Chefanlagestratege Markus Müller
Gesichter der Nachhaltigkeit
Aktualisiert am 10.03.2020 - 17:19 Uhr
Festival in Peking: In Schwellenländern fehlen häufig Sozialsysteme, daher sind Naturkatastrophen für die Bevölkerung schwerer zu überwinden als in Industrieländern.
Nachhaltiges Investieren ist seit ein paar Jahren schwer angesagt. Die Idee, im Einklang mit der Natur zu leben, entstand jedoch schon in der Urzeit. Markus Müller, Chefanlagestratege im Wealth Management der Deutschen Bank, gibt einen Überblick über geschichtliche Entwicklungen.
Während man in der breiten Öffentlichkeit darüber spricht, was der Einzelne tun kann und was die Politik tun sollte, nähert sich die internationale Finanzwelt dem Thema über Begrifflichkeiten, wie ESG oder Impact Investing. Das Kürzel ESG steht für „Environmental, Social and Governance“. Es fasst die Schlüsselbereiche zusammen, in denen wir handeln müssen, um die Umwelt zu schützen, den sozialen Fortschritt sicherzustellen und die Corporate-Governance-Standards zu verbessern, die die Entwicklung und den Wohlstand der Weltwirtschaft unterstützen.
Die Abkürzung wurde erstmals in einem 2004 von den Vereinten Nationen veröffentlichten Bericht mit dem Titel „Who circares Wins“ verwendet, in...
Das Thema Nachhaltigkeit bewegt Unternehmen, Kapitalmärkte, Gesetzgeber. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die Analysen und Thesen der bedeutendsten Nachhaltigkeitsexperten, Top-Ökonomen und Großinvestoren – gebündelt und übersichtlich. Sie sollen dir die wichtigen Entwicklungen auf dem Weg zur nachhaltigen Gesellschaft und Finanzwelt clever und zuweilen kontrovers aufzeigen.
Da diese Artikel nur für Profis gedacht sind, bitten wir Sie, sich einmalig anzumelden und einige berufliche Angaben zu machen. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
Während man in der breiten Öffentlichkeit darüber spricht, was der Einzelne tun kann und was die Politik tun sollte, nähert sich die internationale Finanzwelt dem Thema über Begrifflichkeiten, wie ESG oder Impact Investing. Das Kürzel ESG steht für „Environmental, Social and Governance“. Es fasst die Schlüsselbereiche zusammen, in denen wir handeln müssen, um die Umwelt zu schützen, den sozialen Fortschritt sicherzustellen und die Corporate-Governance-Standards zu verbessern, die die Entwicklung und den Wohlstand der Weltwirtschaft unterstützen.
Die Abkürzung wurde erstmals in einem 2004 von den Vereinten Nationen veröffentlichten Bericht mit dem Titel „Who circares Wins“ verwendet, in dem dargelegt wurde, dass die Berücksichtigung von ESG-Kriterien bei bestimmten Investitionsentscheidungen positive Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Finanzmärkte sowie das eigene Portfolio haben könnte. Seitdem bezeichnet dieses Kürzel weit mehr als eine Reihe von Investitionskriterien. Es gibt verschiedene Anlagemöglichkeite mit denen ESG-Ziele erreicht werden können.
Dazu gehören sogenannte Best-in-Class-Ansätze, die Exklusion gewisser Sektoren und Länder auf der Grundlage von ESG-Faktoren. Aber Investitionen, bei denen man einen positiven Impact in gewissen ESG-Kriterien zeigen kann, gehören dazu. Zusammenfassend gilt, dass die Anwendung von ESG-Kriterien im Portfoliokontext zum Teil Risikovermeidung darstellt, aber auch aufzeigt, welche Unternehmen neue Chancen nutzen, wo neue Geschäftsmodelle zukunftsträchtig erscheinen, wie stabile Einnahmen erwirtschaftet werden können und langfristiges nachhaltiges Gewinnwachstum möglich ist. Zusammenfassend sind wir der Meinung, dass „Nachhaltigkeit“ nicht lediglich etwas zum „überstülpen“ ist.
Ökonomische, rechtliche und soziale Systeme, die die Umwelt nach und nach zerstören, können nicht nachhaltig „gemacht“ werden, indem sie leicht verändert oder umbenannt werden. Um einen realen Durchbruch zu erreichen muss von vornherein nachhaltig gedacht und vorausschauend geplant werden. Und, wird sich das lohnen? Aber sicherlich. Dies ist das positive Zukunftsnarrativ. Ökosystemleistungen wie Bestäubung von Pflanzen, Wasseraufbereitung, Hochwasserschutz und Kohlenstoffbindung sind für das Wohlergehen des Menschen von entscheidender Bedeutung.
Weltweit sind diese Dienstleistungen geschätzte 125 bis 140 Billionen US-Dollar pro Jahr wert, das heißt mehr als das Eineinhalbfache des globalen Bruttoinlandprodukts. Auch der Nutzen einer „Sanierung“ der Umwelt kann die Kosten bei weitem übersteigen. Zum Beispiel könnte das Erreichen des Bonn-Challenge-Ziels einen Vorteil von 7 bis 30 US-Dollar für jeden ausgegebenen Dollar bedeuten.
So ist auch Biodiversität ein Paradebeispiel eines zentralen Umweltthemas, von dem wir lernen können. Biodiversität ist eine Voraussetzung für menschliches (Über)-Leben. Kulturelle und Geschlechter-Diversität ist ebenso wichtig für das menschliche und unternehmerische Dasein, wie für die Natur die Biodiversität ist. Sie war und ist die Grundlage für Innovation und damit für Produktivität und Wohlstand. Nun ein Blick in die Zukunft.
Besonders interessant ist hier das Potenzial der „sharingeconomy“, die Ökonomie des Teilens, eine Veränderung zu „member-value“. Es wird somit zukünftig mehr um das Teilen von Gütern und Ressourcen auf Zeit zwischen Privatpersonen und zwischen Unternehmen gehen; ein Prozess der durch die Digitalisierung induziert aber auch vereinfacht wird. Der Vorteil ist eine effizientere Nutzung bestehender Güter, niedrigerer Kosten und die Schonung unserer Ressourcen. Ein simples Schlagwort in diesem Zusammenhang sind e-books, aber auch Vermietungskonzepte wie Fairbnb.
Jedoch müssen auch die möglichen Nachteile des sogenannten „Peer-to-Peer-Sharing“ berücksichtigt werden, insbesondere unerwünschte Nebenwirkungen auf den Wettbewerb und der Verwendung von Daten sowie eine verstärkte Nutzung von Autos durch circar-Sharing, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Auch ein möglicher Lohnverfall im Dienstleistungssektor, unfaire Wettbewerbspraktiken in der digitalen Welt, eine Konzentration von Daten und die Etablierung einer nicht versteuerten „Schattenökonomie“ gelten als potenzielle Risiken, die es im Sinne der „ökologischen, der sozialen und der ökonomischen Nachhaltigkeit“ anzugehen gilt.
Wenn die Ökonomie des Teilens jedoch richtig implementiert wird, kann sie zur positiven Utopie werden, sie kann die zukünftige Geschichte der Nachhaltigkeit sein. Damit wird die Maxime von Hans Circarl von Circarlowitz aus dem Jahre 1713, nicht mehr Bäume zu fällen als nachwachsen können, zum Wegweiser für unser Handeln und bleibt hochaktuell.
Nachhaltigkeit muss in das „System“ eingebaut sein, nicht nachträglich oktroyiert werden. Schonender Umgang mit Ressourcen, umweltgerechte Produktionsabläufe, eine ganzheitlich auf Bewahrung unseres natürlichen Lebensraums ausgerichtete Wirtschaftsordnung sowie ein inklusives Wachstums-und Gesellschaftsverständnis sind zwingende Voraussetzung für die Umstellung auf eine nachhaltige Ära: ökologisches Gleichgewicht, ökonomische Sicherheit und soziale Gerechtigkeit.
Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?
Über den Autor