Chefvolkswirt Robert Baur
Die Krux mit der Inflation
Aktualisiert am 10.03.2020 - 17:17 Uhr
Mario Draghi: Im Oktober endet seine Amtszeit als EZB-Präsident.
In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass Zentralbanker keine Inflation erzeugen können, so sehr sie es auch wollen. Robert Baur, Chefvolkswirt bei Principal Investors, nennt Gründe.
Auch die Kapazitätsauslastung steigt langsam an und wird den Unternehmen letztlich eine gewisse Preismacht verleihen. Unternehmen haben sich in diesem Zyklus bemüht, steigende Kosten weitgehend zu absorbieren. In einer Welt, in der Unternehmen nach Dividendenkürzungen vom Markt radikal abgestraft werden, dürften nur noch sehr wenige bereit sein, weitere Kostensteigerungen zu absorbieren. Sie dürften sie also eher weiterreichen. Dies wird den Abwärtsdruck auf die Inflation aus dem letzten Jahrzehnt verringern.
Ein dritte Betrachtung geht über den langen Zeitraum von 25 Jahren, in dem die Globalisierung der wesentliche Treiber war. Globale Unternehmen nutzten den Abbau von Handelsbarrieren...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
Da diese Artikel nur für Profis gedacht sind, bitten wir Sie, sich einmalig anzumelden und einige berufliche Angaben zu machen. Geht ganz schnell und ist selbstverständlich kostenlos.
Auch die Kapazitätsauslastung steigt langsam an und wird den Unternehmen letztlich eine gewisse Preismacht verleihen. Unternehmen haben sich in diesem Zyklus bemüht, steigende Kosten weitgehend zu absorbieren. In einer Welt, in der Unternehmen nach Dividendenkürzungen vom Markt radikal abgestraft werden, dürften nur noch sehr wenige bereit sein, weitere Kostensteigerungen zu absorbieren. Sie dürften sie also eher weiterreichen. Dies wird den Abwärtsdruck auf die Inflation aus dem letzten Jahrzehnt verringern.
Ein dritte Betrachtung geht über den langen Zeitraum von 25 Jahren, in dem die Globalisierung der wesentliche Treiber war. Globale Unternehmen nutzten den Abbau von Handelsbarrieren aus den langjährigen GATT-Verhandlungen und verlagerten oder erweiterten Produktionsanlagen in Gebiete, in denen es viele unterbeschäftigte Niedriglohnarbeiter gab. Diese kostengünstigeren Waren wurden in die Industrieländer exportiert und hielten die Inflation jahrzehntelang niedrig.
Aber die Effekte der Globalisierung verblassen. Die Löhne in China steigen seit vielen Jahren, so dass das Land nicht mehr so wettbewerbsfähig ist wie vor 20 Jahren. Politische Veränderungen führen auch dazu, dass Lieferketten in andere Länder verlagert werden. In den USA macht sich Protektionismus breit, und die liberale Wirtschaftsordnung aus der Ära der Globalisierung ist auf dem Rückzug. Heimische Produkte sollen durch Strafzölle geschützt werden, der Arbeitsmarkt durch Einschränkungen bei der Immigration und Einbürgerung abgeschottet werden. Populistische Bewegungen favorisieren eine Wirtschaftspolitik mit Fokus auf Umverteilung und kurzfristige Wachstumssteigerungen unter Missachtung der langfristigen Folgen für die Verschuldung und Inflation.
Die drei Kräfte, die zu unterschiedlichen Zeiten die Inflation bislang niedrig gehalten haben, verlieren also an Wirkung. Dies sind strukturelle Veränderungen, die langfristige Auswirkungen haben werden. Im nächsten Aufschwung werden sich deshalb sowohl die Zinsen als auch die Inflation allmählich nach oben arbeiten.
Entscheidend ist, dass wir bereits heute die Auswirkungen der nachlassenden Globalisierung in engen Arbeitsmärkten und des robusten Lohnwachstums in den USA, Großbritannien, der Eurozone und Japan sehen. Die Arbeitslosenquoten liegen in allen Fällen auf dem Tiefststand von Jahrzehnten. Die nächste Hausse könnte bei den Löhnen der Mittelklasse in den entwickelten Ländern liegen.
Eine Einschränkung ist allerdings notwendig: Kommt es aufgrund der aktuellen Unsicherheiten im Welthandel zu einer Rezession, wird dies die Inflationsrate erst einmal stärker nach unten drücken als die beschriebenen Kräfte sie nach oben treiben.
Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?
Über den Autor