Chefvolkswirt Thorsten Polleit
Schrecken der Wirtschaft
Aktualisiert am 06.03.2020 - 16:32 Uhr
Briefmarke mit Reichskanzler Otto von Bismarck: Am 4. Dezember 1871 wurde die Mark offizielle Währung des Deutschen Kaiserreichs. Foto: imago images / Schöning
Reichsmark, D-Mark, Euro: Die Währungsgeschichte der Deutschen ist bewegt. Thorsten Polleit, Chefvolkswirt von Degussa Goldhandel, gibt einen Überblick über Entwicklungen im 19. und 20. Jahrhundert und erklärt, warum er das staatliche Geldmonopol für problematisch hält.
Frankreich muss Reparationen an Deutschland zahlen in Höhe von fünf Milliarden Franc in Gold. Mit diesem Gold stellt das Reich auf Goldgeld um. Am 4. Dezember 1871 wird die „Mark“ (die auch als „Goldmark“ bezeichnet wird) zur offiziellen Währung des Kaiserreichs erklärt und zum 1. Januar 1876 im gesamten Reichsgebiet eingeführt.
Ein Goldmark entspricht 0,358423 Gramm Feingold (oder 1000/2790 Gramm Feingold). Am 1. Januar 1876 wird zudem die Reichsbank mit Sitz in Berlin gegründet; sie geht aus der Preußischen Bank hervor und wird Zentralbank des Reiches. Warum eine Zentralbank? Im Deutschen Reich ist es Gang und Gäbe, dass Banken per Kredit ...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Frankreich muss Reparationen an Deutschland zahlen in Höhe von fünf Milliarden Franc in Gold. Mit diesem Gold stellt das Reich auf Goldgeld um. Am 4. Dezember 1871 wird die „Mark“ (die auch als „Goldmark“ bezeichnet wird) zur offiziellen Währung des Kaiserreichs erklärt und zum 1. Januar 1876 im gesamten Reichsgebiet eingeführt.
Ein Goldmark entspricht 0,358423 Gramm Feingold (oder 1000/2790 Gramm Feingold). Am 1. Januar 1876 wird zudem die Reichsbank mit Sitz in Berlin gegründet; sie geht aus der Preußischen Bank hervor und wird Zentralbank des Reiches. Warum eine Zentralbank? Im Deutschen Reich ist es Gang und Gäbe, dass Banken per Kredit Banknoten und Giroguthaben ausgeben, die sie nicht (wie eigentlich versprochen) vollumfänglich in Edelmetall eintauschen können.
Dieses sogenannte Teilreservesystem schwört immer wieder Vertrauensverluste, Bankenpleiten und Wirtschaftsstörungen herauf. Die Reichsbank soll als „Kreditgeber in der Not“ dienen, soll die Teilreservepraxis ungestraft möglich machen. Allerdings hat auch die Reichsbank keine Volldeckung. Auch sie operiert mit einer Teilreserve:
Laut Reichsbankgesetz Paragraf 17 muss nur ein Drittel der umlaufenden Reichsbanknoten gedeckt sein: durch gültiges deutsches Geld, also Goldmark, Reichskassenscheine, Gold in Barren oder ausländischen Münzen; die übrigen zwei Drittel sind in Form von diskontierten Wechseln vorzuhalten.
Wenn man also davon spricht, das Kaiserreich hätte einen klassischen Goldstandard gehabt, dann ist das eine falsche Deutung der Fakten. Es handelte sich vielmehr um einen Mogel- oder Pseudo-Goldstandard. Das Kaiserreich ist da übrigens kein Einzelfall. Auch in den USA, England, Frankreich und anderswo operieren Zentralbanken und Geschäftsbanken mit einer Teilreserve!
Staat und Aggression
Halten wir an dieser Stelle kurz inne und führen uns vor Augen, welche Verbindung besteht zwischen Staat, Geld und Zentralbank. Aus dem Deutschen Bund von 1815 ist 1871 ein Großstaat geworden. Nicht zusammengebracht durch Freiwilligkeit der Menschen, sondern durch Gewalt und Aggression.
Drei Einigungskriege werden unter Preußens Leitung geführt: der Deutsch- Dänische Krieg 1864, der Deutsche Krieg 1866 und der Deutsch-Französische Krieg. Dass der Weg zum Großstaat gewaltsam war, ist alles andere als überraschend: Der Staat ist ein Aggressor, er ist ein territorialer Zwangsmonopolist mit Letztentscheidungsmacht über alle Konflikte in seinem Gebiet. Und als aggressive Instanz dehnt der Staat sich aus, wo er nur kann.
Wie auch immer die Machtexpansion im Einzelfall aussieht: Stets beansprucht der Staat das Geldmonopol. So auch im Kaiserreich. Im Zuge seines monetären Eroberungsfeldzuges monopolisiert der Kaiserstaat die Münze und damit das Geld. Der Staat etabliert eine Zentralbank, um die Gewinne des Teilreserve-Banksystems, von der vor allem auch er profitiert, bestmöglich auszuschöpfen.
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