Chefvolkswirt Jörg Zeuner
Deglobalisierung durch Corona
Jörg Zeuner ist Chefvolkswirt von Union Investment. Foto: KfW
In der Corona-Krise zeigt sich deutlich, welche Geschäftsmodelle in Zukunft überhaupt noch Erfolgspotenzial haben. Union-Investment-Chefvolkswirt Jörg Zeuner skizziert, wie die Wirtschaft nach der Pandemie aussehen könnte.
Die Corona-Pandemie stellt die Globalisierung auf den Prüfstand, und damit auch das erfolgreiche deutsche Exportmodell. In diesem Jahr könnte der globale Warenverkehr um bis zu einem Viertel kleiner ausfallen als 2019. Die Schrumpfung der deutschen Exporte schätzt der DIHK aktuell auf 15 Prozent. Eine schnelle Erholung im Laufe des kommenden Jahres ist unsicher.
Deutschland wird aber nicht nur kurzfristig durch die Folgen der Pandemie herausgefordert. In der Weltwirtschaft deuten sich grundlegende Koordinatenverschiebungen an, wie Union Investment in einer Studie ermittelt an. Für Hauptprofiteure der Globalisierung wie Deutschland ist die Fallhöhe dabei besonders groß. Und etwas überraschend:...
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Die Corona-Pandemie stellt die Globalisierung auf den Prüfstand, und damit auch das erfolgreiche deutsche Exportmodell. In diesem Jahr könnte der globale Warenverkehr um bis zu einem Viertel kleiner ausfallen als 2019. Die Schrumpfung der deutschen Exporte schätzt der DIHK aktuell auf 15 Prozent. Eine schnelle Erholung im Laufe des kommenden Jahres ist unsicher.
Deutschland wird aber nicht nur kurzfristig durch die Folgen der Pandemie herausgefordert. In der Weltwirtschaft deuten sich grundlegende Koordinatenverschiebungen an, wie Union Investment in einer Studie ermittelt an. Für Hauptprofiteure der Globalisierung wie Deutschland ist die Fallhöhe dabei besonders groß. Und etwas überraschend: Ein demokratischer Sieg bei der US-Wahl könnte den Druck sogar noch erhöhen.
Zunächst verstärkt das Coronavirus aber Probleme, die schon zuvor bestanden haben. So schwächt die Krise die deutschen Autobauer zusätzlich zu Dieselskandal und Umstellung auf Elektromobilität. Im Wachstumsbereich Technologie wird der Rückstand der deutschen Wirtschaft noch größer. Während die dominanten Technologieriesen in den USA zu den Gewinnern der Krise gehören, sind viele deutsche Unternehmen bei Digitalisierung und Automatisierung nicht auf der Höhe der Zeit. Dies gilt auch im Vergleich zu China, das in den vergangenen Jahren stark aufgeholt hat.
Dabei wird Automatisierung in der Post-Corona-Welt noch wichtiger. Warum? Wie viele Staaten wird Deutschland aus der Krise seine Lehren ziehen und reagieren. Dazu zählt, die Versorgungssicherheit bei lebensnotwendigen und strategischen Gütern wie etwa im Pharma- oder Medizintechnikbereich und der Technologie zu verbessern. Denn während des globalen Lockdowns waren Importe von solchen Gütern schwierig oder gar nicht zu realisieren.
Auch werden Unternehmen versuchen, ein Zusammenbrechen der Lieferketten in Zukunft zu verhindern, indem sie diese verkürzen und stärker kontrollieren. Folglich wird im Nachgang der Pandemie die Rückführung von Produktion in das eigene Land (Reshoring) oder in nahegelegene Länder (Nearshoring) zunehmen.
Klar ist aber auch: Umfassendes Reshoring ist vor allem für strukturell wachsende Unternehmen mit entsprechenden Neuinvestitionen rentabel. Deutschland, aber auch die meisten anderen europäischen Länder stoßen dabei etwa wegen ihrer Schwäche im Technologiebereich an Grenzen. Hinzu kommt: Für Hochlohnländer ist Reshoring beispielsweise aus asiatischen Schwellenländern nur attraktiv bei einem hohen Grad an Automatisierung.
Tatsächlich können Roboter die Produktion in Billiglohnregionen überflüssig machen und darüber hinaus im Pandemiefall das Social Distancing vereinfachen. Entscheidend dabei ist aber die Konsequenz, moderne Technologie mit durchgehend automatisierten und digitalisierten Prozessen zu verbinden. Unternehmen wie der amerikanische Elektroautoproduzent Tesla sind häufig den insgesamt eher zögerlichen deutschen Herstellern weit voraus. Hier müssen sich deutsche Industrieunternehmen und Mittelständler grundlegend umorientieren.
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