Chefvolkswirt Thorsten Polleit
Liebäugelei mit Digitalgeld
Europäische Zentralbank in Frankfurt: Digitales Zentralbankgeld stärkt die Staatsmacht. Foto: imago images / imagebroker
Notenbanker erwägen weltweit, digitales Zentralbankgeld einzuführen. Dabei müssen sie gesellschaftliche Folgen berücksichtigen. Thorsten Polleit, Chefvolkswirt von Degussa Goldhandel, gibt einen Überblick über die wichtigsten Punkte.
Spätestens seit der Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009 greifen Zentralbanken stärker denn je in die Geld- und Kreditmärkte ein. Viele wollen nun sogar ein neues Geld, ein digitales Zentralbankgeld (Central Bank Digital Currency oder kurz CBDC) ausgeben.
Eine Innovationsoffensive, die es in sich hat. Denn bei CBDC geht es nicht etwa darum, das Geld aus den staatlichen Monopolfängen zu befreien, oder dem ungedeckten Geld abzuschwören, oder das Geldschaffen aus dem Nichts zu beenden oder anonymisierte Transaktionen zu ermöglichen. Weit gefehlt. CBDC sollen vielmehr den Kunden der Geschäftsbanken die Möglichkeit geben,...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Spätestens seit der Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009 greifen Zentralbanken stärker denn je in die Geld- und Kreditmärkte ein. Viele wollen nun sogar ein neues Geld, ein digitales Zentralbankgeld (Central Bank Digital Currency oder kurz CBDC) ausgeben.
Eine Innovationsoffensive, die es in sich hat. Denn bei CBDC geht es nicht etwa darum, das Geld aus den staatlichen Monopolfängen zu befreien, oder dem ungedeckten Geld abzuschwören, oder das Geldschaffen aus dem Nichts zu beenden oder anonymisierte Transaktionen zu ermöglichen. Weit gefehlt. CBDC sollen vielmehr den Kunden der Geschäftsbanken die Möglichkeit geben, ihr Geld fortan auf Konten bei der Zentralbank halten zu können.
Wer es wünscht, soll künftig sein Guthaben, das er derzeit bei der Geschäftsbank unterhält, auf ein Konto bei der Zentralbank überweisen dürfen; elektronisches Geschäftsbankengeld wird eingetauscht gegen elektronisches Zentralbankgeld, CBDC eben.
Damit aber treten die Zentralbanken in Konkurrenz zu den Kredithäusern im Einlagen- und Zahlungsverkehrsgeschäft. Denn es ist durchaus möglich, dass die Privaten es vorziehen werden, ihre Guthaben bei der Zentralbank und nicht bei einer Geschäftsbank zu halten.
Schließlich kann erstere nicht Pleite gehen, zweitere dagegen sehr wohl. Die Ausgabe von CBDC kann folglich die Rolle der Geschäftsbanken in der Geldproduktion drastisch verringern, die der Zentralbanken entsprechend vergrößern. Der Extremfall, in dem CBDC zum allseits gewünschten Zahlungsmittel aufgestiegen sind – weil die Geldverwender den Zentralbanken, nicht aber mehr den Geschäftsbanken vertrauen –, werden die Banken zu reinen Kreditvermittlern zurückgestutzt.
CBDC sind natürlich für den Überwachungsstaat ein willkommenes Geschenk: Die Umsätze seiner Untertanen werden ihm konzentriert und transparent quasi auf dem goldenen Tablett präsentiert. Der Staat und seine Zentralbank können besser denn je in Erfahrung bringen, wer wann und wieviel für was an wen überweist.
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