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Chefvolkswirt von Unicredit über europäische Rentenmärkte: Reformerfolge statt Schuldenschnitt

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Beispiel I: Kanada

Die kanadische Politik stand Anfang der 1990er Jahre buchstäblich mit dem Rücken zur Wand. Nach einer tiefen Rezession erholte sich die Wirtschaft nur sehr schleppend. Die Lohnstückkosten stiegen sehr stark an. Die Arbeitslosigkeit schoss in die Höhe und lag über 11 Prozent. Das öffentliche Defizit betrug rund 9 Prozent des BIP, der Schuldenstand lag bei 90 Prozent.

1993 zog die Politik dann die Notbremse – nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA, das den internationalen Wettbewerbsdruck weiter erhöhte. Innerhalb von zwei Jahren wurden die Staatsausgaben um rund 3½ Prozent des BIP gesenkt. Kürzungen fanden insbesondere bei Vergütungen von Staatsbediensteten statt. Zusätzlich wurden Subventionen und Transfers heruntergefahren. Anreize zur Arbeitsaufnahme wurden über eine Reduzierung von Ansprüchen aus der Arbeitslosenversicherung erhöht. Hinzu kamen Maßnahmen zur Förderung der Mobilität von Arbeitssuchenden sowie Lohnsubventionen für gering Qualifizierte.

Sowohl Sparmaßnahmen als auch Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt zeigten Wirkung. Die Nettoneuverschuldung ging schrittweise zurück. 1997 waren die öffentlichen Einnahmen und Ausgaben bereits wieder ausgeglichen. Der Schuldenberg wurde sukzessive abgetragen. Auch das Wachstum sprang trotz negativem Nachfrageeffekt überraschend schnell an. Eine Anpassungsrezession blieb völlig aus. Zwischen 1993 und 1997 legte das BIP im Durchschnitt pro Jahr um rund 3 Prozent zu.

Beispiel II: Schweden

Auch in Schweden war die Situation Anfang der 1990er Jahre dramatisch. Grund war das Platzen der Immobilienblase, nachdem die Preise zuvor teilweise exorbitant angestiegen waren. So verteuerten sich Gewerbeimmobilien mit sehr guter Lage in Stockholm innerhalb einer Dekade um sage und schreibe 800 Prozent. Auch der Häusermarkt war heißgelaufen. 1992/93 stand die schwedische Regierung faktisch vor einem Scherbenhaufen. Der Finanzsektor saß auf einem Berg fauler Kredite. Die staatliche Nettokreditaufnahme betrug vorübergehend 11 Prozent des BIP. Der Schuldenstand schoss auf über 70 Prozent (1990: 44 Prozent). Die Arbeitslosigkeit war hoch, das Wachstum im Durchschnitt gering. Um die Krone im EWS zu verteidigen, erhöhte die schwedische Notenbank vorübergehend massiv die Zinsen. Auch der Zinssatz für lang laufende Staatsanleihen war stark gestiegen.

1993 reagierte die Politik mit drei Konsolidierungspaketen. Die staatlichen Primärausgaben (ohne Zinszahlungen) wurden innerhalb von zwei Jahren um 6 Prozent des BIP gekürzt. Die Sparmaßnahmen umfassten wiederum die Bezüge von öffentlichen Bediensteten sowie Transfers und Unterstützungszahlungen im Renten- und Sozialsystem. Zusätzlich wurde die Mehrwertsteuer erhöht. Auch auf der institutionellen Seite gab es erhebliche Anstrengungen. Für einige staatliche Ausgaben wurden bindende Obergrenzen auf Sicht von drei Jahren eingeführt.

Ähnlich wie in Kanada hatte die schwedische Rosskur Erfolg.
Ein Wachstumseinbruch trat nicht auf. Das öffentliche Haushaltsdefizit
wurde rasch zurückgeführt und der Schuldenstand abgebaut. Die Zinssätze für Staatsanleihen sanken wieder spürbar.
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