Chefvolkswirt Carsten Klude
Warum die deutsche Wirtschaft schwächelt
Aktualisiert am 10.03.2020 - 16:49 Uhr
Güterzug in Hamburg: Nach der Aufnahme Chinas in die Welthandelsorganisation stieg die globale Handelsaktivität.
Deutschlands Wirtschaftsleistung lässt seit 18 Monaten nach. Carsten Klude, Chefvolkswirt von M.M. Warburg, nennt Gründe und gibt einen Ausblick auf das Jahr 2020.
Eine Besserung der Lage hängt vor allem davon ob, ob der Handelsstreit zwischen den USA und China beigelegt wird oder weiter eskaliert. Wichtige konjunkturelle Frühindikatoren, wie der Ifo-Geschäftsklimaindex oder die Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor, geben bislang keine Entwarnung, dass die konjunkturelle Talfahrt gestoppt wird. Die in die Zukunft schauenden Komponenten dieser Datenreihen deuten sogar auf eine Verschärfung des Abschwungs hin. Dass dieser bislang vergleichsweise moderat ausgefallen ist, liegt an der immer noch guten Geschäftslage der Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor und den Konsumenten, deren Stimmung und – wichtiger...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Eine Besserung der Lage hängt vor allem davon ob, ob der Handelsstreit zwischen den USA und China beigelegt wird oder weiter eskaliert. Wichtige konjunkturelle Frühindikatoren, wie der Ifo-Geschäftsklimaindex oder die Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor, geben bislang keine Entwarnung, dass die konjunkturelle Talfahrt gestoppt wird. Die in die Zukunft schauenden Komponenten dieser Datenreihen deuten sogar auf eine Verschärfung des Abschwungs hin. Dass dieser bislang vergleichsweise moderat ausgefallen ist, liegt an der immer noch guten Geschäftslage der Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor und den Konsumenten, deren Stimmung und – wichtiger – deren Ausgabeverhalten – bislang Schlimmeres verhindert hat. Doch wird das auch so bleiben?
Zuletzt haben wir den Eindruck gewonnen, dass die Widerstandsfähigkeit des Dienstleistungssektors nachgelassen hat. Im Unterschied zum verarbeitenden Gewerbe, das sich bereits in einer leichten Rezession befindet, wachsen die Dienstleistungsunternehmen noch. Doch je länger der Abwärtstrend in der Industrie anhält und je stärker der Druck zunimmt, um so geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Dienstleister dauerhaft von der negativen Entwicklung des verarbeitenden Gewerbes abkoppeln können.
Der Stimmung der Konsumenten konnten die vielen negativen politischen und wirtschaftlichen Nachrichten bislang wenig anhaben. Doch können die Verbraucher die deutsche Wirtschaft wirklich dauerhaft vor einer tieferen Rezession „retten“? Bei allen erfreulichen Nachrichten über den privaten Verbrauch in Deutschland sollte nicht übersehen werden, dass die Wachstumsraten des Konsums in den vergangenen Jahren relativ bescheiden ausgefallen sind.
Deutsche steigern Sparquote
Viel mehr als ein reales Plus von ein bis 2 Prozent ist trotz niedriger Arbeitslosigkeit und steigender Löhne nicht zu verzeichnen gewesen. Daran wird sich wohl selbst dann nicht viel ändern, wenn es am Arbeitsmarkt nicht zu einer Trendwende kommt. Denn die deutschen Privathaushalte haben trotz guter Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren ihre Sparquote von 10 auf 11 Prozent erhöht, sodass weniger Geld zum Ausgeben übriggeblieben ist. Dies liegt daran, dass die immer niedrigeren Zinsen (genau genommen die Nullzinsen, die es für Spar- und Tagesgeldeinlagen gibt), zu einer höheren Ersparnisbildung führen, damit der zukünftige Konsum im Rentenalter einigermaßen aufrechterhalten werden kann.
Hieran wird deutlich, dass die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank mittlerweile eine wichtige Schwelle überschritten hat: Die immer niedrigeren Zinsen wirken sich nicht mehr – wie es die traditionelle geldpolitische Theorie vorsieht – positiv auf das Wirtschaftswachstum aus, sondern negativ. Der unter Geldpolitikern viel diskutierte „Umkehrzins“ scheint also in Deutschland schon erreicht zu sein. Denn auch die Unternehmen signalisieren, dass immer niedrigere Zinsen kaum Anreiz bieten, mehr Kredite aufzunehmen, um mehr zu investieren.
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