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Aktualisiert am 05.06.2019 - 10:18 Uhrin Steuern & RegulierungLesedauer: 4 Minuten

Chainberry-Chef Karsten Müller „Die strukturellen Börsen-Ampeln stehen auf Grün“

Karsten Müller: Der Chainberry-Geschäftsführer erwartet, dass Europas Aktienmarkt in die Bedeutungslosigkeit zu versinken droht.
Karsten Müller: Der Chainberry-Geschäftsführer erwartet, dass Europas Aktienmarkt in die Bedeutungslosigkeit zu versinken droht. | Foto: Chainberry Asset Management

Einer der Hauptgründe für ein weiteres Wachstum der Weltwirtschaft wird ein gravierendes Umdenken der amerikanischen Notenbank sein. Das Dogma des sogenannten 2-Prozent-Potenzialwachstums wird von der Fed aktuell hinterfragt. Bislang war man der Ansicht, dass ein Wirtschaftswachstum oberhalb dieses Niveaus zwangsläufig mit steigender Inflation einhergehen müsse. Daher müsste die Wirtschaft durch Zinserhöhungen gedrosselt werden, um Inflation zu vermeiden. Diese Annahmen beruhen auf Modellen, die vor allem durch die Erfahrungen der 1970er-Jahre mit zum Teil zweistelligen Inflationsraten geprägt sind.

Inflation ist kein Thema mehr

Doch seither ist viel passiert: Der Eiserner Vorhang ist gefallen. Dadurch hat sich die Anzahl der Menschen und Unternehmen, die miteinander Geschäfte machen, verdreifacht, der Wettbewerb entsprechend erhöht. Das Internet hat den Effekt verstärkt, denn die gestiegene Transparenz verhindert Preiserhöhungen. Nennenswerte Inflation ist seit 30 Jahren kein Thema mehr – und die nächste strukturelle Zündstufe ist bereits absehbar. Durch die Blockchain-Technologie werden die im Wirtschaftsleben notwendigen Mittelsmänner in den nächsten Jahren aus dem Spiel genommen.

Aktuell absorbieren Mittler fast 30 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung. Davon wird ein Großteil wegfallen, die Transaktionskosten der Wirtschaft sinken auf ein Minimum, der allgemeine Preisauftrieb wird massiv gebremst. Aus diesem Grund müssen die alten Notenbank-Modelle adjustiert werden. Die Fed wird zu dem Entschluss kommen, dass das Potenzialwachstum eher zwischen 3 und 4 Prozent und nicht mehr bei lediglich 2 Prozent liegt. Es besteht daher keine Notwendigkeit, unterhalb dieses Niveaus eine Phantominflation zu bekämpfen. In der Konsequenz wird die Notenbank über einen sehr langen Zeitraum die Zinsen niedrig halten und Wirtschaft und Aktienmärkte mit üppiger Liquidität versorgen.

Katalysator der Weltwirtschaft

Inflationsfreies Potenzialwachstum ist das eine, doch wie soll das Potenzial ausgeschöpft werden, woher soll das Wachstum kommen? Hier sind vor allem Digitalisierung, Infrastrukturinvestitionen und Bürokratieabbau zu nennen. Beleuchtet man zunächst die Digitalisierung, dann stößt man unweigerlich erneut auf die Blockchain. Mit der neuen Technologie gehen nicht nur Kosteneinsparungen, sondern auch eine enorme Beschleunigung der Wirtschaftsaktivitäten einher. Transaktionen im Wirtschaftsleben werden nicht mehr Tage oder Wochen, sondern nur noch Sekunden oder Minuten in Anspruch nehmen. Die Blockchain wird zum Katalysator der Weltwirtschaft.

Transformation am Arbeitsmarkt

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Mit Digitalisierung und Blockchain gehen aber auch Jobs verloren. Der Stellenabbau bremst das Wirtschaftswachstum und viele Menschen müssen wieder in Lohn und Brot gebracht werden. Eine gewaltige Transformation am Arbeitsmarkt steht uns bevor. Das Rezept dafür werden Infrastrukturinvestitionen sein. Vor allem in den USA werden in den nächsten Jahren großvolumige Infrastrukturprojekte in Angriff genommen. Sie sollen den Digitalisierungseffekt am Arbeitsmarkt ausgleichen und zu weiterem Wirtschaftswachstum führen.

Bleierner Mantel der Über-Bürokratie

Dazu bedarf es allerdings nicht nur der notwendigen Investitionen, sondern auch der Möglichkeit, Infrastrukturprojekte in vertretbarem zeitlichen Rahmen umzusetzen. Der bleierne Mantel der Über-Bürokratie muss abgeworfen werden, was die US-Amerikaner bereits erkannt haben: Ein Erlass aus dem Jahr 2017 weist die Bundesbehörden an, für jede Regelung, die sie schaffen, zwei alte Vorschriften zu streichen. Darüber hinaus wurde den Behörden auferlegt, die durch neue Verordnungen entstehenden Kosten durch Einsparungen bei alten zu kompensieren. Das Weiße Haus konzentriert sich dabei vor allem auf Genehmigungsverfahren für Infrastrukturprojekte. Hier werden sogar für jede neue Vorschrift 22 alte Regelungen aufgehoben und damit die Prozesse enorm beschleunigt. Die Befreiung von bürokratischem Ballast wird aber nicht nur im Infrastrukturbereich stimulierend wirken, sondern kann in vielen Branchen Kräfte freisetzen und neue Jobs schaffen.

Europa wird weiter underperformen

Zusammengefasst ergeben sich daraus die besten Zutaten für die Börse. Die Liquiditätsversorgung bleibt üppig, niedrige Zinsen und eine gut laufende Weltwirtschaft in Verbindung mit sehr soliden Wachstumsraten der Unternehmensgewinne sollten für einen langfristigen Fortbestand des Bullenmarktes sorgen. Allerdings werden wohl nicht alle Branchen und Regionen gleichermaßen profitieren. Der Technologiesektor, vor allem auch Titel mit Blockchain-Bezug, dürften überproportional gewinnen. Unter regionalen Gesichtspunkten werden sich voraussichtlich die USA und Asien ein langfristiges „Kopf-an-Kopf-Rennen“ liefern.

Europa könnte zwischenzeitlich an den Aktienmärkten ein wenig aufholen: Wenn es mal wieder an der Zeit ist, dass wegen einer vermeintlichen Unterbewertung zur Umschichtung in europäische Titel aufgerufen wird. Mehr als ein Strohfeuer würde das aber nicht werden, denn strukturell wird Europa weiter underperformen. Auf der Technologieseite haben wir den Anschluss verloren und die Digitalisierung wird Europa per Saldo Jobs kosten. Fehlender politischer Wille gepaart mit Über-Bürokratie verhindern Infrastrukturinvestitionen und damit die Entstehung neuer Jobs. Kein guter Cocktail, um hier im weltweiten Vergleich in Zukunft noch eine Rolle zu spielen.

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