Merger-Experte Felix Engelhardt
Welche Chancen und Risiken Chinas medizinische Forschung für Investoren bietet

Felix Engelhardt ist Gründer und CEO des Beratungsunternehmens Zumera. Foto: Zumera / Canva
In China fördert der Staat massiv die regenerative Medizin. Felix Engelhardt erklärt, warum dies für Investoren interessant sein könnte – und welche Risiken bestehen.
Wenn wir über Hightech-Investitionen sprechen, rücken die USA meist automatisch in den Fokus. Doch seit einigen Jahren positioniert sich ein anderer Gigant: China avanciert zum Powerhouse im Bereich der regenerativen Medizin, insbesondere in der Stammzellenforschung. Dort werden massiv staatliche Gelder eingesetzt, um Technologien zu entwickeln, die weltweit noch in den Kinderschuhen stecken.
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Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Wenn wir über Hightech-Investitionen sprechen, rücken die USA meist automatisch in den Fokus. Doch seit einigen Jahren positioniert sich ein anderer Gigant: China avanciert zum Powerhouse im Bereich der regenerativen Medizin, insbesondere in der Stammzellenforschung. Dort werden massiv staatliche Gelder eingesetzt, um Technologien zu entwickeln, die weltweit noch in den Kinderschuhen stecken.
Deutsche Biotech-Unternehmen und Investoren haben das Thema lange Zeit eher beiläufig verfolgt. In den letzten Monaten aber häufen sich Meldungen über Joint Ventures, strategische Allianzen und M&A-Deals zwischen chinesischen und europäischen Akteuren. Aus meiner Sicht ist nun der richtige Zeitpunkt gekommen, um für deutsche Anleger und Unternehmen einen genaueren Blick zu wagen – und das nicht nur, um Chancen zu identifizieren, sondern auch, um potenzielle Risiken zu erkennen und abzusichern.
1. Warum gerade China?
Während sich Europa und die USA oft in teils zähen ethischen und regulatorischen Debatten verlieren – denken wir nur an das Embryonenschutzgesetz in Deutschland–, bündelt China seine Kräfte:
- Staatliche Förderung: Große Förderprogramme („863“, „973“) und die gezielte Rekrutierung internationaler Wissenschaftler haben Forschungszentren hervorgebracht, die technologisch auf Weltniveau agieren.
- Klinische Agilität: Durch vergleichsweise liberale Regelwerke können neuartige Zelltherapien rascher in klinische Studien überführt werden.
- Schnelle Skalierung: Klinische Anwendungen gelangen in China häufig schneller auf den Markt, obwohl nicht alle Anbieter die von westlichen Investoren gewohnten Qualitätsstandards erfüllen.
Das verschafft chinesischen Biotech-Playern einen zeitlichen und wirtschaftlichen Vorsprung, der in „üblichen“ Pharma- und Biotech-Bereichen inzwischen häufig den US-Unternehmen vorbehalten war.
2. Aktuelle Trends: M&A und strategische Allianzen
Mehrere deutsche Unternehmen haben bereits Kooperationsmöglichkeiten erkannt und erste Schritte unternommen. Ein Beispiel ist die Vita 34 AG, die mit einer chinesischen Partnergesellschaft eine Stammzellenbank in Yinchuan aufgebaut hat. Auch Axiogenesis (heute Ncardia) sammelte Kapital aus chinesischen Quellen, um ihre iPS-Zelltechnologie zu skalieren. Diese Fälle zeigen deutlich:
- Marktzugang: Deutsche Unternehmen profitieren von Chinas hohem Bedarf an Biotech-Know-how und Infrastruktur.
- Finanzielle Ressourcen: Chinesische Investoren zeigen sich interessiert an Minderheits- oder Mehrheitsbeteiligungen, um gemeinsame Forschung und Produktentwicklung voranzutreiben.
- Schneller Proof of Concept: Klinische Studien können in China häufig zügiger anlaufen und somit das Zeitfenster bis zu einer möglichen Marktzulassung verkürzen.
Gerade für kleinere deutsche Biotechs kann eine Allianz mit einem großen Partner aus Peking, Shanghai oder Shenzhen der entscheidende Hebel sein, um neue Zelltherapien nicht nur zu entwickeln, sondern auch in kurzer Zeit in die Anwendung zu bringen. Interessant ist, dass mittlerweile auch größere Pharma-Player Kooperationsoptionen sondieren – oft zunächst als Joint Venture, vereinzelt aber auch direkt in Form von Übernahmen oder Unternehmensbeteiligungen.
3. Investitionspotenzial: Was treibt den Markt?
Der globale Markt für Stammzelltherapien wird bis Ende des Jahrzehnts auf einen Wert zwischen 25 und 40 Milliarden Euro geschätzt – eine Spannbreite, die auf das hohe Innovations- und Wachstumspotenzial hinweist. Chinesische Unternehmen sind bereits in vielen Bereichen führend, ob es sich nun um CAR-T-Zelltherapien, iPS-Zelllinien oder neue Anwendungen in der Neurologie handelt. Für deutsche Investoren ergeben sich daraus folgende Potenziale:
- Diversifizierung: Durch Investments in chinesische Stammzell-Projekte lassen sich Portfolio-Risiken streuen und neue Wachstumsmärkte erschließen.
- Innovationsvorsprung: Know-how-Transfer von chinesischen Partnern kann Forschungs- und Entwicklungszyklen in Deutschland verkürzen.
- Exit-Chancen: Bei erfolgreichen Kooperationen steigert sich der Unternehmenswert signifikant – und das M&A-Interesse anderer Investoren oder strategischer Käufer wächst.
4. Doch Vorsicht: Ethische und regulatorische Fallstricke
Allerdings gilt es auch, Risiken und Stolperfallen zu adressieren. Nicht selten operieren chinesische Biotech-Unternehmen in einer regulatorischen Grauzone. Mangelnde Transparenz bei klinischen Studiendaten oder die Nutzung von fetalem Gewebe ohne klar geregelte Ethikstandards können das Image deutscher Partner empfindlich schädigen. Aus M&A-Sicht sind folgende Punkte besonders relevant:
- Reputationsrisiken: Bereits der Verdacht auf unethische Praktiken oder mangelhafte Patientensicherheit kann Deals zum Scheitern bringen.
- Geopolitische Spannungen: Trade Wars, Technologietransfer-Beschränkungen und nationale Sicherheitsbedenken können eine ehemals lukrative Kooperation schnell erschweren.
- Schutz des geistigen Eigentums: Je stärker die Zusammenarbeit, desto größer das Risiko von Know-how-Abfluss in einer Region mit teils unklarer IP-Durchsetzung.
5. Ausblick und M&A-Strategien
Der Trend zeigt klar nach oben: Deutsch-chinesische Partnerschaften in der Stammzellforschung nehmen zu. Unsere Kanzlei beobachtet regelmäßig Initiativen und Roadshows, bei denen chinesische Investoren aktiv nach europäischen Targets suchen. Deutsche Unternehmen wiederum sondieren Standorte und Joint Ventures in Shanghai, Peking oder Shenzhen. Der Erfolg solcher Transaktionen hängt wesentlich davon ab, ob Investoren und Unternehmer die folgende Balance treffen können:
- Technologie- und Marktzugang vs. Kontrolle und IP-Schutz
- Finanzielle Mittel vs. ethische und Compliance-Garantie
- Skalierung in Asien vs. nachhaltiges Wachstum und Reputation in Europa
Ein Ansatz könnte sein, vor einer tiefer gehenden Beteiligung ein Pilotprojekt (zum Beispiel Lizenz- oder Kooperationsvertrag) zu starten, um Vertrauensaufbau, kulturelle Unterschiede und rechtliche Details zu testen. Auch die Gründung gemeinsamer Forschungslabore an neutralen Standorten – etwa im Rahmen der DFG- und NSFC-Kooperationen – kann Transparenz erzeugen und den IP-Schutz vertraglich stärken.
6. Fazit: Chancen ergreifen – aber mit Fingerspitzengefühl
In einer Welt, in der die Innovationszyklen immer kürzer werden, kann es sich Deutschland nicht leisten, das riesige Potenzial der chinesischen Stammzellenforschung zu ignorieren. Gleichzeitig sind in M&A-Deals mit chinesischen Biotech-Firmen eine gewisse Sorgfalt und Umsicht unabdingbar. Deutsche Investoren sollten die Gelegenheit nutzen, in diesem dynamischen Umfeld Fuß zu fassen – seien es Beteiligungen an hochinnovativen Start-ups, strategische Kooperationen oder sogar Übernahmen.
Wer rechtzeitig einsteigt und die Risiken kompetent managt, kann von Chinas Schwungkraft bei der Entwicklung neuartiger Therapien profitieren – und so gleichzeitig die eigene Innovationsfähigkeit stärken. Bleiben wir abwartend oder zögerlich, droht uns in wenigen Jahren die bittere Erkenntnis, dass Schlüsseltechnologien im Bereich der regenerativen Medizin längst in Fernost fest verankert sind – und wir nur noch hinterherlaufen.
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