bips in Regionen unterteilt. Im zweiten Schritt werden für diese einzelnen Regionen passende ETFs und gegebenenfalls mehrere aktiv gemanagte Fonds evaluiert. Ein Rebalancing, wenn sich einzelne Regionen stärker oder schwächer entwickeln, wird mit frischem Kapital forciert, da so deutlich geringere Transaktionskosten anfallen und auch keine Abgeltungssteuer ausgelöst wird. Ein Vorteil bei diesem Modell: Die sehr hohe Gewichtung der USA wird korrigiert und der Bereich Asien, welcher bei einer Investition nach Marktkapitalisierung untergewichtet ist, wird aufgewertet. 

3. Einfache Kategorisierung nach Gleichgewichtung mit Megatrends

Diese ebenfalls sehr beliebte Portfoliostrategie sieht vor, die global höchsten Bip-Strömen gleichgewichtet aufzuteilen. Dies bedeutet, dass jeweils circa 30 Prozent auf Nordamerika, Europa und Asien sowie die Emerging Markets entfallen. Die übrigen 10 Prozent geben dem Kunden Spielraum, seiner Investition einzelne Megatrends beizumischen – ein Ansatz, der in wissenschaftlichen Berechnungen in den letzten Jahrzehnten ebenfalls sehr gute Erfolge erzielte.
 

Die Anlagestrategie auf die Kundensituation ausrichten 

Auf welche der drei Ansätze die Wahl fällt, ist letztendlich immer eine individuelle Entscheidung und im persönlichen Beratungsgespräch zu überprüfen. Aus der Erfahrung heraus ist es ebenfalls ratsam, sich nicht ausschließlich auf den passiven Ansatz von ETFs zu konzentrieren. Gerade die in Ansatz zwei und drei dargelegten Optionen, die derzeit noch nicht vollständig entwickelte Märkte wie zum Beispiel China, Indien oder Indonesien oder auch bestimmte Megatrend-Branchen berücksichtigen, eignen sich für aktives Management. Aufgrund der noch nicht vollständig entwickelten Effizienz dieser Märkte ist die Wahrscheinlichkeit einer Outperformance gegenüber ETF erhöht. In diesem Fall könnte sich der Aufschlag für aktives Investieren rechtfertigen. 

Hier ist die Expertise eines qualifizierten Beraters gefragt, der die Strategie stets an der Risikoneigung und den Vorlieben des Kunden entlang plant, sodass der Kunde die für sich beste Entscheidung treffen kann. In der Folge ist eines der wichtigsten Betreuungselemente das ein bis zwei Mal pro Jahr stattfindende Depotgespräch, um die gegenwärtige Situation zu evaluieren. Bei meinem Kunden besteht hierbei die mitunter größte Hürde darin, an der einmalig festgelegten Depotstruktur im Sinne der Buy-and-Hold-Strategie festzuhalten und nicht aktiv zu werden.

Dies ist jedoch kein Einzelfall und keineswegs überraschend, denn Privatanleger werden meist zur Aktivität erzogen und der Mensch neigt von seiner Natur aus dazu, schnell Erfolge sehen zu wollen. Doch beim Weltportfolio ist die zeitliche Komponente sehr wichtig, im Fokus steht der langfristige Vermögensaufbau. Daher gilt es, sich in Disziplin und Ausdauer zu üben und einem oftmals aus Emotionen heraus entstehenden Verkaufsdrang nicht nachzugeben.  

 

 

Im Falle meines Kunden fiel die Wahl schließlich auf den Ansatz der einfachen Kategorisierung nach Gleichgewichtung mit Megatrends. Dabei wurde der europäische Markt ein wenig höher gewichtet, als dies ein breiter Ansatz nach Marktkapitalisierung tun würde, da dieser der Einschätzung meines Kunden nach in den kommenden Jahrzehnten noch mehr Potenzial birgt, als die Volkswirtschaft derzeit prognostiziert.

Darüber hinaus sollte ein etwaiges Bündelrisiko der US-Märkte vermieden werden. Ebenso konnte sich mein Kunde gut mit der Idee anfreunden, einige Megatrends in sein Portfolio aufzunehmen; er war gut vertraut mit den neuesten Kenntnissen rund um KI, Big Data und Cyber Security und ich empfahl ihm, in diesem Bereich auf aktiv gemanagte Fonds zurückzugreifen. 

Die Kapitalmärkte sind ein wesentlicher Bestandteil, wenn langfristig Vermögen aufgebaut oder vermehrt werden soll. Grundsätzlich ist es immer empfehlenswert, eine Cash-Reserve zu halten, um auf unvorhergesehene Eventualitäten reagieren zu können. Wichtig ist außerdem, dass im Rahmen einer ganzheitlichen Finanzplanung immer alle relevanten Themen miteinbezogen werden und die Vermögensplanung abgestimmt auf die persönliche Vorstellung und die individuelle Risikobereitschaft des Kunden erfolgt. 


Über den Autor:

Markus Dücker ist seit 2002 Berater in der MLP-Geschäftsstelle Mannheim, seit 2017 ist er zum CFP zertifiziert. Zu seinen Beratungsschwerpunkten gehören das Vermögensmanagement und die Geldanlage sowie Absicherungs- und Vorsorgekonzepte. 

Wir präsentieren kontinuierlich Beispiele aus der Beratungspraxis und schauen dabei CFP-Zertifikatsträgern bei MLP über die Schulter – unter anderem bei Beratungen zu Praxisgründungen, Ruhestandsplanungen, Depotanalysen und Immobilienfinanzierungen. Tipps und Tricks inklusive.

 

 

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