Schlechte Investorenstimmung Chinas Wirtschaft - Boom, Bust oder beides? Ein Blick auf die aktuellen Kapitalabflüsse
China war lange Zeit als Wachstumsmotor der Weltwirtschaft bekannt. Investoren strömten aufgrund der Aussicht auf hohe Renditen in die Volksrepublik. Doch in letzter Zeit ist der Geldfluss abrupt versiegt und die Stimmung unter den Investoren hat sich verschlechtert.
Im August zeigten sich die Auswirkungen dieser Entwicklung durch spürbare Kapitalabflüsse europäischer Investoren. Die Kategorien China Equity und China Equity A Shares verzeichneten Rücknahmen von jeweils 1,1 Milliarden Euro, während der Sektor Greater China Equity Abflüsse von 0,5 Milliarden Euro verzeichnete. Diese Zahlen stammen von Morningstar. Obwohl dies nur ein Bruchteil der Gelder ist, die in den Jahren 2020 und 2021 in diese Sektoren flossen, ist der Trend eindeutig.
Zweifel an Chinas Wirtschaft wachsen
Die Skepsis gegenüber Chinas Wirtschaft hat verschiedene Gründe. Der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung nach dem Ende der Null-Covid-Politik blieb aus. Zudem beeinflussen geopolitische Spannungen, handelspolitische Konflikte mit westlichen Ländern und interne wirtschaftliche Herausforderungen die Stimmung der Investoren negativ.
Auch die Stabilität des chinesischen Finanzsystems bereitet Sorgen, verstärkt durch die Krise des Immobilienentwicklers Evergrande. Die strengere Regulierung in den Bereichen Technologie und Bildung wirft ebenfalls Fragen auf. Die politischen Spannungen nach der russischen Invasion in der Ukraine beeinflussen ebenfalls die Anlageentscheidungen und treiben die Kapitalabflüsse aus China an.
Um das Ausmaß zu skizzieren: Laut einem Bericht von „Bloomberg“ flossen im August innerhalb von nur zwölf Tagen umgerechnet 9,3 Milliarden US-Dollar aus chinesischen Festlandsaktien ab. Solche Kapitalabflüsse gab es zuletzt 2016.
Goldman Sachs und Blackrock sind wenig optimistisch
Goldman Sachs zufolge verkauften globale Hedgefonds chinesische Aktien zuletzt regelrecht „aggressiv“. Dabei traf es nicht nur einzelne Sektoren, sondern die Breite der chinesischen Wirtschaft: Verkauft wurden Papiere von Chinas größtem Spirituosen-Konzern Kweichow Moutai, ebenso Aktien vom Anbieter erneuerbarer Energien Longi Green Energy Technology oder der China Merchants Bank.
1.200% Rendite in 20 Jahren?
Der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock hat kürzlich ebenfalls seine Einschätzung für chinesische Aktien überarbeitet und stufte sie von „übergewichten" auf „neutral“ herab. Dieser Schritt kam für viele überraschend, insbesondere nachdem das Unternehmen Anfang des Jahres noch bullish für chinesische Aktien war.
Das sich verlangsamende Wirtschaftswachstum spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Ein einfacher Vergleich verdeutlicht, wie schwach China zuletzt performt hat: Der MSCI China Index hat seit Jahresbeginn etwa 10 Prozent verloren, während der MSCI World Index um 13,5 Prozent gestiegen ist.
China fehlt der Blick nach vorne
Die politischen Anreize scheinen zudem nicht mehr so stark zu sein wie früher. „Wir gehen nicht davon aus, dass Peking das eine große Kaninchen aus dem Hut zaubern wird, das jegliche Investorensorgen im Handumdrehen beruhigen wird“, zitierte das „Handelsblatt“ Björn Jesch, Investmentchef der DWS.
Jan Beckers von Bit Capital sprach von einer „dramatischen Verschlechterung des geopolitischen Umfelds ohne Aussicht auf einen kurzfristigen Ausweg“. Er hat das China-Exposure seines Fonds daher auf wenige Prozent reduziert und geht derzeit keine langfristigen Wetten im Reich der Mitte ein.