Chefvolkswirt Thorsten Polleit
Schrecken der Wirtschaft
Aktualisiert am 06.03.2020 - 16:32 Uhr
Briefmarke mit Reichskanzler Otto von Bismarck: Am 4. Dezember 1871 wurde die Mark offizielle Währung des Deutschen Kaiserreichs. Foto: imago images / Schöning
Reichsmark, D-Mark, Euro: Die Währungsgeschichte der Deutschen ist bewegt. Thorsten Polleit, Chefvolkswirt von Degussa Goldhandel, gibt einen Überblick über Entwicklungen im 19. und 20. Jahrhundert und erklärt, warum er das staatliche Geldmonopol für problematisch hält.
Mit der Reichsbank werden die monetären Missbrauchsmöglichkeiten des Kaiserstaates auf eine bisher nicht dagewesene Stufe gehoben. Mit fatalen Folgen für das deutsche Geld und die Deutschen, wie der 2. Akt nun zeigt.
2. Akt
Am 4. August 1914 beginnt der Erste Weltkrieg. Die deutsche Regierung stellt die Goldeinlösbarkeit der Mark sofort ein. Die Goldmark wird zur Papiermark. Denn das Kaiserreich will den Krieg auch mit der Ausgabe von Papiergeld finanzieren. Von 1914 bis 1918 steigt die Geldmenge erst langsam, dann immer schneller: von 5,9 auf letztlich 32,9 Milliarden Mark – insgesamt eine Verfünffachung der Papiermarkgeldmenge.
Als Folge verdoppeln sich...
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Mit der Reichsbank werden die monetären Missbrauchsmöglichkeiten des Kaiserstaates auf eine bisher nicht dagewesene Stufe gehoben. Mit fatalen Folgen für das deutsche Geld und die Deutschen, wie der 2. Akt nun zeigt.
2. Akt
Am 4. August 1914 beginnt der Erste Weltkrieg. Die deutsche Regierung stellt die Goldeinlösbarkeit der Mark sofort ein. Die Goldmark wird zur Papiermark. Denn das Kaiserreich will den Krieg auch mit der Ausgabe von Papiergeld finanzieren. Von 1914 bis 1918 steigt die Geldmenge erst langsam, dann immer schneller: von 5,9 auf letztlich 32,9 Milliarden Mark – insgesamt eine Verfünffachung der Papiermarkgeldmenge.
Als Folge verdoppeln sich die deutschen Großhandelspreise in dieser Zeit – die Kaufkraft der Papiermark halbiert sich also. Der Außenwert der Papiermark (bei Kriegsausbruch sind 4,2 Goldmark für einen US-Dollar zu zahlen) fällt gegenüber dem Greenback um die Hälfte. Und weil man siegessicher in Berlin ist, setzt man zur Kriegsfinanzierung vor allem auf die Verschuldung – im Vertrauen darauf, dass nach dem Sieg die Besiegten die Rechnung bezahlen.
Die Staatsverschuldung des Reichs beträgt 5,2 Milliarden Mark im Jahr 1914, im Jahr 1918 105,3 Milliarden Mark. Die Schulden verzwanzigigfachen sich also. Die öffentliche Schuldenlast beläuft sich nun auf schätzungsweise fast 150 Prozent der Wirtschaftsleistung des Kaiserreiches.
Hinzu kommen jetzt die Reparationszahlungen, die dem Reich im Versailler-Vertrag erhoben und die 1921 auf 132 Milliarden Mark festgelegt werden. Im Grunde sind die Deutschen damit finanziell überfordert, ruiniert. Ich möchte an dieser Stelle einwerfen: Ohne ungedecktes Papiergeld hätte der Erste Weltkrieg ganz bestimmt nicht dieses schreckliche Ausmaß annehmen können, die Kosten wären einfach zu hoch und zu schmerzlich für die Bevölkerungen gewesen. Die Abkehr vom Goldgeld, für die die Staaten gesorgt haben, hat das verheerende industrielle Schlachten erst möglich gemacht.
Doch die monetäre Katastrophe der Deutschen wird sich erst fünf Jahre nach Kriegsende zutragen. Und das kommt so: Am 28. November 1918, 19 Tage nach Ausrufung der Republik, dankt der deutsche Kaiser ab. Es ist ein erzwungener, ein gewaltsamer Sturz, durch den die Weimarer Republik aus der Taufe gehoben wird. Die demokratischen Parteien und deren Elemente, die nun die Bühne betreten, buhlen um die Gunst der Wähler. Teure Versprechungen werden gemacht.
Das findet Gehör, zumal die Zeiten hart sind: Millionen versehrter und traumatisierter Männer kehren aus den Schützengräben in die Heimat zurück. Die Kriegswirtschaft hat das Reich ausgeblutet. Die Siegermächte demontieren die Industrie; das Reich muss Gebiete im Osten abtreten; der deutsche Export wird gegängelt.
Die wechselnden Regierungen in der Weimarer Republik (von 1919 bis 1933 hat es 21 Reichsregierungen gegeben) geben viel Geld aus, Geld, das sie nicht haben, und das die Bürger ihnen per Steuerzahlung auch nicht geben wollen. Finanziert werden die Staatsausgaben ab 1920, indem die Reichsbank ihre Druckerpresse rotieren lässt. Von Dezember 1919 bis Oktober 1922 steigt die Papiermark-Geldmenge von 68 auf 485 Milliarden Mark – ein Zuwachs von 613 Prozent in knapp drei Jahren (oder knapp 93 Prozent pro Jahr).
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