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Aktualisiert am 27.03.2020 - 13:39 Uhrin MärkteLesedauer: 3 Minuten

Chefvolkswirt der Erste Asset Management „Griechenland hat sich de facto von der Eurozone verabschiedet.“

Das griechische Volk hat am vergangenen Sonntag mit einer klaren Mehrheit entschieden, den Vorschlag der Regierungspartei Syriza zu folgen. 61,3 Prozent haben mit einem Nein die Bedingungen des am vergangenen Dienstag ausgelaufenen Hilfsprogramms abgelehnt.

Damit ist Griechenland einem Ausstieg aus der Europäischen Union beziehungsweise der Eurozone und einem Staatskonkurs einen Schritt näher.  

Wie es nun weitergehen soll ist unklar. Die Formel der Gläubiger, dass es nur dann ein drittes Hilfsprogramm gibt, wenn Reformen versprochen werden, bleibt sicherlich aufrecht. Ohne Hilfszahlungen kann Griechenland aber nicht nur seine Schulden nicht bedienen, sondern auch die Ausgaben nicht bestreiten. Mittlerweile dürfte die Primärbilanz, also das Staatsbudget exklusive Zinszahlungen, wieder negativ sein. Zudem kann die Europäische Zentralbank die griechischen Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheit für die Notkredite akzeptieren.  

Unmittelbar ist also eine Entscheidung nötig, ob die Staaten der Eurozone bzw. der EU die griechischen Staatsanleihen garantieren, damit die EZB weiter Notkredite vergeben kann. So oder so wird die griechische Regierung bald ihre Ausgaben mit Gutscheinen bestreiten. Das ist dann de facto eine Parallelwährung zum Euro, die aber ziemlich rasch an Wert verlieren wird, wenn sie nicht im Verhältnis 1:1 in Euro getauscht werden kann.  Banken: Umwandlung der Sparguthaben in Eigenkapital  

Die griechischen Banken bleiben bis auf weiteres geschlossen und die Kapitalverkehrskontrollen bleiben aufrecht. Ohne Hilfszahlungen mit einem zum Stillstand gekommenen Finanzsystem und ohne eigene Währung wird die griechische Wirtschaft abermals in eine schwere Rezession fallen. Funktionierende Banken sind für den Wirtschaftskreislauf eine notwendige Voraussetzung. Ohne eine Erholung der Wirtschaft und ohne Notkredite der EZB bleibt nur noch die Umwandlung der Sparguthaben in Eigenkapital übrig, um die Banken zu stützen. Oder es folgt ein Währungsreform, d.h., eine Umwandlung des Euro-Bargelds, der Euro-Bankguthaben und der Euro-Verbindlichkeiten in eine neue Währung.  

De jure wird Griechenland auf absehbare Zeit Teil der Eurozone bleiben. Aufgrund der Kapitalverkehrskontrollen und der wahrscheinlichen Einführung einer Parallelwährung hat sich Griechenland aber de facto gestern von der Eurozone verabschiedet. 

Das Steuer kann noch herumgerissen werden 

Das Steuer kann noch herumgerissen werden. Die griechische Regierung hat nie die Bedingungen des ausgelaufenen Hilfsprogramms nie akzeptiert. Sie hat auf einen Schuldenschnitt bestanden, der nicht Teil des Programms war. Ebenso wenig waren Maßnahmen vorgesehen, die das Wirtschaftswachstum und damit die Stimmung der Griechen unmittelbar unterstützen. Wenn die Gläubiger und Griechenland guten Willens sind, kann ein Kompromiss zwischen Reform und Hilfe gefunden werden. 

Die Europäische Zentralbank ist nicht nur für Griechenland ein wichtiger Akteur. Der Rat hat bekräftigt, alles innerhalb ihres Mandats zu unternehmen, damit das Finanzsystem nicht negativ beeinträchtigt wird. Zur Verfügung stehen Leitzinssenkungen, das Anleiheankaufsprogramm (QE), die bedingte Bereitstellung von unbeschränkter Liquidität für Staaten (OMT) und die Bereitstellung von unbeschränkter Liquidität für Banken (TLTRO). Zudem können neue Instrumente kreiert werden, wie etwa ein Notfallankaufsprogramm für Wertpapiere. 

Euro unter Druck  

Auf den Märkten wird der Risikoappetit der Investoren vorerst gedämpft bleiben. Temporäre Kursverluste von Staatsanleihen mit Kreditrisiko, höhere Renditeaufschläge für das Kreditrisiko von Unternehmen und fallende Aktienkurse sind denkbar. Der Euro kommt vor allem dann (gewollt) unter Druck, wenn die Europäische Zentralbank auf expansive Maßnahmen setzt.   

Solange die negativen Überwälzungseffekte auf die Finanzmärkte beschränkt bleiben, wird die Stimmung der Konsumenten und Unternehmen nur minimal in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Banken sind gesünder, die Staaten üben einen geringeren Spardruck aus, die Europäische Zentralbank agiert sehr expansiv und hat neue Instrumente geschaffen (siehe oben) und es wurde eine Rettungsschirm installiert. Kurz: Der moderate konjunkturelle Aufschwung ist nicht in Gefahr. Strategisch betrachtet kommt es darauf an, ob die Griechenland-Krise die Integrations- oder die Desintegrationskräfte unterstützt

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