Thorsten Polleit
Warum die Soziale Marktwirtschaft eine Utopie ist
Aktualisiert am 25.10.2018 - 11:50 Uhr
Thorsten Polleit ist Honorarprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth und Chefökonom von Degussa Goldhandel. Foto: Degussa Goldhandel
Niemand hat das Recht, einem anderen sein Eigentum wegzunehmen, findet Thorsten Polleit. Er fordert: Jeder Mensch muss das Recht haben, in Ruhe gelassen zu werden, wenn er es wünscht – insbesondere vom Staat.
Interventionismus-Beispiele
Im Folgenden sollen drei Beispiele illustrieren, wie der Interventionismus abläuft, beziehungsweise welche Wendungen er nehmen kann. Das erste Beispiel stammt aus der Kolonialzeit in Indien.14
Die Briten hatten in ihren Kolonien mit einer Kobraplage zu tun. Um sie einzudämmen, gaben die Briten eine Prämie aus, gezahlt für jeden abgetrennten Kobrakopf, den die Inder ablieferten.
Es dauerte nicht lange und die Inder lieferten immer mehr Schlangenköpfe ab. Sie hatten begonnen, Kobras zu züchten, weil das profitabel war. Als die Briten die Kopfprämien für die Kobras daraufhin abschafften, setzten die Inder ihre gezüchteten Schlangen...
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Interventionismus-Beispiele
Im Folgenden sollen drei Beispiele illustrieren, wie der Interventionismus abläuft, beziehungsweise welche Wendungen er nehmen kann. Das erste Beispiel stammt aus der Kolonialzeit in Indien.14
Die Briten hatten in ihren Kolonien mit einer Kobraplage zu tun. Um sie einzudämmen, gaben die Briten eine Prämie aus, gezahlt für jeden abgetrennten Kobrakopf, den die Inder ablieferten.
Es dauerte nicht lange und die Inder lieferten immer mehr Schlangenköpfe ab. Sie hatten begonnen, Kobras zu züchten, weil das profitabel war. Als die Briten die Kopfprämien für die Kobras daraufhin abschafften, setzten die Inder ihre gezüchteten Schlangen frei. Die Schlangenpopulation und damit die Kobraplage nahmen dadurch zu. Die staatliche Maßnahme löste also nicht das Problem, das gelöst werden sollte. Im Gegenteil: Sie verschärfte das Problem sogar noch.
Das zweite Beispiel: Der Staat erhebt einen Mindestlohn, um die Einkommen der Geringverdiener zu verbessern. Ist der Mindestlohn höher als der Lohn, der sich beim freien Spiel von Angebot und Nachfrage im Arbeitsmarkt einstellt, ist ungewollte Arbeitslosigkeit die Folge: Bei solch einem Mindestlohn wird die Nachfrage kleiner sein als das Arbeitsangebot, und sie wird auch geringer sein im Vergleich zur Situation, in der es keinen Mindestlohn gibt. Ein solcher Mindestlohn muss sein Ziel verfehlen: Er wird die Einkommen der Geringverdiener nicht steigern und deren Beschäftigungszahl verringern.
Das dritte Beispiel: Der Staat mit seiner Zentralbank gibt inflationäres Geld aus. Die Inflation verteuert Grundstücke, Häuser und Mieten. Wohnraum wird daraufhin für viele Menschen unerschwinglich.
Das ruft den Staat auf den Plan. Er stoppt aber nicht etwa die inflationäre Politik, nein, er führt Mietpreisbremsen oder Mietstopps ein. Das Investieren in Neu und Renovierungsbauten wird dadurch nun weniger rentierlich – und schwächt sich ab. Wohnraum wird knapp – und muss zugeteilt werden. Die bekannten Probleme der Warteschlange, Korruption und Vetternwirtschaft entstehen.
Die Lebensqualität der Mieter verschlechtert sich, und in der Bauindustrie verlieren Arbeitnehmer wegen der nunmehr geringeren Nachfrage ihre Jobs. Verärgerte Mieter, Wohnungssuchende und Arbeitslose rufen nach Abhilfe. Die Politiker schreiten wieder zur Tat – und setzten auf noch mehr Interventionen.
Man braucht nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, wie sich die Interventions-Spirale weiterdrehen wird. Mit jeder Drehung gibt es mehr Kontrolle, Überwachung und Zwang und Bestrafung bei Zuwiderhandeln, und die bürgerliche und unternehmerische Freiheit schwinden. Und am Ende – im Extremfall – ist die freiheitliche Ordnung perdü.
Die drei Beispiele konnten hoffentlich verdeutlich en, dass der Interventionismus zweckwidrig ist, dass er die angestrebten Ziele nicht erreichen kann, dass er bestehende Probleme verschärft und/oder neue schafft. Folgende Frage stellt sich jetzt: Warum wird denn die Interventions-Spirale, wenn sie einmal in Gang gekommen ist, nicht gestoppt?
14 Dieses Beispiel ist entnommen Siebert, H. (2001), Der Kobra-Effekt. Wie man Irrwege der Wirtschaftspolitik vermeidet, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, München.
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