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Aktualisiert am 07.07.2023 - 10:41 Uhrin Karl PilnyLesedauer: 9 Minuten

Pilnys Asia Insights Warum chinesische Aktien jetzt lukrativ erscheinen

Aktienkurse auf einer Kurstafel in China.
Aktienkurse auf einer Kurstafel in China. | Foto: Image Images / Zuma Wire

Mit einem Wachstum von 4,5 Prozent im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr wurde der beste Wert seit vier Quartalen in China erreicht. Während Europa und die USA am Rande einer Rezession stehen, steigen die Wachstumserwartungen in China. Vor allem wegen der guten monatlichen Konjunkturdaten, insbesondere die Einzelhandelsumsätze, die mit einem Zuwachs von 10,6 Prozent im Vergleich zu 2022 erhebliche Wachstumsdynamik nahelegen. Doch im Vorjahr hatte es monatelange harte Lockdowns gegeben, was den Nachholeffekt erklärt. Im direkten Monatsvergleich legten die Einzelhandelsumsätze gerade einmal um 0,15 Prozent zu.

Nichtsdestotrotz wuchsen die Umsätze im Einzelhandel im ersten Quartal 2023 um 5,8 Prozent, im Schlussquartal 2022 waren die Umsätze im Jahresvergleich noch um 2,7 Prozent geschrumpft. Das Wachstum im ersten Quartal kam nicht zuletzt dank der großen Onlineanbieter zustande. Deren jährliches Umsatzwachstum war im März mit 13 Prozent fast doppelt so hoch wie in den ersten beiden Monaten zusammen. 

 

Chinas Mittelschicht strömt wieder in Restaurants und geht auf Reisen. Die Umsätze in der Hotel- und Gastrobranche stiegen im ersten Quartal 2023 um 13,6 Prozent. Der Dienstleistungssektor führte die Erholung mit einem Zuwachs von 5,4 Prozent an, das Verarbeitende Gewerbe hing mit nur 3,3 Prozent zurück. Die zuletzt deutlich gestiegene Kreditvergabe an Unternehmen und Haushalte wird in den kommenden Monaten wohl greifen und die Investitionen sowie den Konsum weiter ankurbeln.

Überdies könnten mehr Beschäftigung und eine sich verbessernde Einkommenssituation das zuletzt schwächelnde Vertrauen der Verbraucher beflügeln, wovon vor allem die Aktien von Konsumgüterherstellern für den chinesischen Markt ebenso wie Internet-Unternehmen profitieren, zumal bei Letzteren die Regulierungswut abgeebbt ist. Die Rückkehr von Jack Ma und die geplante Aufspaltung von Alibaba in sechs Teile bilden wohl den Schlussakkord in der jahrelangen Kampagne.

Die Industrie hingegen steigerte ihre Produktion ersten Quartal nur um 0,12 Prozent, im Vergleich zu 3,0 Prozent im Vorjahr. Die Investitionen stiegen im letzten Monat des ersten Quartals um 4,7 Prozent im Jahresvergleich, schrumpften aber um 0,25 Prozent im Monatsvergleich, obwohl Zuwachs in Höhe von 8,7 % bei der Infrastruktur und eine einsetzende Erholung im Bausektor zu verzeichnen waren.

Im Vergleich zum Vorjahr fielen die privaten Investitionen um 3,8 Prozent und auch die Daten vom Arbeitsmarkt waren zweischneidig. Zwar ging die Arbeitslosenquote von 5,6 Prozent auf 5,3 Prozent zurück, aber die Jugendarbeitslosigkeit - ein großes Problem für die Regierung- stieg sogar noch, nämlich von 18,1 Prozent auf 19,6 Prozent. Dazu werden dieses Jahr mit 11,6 Millionen Absolventen so viele wie noch nie von den Universitäten abgehen.

 

Chinas Wirtschaft auf dem Weg der Besserung

Die gute Nachricht ist aber: Das chinesisches BIP legt deutlich zu - der IWF erwartet 5,2 Prozent in diesem und 5,4 Prozent im kommenden Jahr. Da die Weltwirtschaft nur um 2,8 Prozent in diesem und im nächsten Jahr nur um drei Prozent wachsen dürfte, wirkt sich die chinesische Wachstumsdynamik global positiv aus.

China ist für viele Länder ein wichtiger Handelspartner, für Deutschland sogar der wichtigste. Im Februar waren die Exporte von Deutschland nach China um 10,2 Prozent im Vergleich zum Vormonat gestiegen, während die Importe insgesamt um vier Prozent zulegten. Man sollte die positiven Auswirkungen auf andere Volkswirtschaften allerdings nicht überschätzen. Das chinesische Wachstum erklärt sich vor allem aus Konsumsteigerung und einer Erholung des Dienstleistungssektors im Binnenmarkt, also ganz im Sinne der chinesischen Zwei-Kreislauf-Politik.

Zudem lag die Inflationsrate in China zuletzt bei gerade einmal 0,7 Prozent. Auch die chinesischen Exporte haben sich im März bestens entwickelt und stiegen in US-Dollar um 14,8 Prozent nach Rückgängen in den Vormonaten. Vor allem Elektroautos, deren Komponenten sowie Exporte nach Russland und Südostasien trieben das Wachstum. Sowohl in den USA wie in Europa ist immer wieder von einem De-coupling, zumindest aber De-risking, mithin einer Diversifizierung weg von China die Rede - zuletzt bei der etwas unglücklichen Reise von Ursula von der Leyen nach Peking. Bei den Einfuhren aus China ist davon aber (noch) nicht viel zu sehen. Die Importe aus China in die USA stiegen im vergangenen Jahr auf den Rekordwert von 581 Milliarden Dollar, bei der EU auf 561 Milliarden Dollar.

Doch wie nachhaltig ist nun die Wachstumsdynamik in China?

Immerhin könnten die eingetrübten Entwicklungsaussichten in den USA und Europa demnächst zu einer Abkühlung der chinesischen Exporte führen. Zwar stiegen die Ausfuhren im März im Jahresvergleich überraschend stark um 14,8 Prozent, nachdem sie während der ersten zwei Monate des Jahres noch um 6,8 Prozent gefallen waren.

Doch die Erholung könnte nur von kurzer Dauer sein da chinesische Fabriken im März vor allem liegengebliebene Aufträge aus den letzten Monaten 2022 abgearbeitet haben. Auch die schnelle Alterung der chinesischen Gesellschaft könnte eine dauerhaft geringere Nachfrage bewirken.

„Hohe Jugendarbeitslosigkeit, schwache Unternehmensinvestitionen, große Risiken auf dem Immobiliensektor und die Risiken eines eskalierenden Handelskonflikts werden die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt enorm belasten“, warnt zum Beispiel der Harvard Professor Kenneth Rogoff. Er ist nicht der Einzige der prognostiziert, dass die Wachstumsraten im Laufe der Dekade kräftig zurückgehen werden.

 

In der Tat scheint China noch nicht über den Berg zu sein. So konnte die Industrieproduktion im ersten Quartal nur um 3 Prozent zulegen und die Anlageinvestitionen wuchsen zwischen Januar und März nur um 5,1 Prozent. Besonders spürbar war der Rückgang bei den Investitionen im Immobiliensektor, die zwischen Januar und März um 5,8 Prozent und damit stärker als zwischen Oktober und Dezember 2022 zurückgingen.

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Gerade im Immobiliensektor gibt es große Überkapazitäten, doch nach zwei heftigen Krisenjahren auch erste Hoffnungssignale für eine Stabilisierung auf dem Immobilienmarkt. Die Preise für Wohneigentum zogen im März den zweiten Monat in Folge leicht an, wobei es sich wohl um einen Nachholeffekt nach dem Ende der Coronarestriktionen handelt. Für zusätzliche Entspannung sorgte die Lockerung der strengen Verschuldungsobergrenzen für Immobilienentwickler. Das ist erfreulich, denn ein nachhaltiger wirtschaftlicher Aufschwung in China hängt maßgeblich von einer dauerhaften Erholung des Immobiliensektors ab, der direkt und indirekt rund ein Drittel zur chinesischen Wirtschaftsleistung beisteuert.

Chinas Jugend findet kaum Anschluss auf dem Jobmarkt

Besonderes Kopfzerbrechen bereitet weiterhin die Arbeitslosigkeit. Zwar sank die Arbeitslosenquote in den Städten im März auf 5,3 Prozent nach 5,6 Prozent im Februar. Doch die Jugendarbeitslosigkeit, die sich seit mehr als einem Jahr auf einem beunruhigend hohen Niveau befindet, stieg erneut. Im März lag die Quote für die Arbeitslosigkeit unter den 16- bis 24-Jährigen bei 19,6 Prozent. Im Februar hatte sie noch 18,1 Prozent betragen.

Seit Monaten versucht die Regierung mit zahlreichen Maßnahmen, Arbeitsplätze für junge Chinesen zu schaffen, doch sie scheint das Problem nicht in den Griff zu bekomme und ist beunruhigt, denn arbeitslose Jugendliche könnten ihren Frust schnell auf die Straße tragen. Und damit wie bei den spontan hochkochenden Corona- bzw. A4 - Protesten die Partei in Bedrängnis bringen.

Nicht zu unterschätzen sind somit die politischen Risiken: Seit Beginn der Ära Xi Jinping im Jahr 2012 erlebt China eine Machtkonzentration wie in Zeiten Maos. Staat und Partei sind wieder das Maß aller Dinge. Das Gleiche gilt für die außenpolitischen Beziehungen. Sollte der Technologie- und Handelsstreit mit den USA oder der Ukrainekrieg des russischen Verbündeten weiter eskalieren, womöglich durch eine zeitgleiche Invasion in Taiwan, hätte der Exportweltmeister China das Nachsehen, wenn er westliche Sanktionen nicht ausreichend durch neue Märkte im globalen Süden wie Afrika, Asien und Lateinamerika ausgleichen kann. Die USA sind auch unter dem demokratischen Präsidenten Joe Biden fest entschlossen, Chinas ökonomischen und politischen Expansionsdrang einzudämmen, woran sich auch unter einem neuen Präsidenten 2024 - egal welcher Partei - nichts ändern wird.

 

BYD-Wachstum in China - deutsche Autobauer in Bedrängnis

In China verkauft BYD (Build Your Dream) jetzt mehr Elektroautos als Volkswagen und erstmals seit Jahrzehnten ist VW nicht mehr die Nummer eins im größten und wichtigsten Automarkt der Welt. Doch auch Audi, BMW und Mercedes verlieren dramatisch an Marktanteilen und Überkapazitäten drohen. Der neue Marktführer heißt BYD, in deren Aktien Warren Buffett bereits 2008 investierte. Der chinesische Konzern verkaufte im ersten Quartal des Jahres etwa 13.000 Fahrzeuge mehr als VW, nämlich rund 441.000 Fahrzeuge. Ein Zuwachs von 68 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Auslieferungen von VW schrumpften dagegen um 14 Prozent auf 428.000 Autos. Setzt sich dieser Trend fort, droht VW-Kurzarbeit in seinen mehr als drei Dutzend Werken in China.

Als logische Folge der tektonischen Plattenverschiebung nach Asien und des historischen Wiederaufstiegs Chinas verschwindet die jahrelange Dominanz westlicher Hersteller zugunsten von lokalen Champions.

In allen Branchen, doch vor allem im Automobilmarkt. Chinesische Champions wie BYD, Geely, Nio, Xpeng oder Great Wall werden bald mehr als die Hälfte des Automarkts in China untereinander aufteilen.

Deutschlands Energiewende findet keine Abnehmer in China

VW fällt ebenso wie Audi, BMW und Mercedes-Benz zurück. Insbesondere die Elektroautos der Deutschen finden kaum Abnehmer. Die Verkaufszahlen von batterieelektrischen Modellen sind von 2,4 Millionen auf fast vier Millionen im vergangenen Jahr gestiegen, der Absatz teilelektrischer Fahrzeuge von 540.000 auf 1,3 Millionen. In diesen beiden Segmenten spielen die deutschen Hersteller jedoch keine Rolle. Sie halten lediglich ihre Marktanteile im Verbrennermarkt, wo der Absatz im Vorjahr aber von 18,4 auf 15,4 Millionen gesunken ist.

Insgesamt verlieren die deutschen Autohersteller - eine Schlüsselindustrie - rapide an Bedeutung in China, denn die Elektrifizierung in China anders als im Westen von unten nach oben statt, was Volumenhersteller wie VW mit hohen Kostenstrukturen massiv unter Druck setzt. Noch scheint die Lücke zu BYD klein, doch BYD wächst explosionsartig zum gesamten Marktgeschehen. 2018 verkaufte der Konzern nur eine halbe Million Autos, mehrheitlich mit Verbrennungsmotor. Mit der Umstellung des auf elektrische Antriebe zog das Geschäft 2021 enorm an. Der Absatz schnellte auf 740.000 Fahrzeuge und ein Jahr später waren es bereits 1,9 Millionen Einheiten. Seine Verbrennungsmotoren hat BYD mittlerweile aufgegeben.

Allein im Vorjahr konnte der Konzern seinen Umsatz auf umgerechnet 57 Milliarden Euro nahezu verdoppeln. Der Betriebsgewinn explodierte um 365 Prozent auf 2,9 Milliarden Euro. Mit einer operativen Marge von 5,1 Prozent ist BYD zwar nicht so profitabel wie Tesla oder Mercedes-Benz, aber der Volkswagen-Konzern liegt mit 7,9 Prozent greifbar nahe. Zumal BYD verstärkt von der preisgünstigen Klein- und Mittelklasse ins Premiumsegment drängt, wo auch die Margen höher sind. Ins Autogeschäft stieg BYD 2003 mit der Übernahme von Qinchuan Automobile ein.

Im Gegensatz zu der Konkurrenz setzt BYD bei seinen Energiespeichern, der „Blade Battery“, auf eine Zellchemie auf Basis von Lithium-Eisenphosphat (LFP) statt auf herkömmliche Lithium-Ionen-Technik. Einige Rohstoffe wie Lithium schürft BYD teils selbst in Minen. Auch Elektronikbauteile wie Chips entwickelt der Konzern, ebenso wie den Antriebsstrang selbst. Derzeit fertigt BYD einen Großteil seiner Fahrzeuge in drei Werken mit einer jährlichen Produktionskapazität von 1,65 Millionen Fahrzeugen, kurzfristig soll die jährliche Produktionskapazität auf 2,65 Millionen, mittelfristig sogar auf 4,75 Millionen - eine VW-Größenordnung.

Investments in China sind lukrativ

Das herausfordernde geopolitische Umfeld könnte sich je nach Fortgang als Risiko oder Chance für China herausstellen. Nach Berechnungen des IWF wird dieses Jahr die Hälfte des globalen Wachstums von China und Indien ausgehen. Insofern back to the future, als diese beiden Länder zuletzt Anfang des 19. Jahrhunderts eine solche globale Bedeutung hatten.

An den Aktienmärkten in Fernost haben jedenfalls die Anleger auf die überraschend guten Konjunkturdaten aus China vorsichtig optimistisch reagiert. Die Börse in Shanghai und Hongkong und der Index der wichtigsten Unternehmen in Shanghai und Shenzhen zogen leicht an. Der Nikkei-Index um 0,5 Prozent auf 28.659 Punkte zu und verbuchte damit zum achten Mal in Folge Gewinne.

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