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Null-Covid-Strategie passé Chinas Wirtschaft – neue Dynamik im Jahr des Hasen

Mit Schwung ins Jahr des Hasen
Mit Schwung ins Jahr des Hasen: Die chinesische Regierung hat ihre Null-Covid-Politik gelockert. Das sollte die Konjunktur im Land stützen. | Foto: Imago Images / ITAR-TASS
Chi Lo, BNP Paribas AM

Wenn die „Weißen Riesen“ kamen, wurde es ernst. Zu Zeiten der strikten Null-Corona-Politik reichten in China schon wenige Infizierungen mit dem Virus, um Wohnkomplexe, Straßenzüge oder sogar ganze Millionenstädte abzuriegeln. Immer mit dabei: Die Mitarbeiter der Gesundheitsbehörden, die in ihren Ganzkörperschutzanzügen die Lockdowns durchsetzten – und das oftmals ohne Rücksicht auf die Betroffenen.

Nun, zu Beginn des Jahres des Hasen, sind sie von den Straßen chinesischer Städte verschwunden: Die chinesische Regierung hat sich Ende vergangenen Jahres von ihrer rigiden Null-Covid-Politik verabschiedet. Für die Wirtschaft ist das eine gute Nachricht – im Land und weltweit.

Wachstumsprognose für China angehoben

„Aufgrund der Wiederöffnung der chinesischen Wirtschaft gehen wir davon aus, dass die Störungen in den globalen Lieferketten abnehmen werden“, sagt Chi Lo, Marktstratege für den asiatisch-pazifischen Raum bei BNP Paribas Asset Management. Darüber hinaus dürften sowohl der Konsum als auch die Investitionen wieder anziehen. „Vor diesem Hintergrund und angesichts der Stützungsmaßnahmen für den Immobiliensektor haben wir unsere Prognose für das chinesische Wachstum im Jahr 2023 von 4,8 Prozent auf 5,5 Prozent angehoben.“ Zum Vergleich: 2022 lag das Konjunkturplus bei 3 Prozent, wie das chinesische Statistikamt jüngst mitteilte.

Dass der chinesische Aufschwung die entwickelten Länder vor einer Rezession bewahren kann, denkt Chi Lo jedoch nicht. „Das Bruttoinlandsprodukt der USA und der Eurozone ist zusammengenommen 1,6-mal höher als das Chinas. Das Nachfragewachstum im Reich der Mitte dürfte daher kaum ausreichen, um die Konjunkturverlangsamung in diesen beiden Volkswirtschaften auszugleichen – geschweige denn in den entwickelten Märkten insgesamt.“ Der Aufschwung des Landes werde sich aber wahrscheinlich über den Handel positiv auf die asiatischen Volkswirtschaften auswirken. Schließlich seien die Handelsbeziehungen Chinas zu seinen Nachbarn mittlerweile enger als zu den Vereinigten Staaten.

Vielzitierte Entkopplung von China nicht zu beobachten

Die Abkopplung von China ist seit dem Beginn des Handelskriegs mit den USA im Jahr 2018 ein großes Thema unter den Marktteilnehmern. Einige bedeutende Industrieländer drängen seither auf die Verlagerung der Produktion aus China heraus in die Heimatmärkte. „Dies hat zu Besorgnis hinsichtlich einer Deglobalisierung und der Verlangsamung des grenzüberschreitenden Handels sowie der Investitionen geführt“, sagt Chi Lo.

 

Die Pandemie hat diese Bedenken noch verstärkt: Sie hat die globalen Lieferketten unterbrochen und zu Engpässen in allen Bereichen geführt – von Baumaterialien über Autoteile bis hin zu Halbleitern. Auch wenn sich in der Folge einige große Unternehmen dazu entschieden haben, ihre Beschaffungs- oder Produktionsaktivitäten in China zu reduzieren und in andere Länder abzuwandern, sieht Chi Lo keine großflächige Abkopplung: „Ganz im Gegenteil.“ Das Volumen des bilateralen Handels zwischen China und den USA sei trotz Handelskrieg und Pandemie sogar von 620 Milliarden US-Dollar im Juni 2018 auf 801 Milliarden US-Dollar im August 2022 gestiegen. „Das lag insbesondere an der deutlichen Zunahme von US-Lieferungen nach China infolge des im Januar 2020 unterzeichneten Phase-One-Abkommens.“

Unternehmen verlagern Kapazitäten innerhalb Asiens

Dennoch erkennt Chi Lo eine Verschiebung im asiatischen Raum: „Es bildet sich gerade ein neues Importmuster, die China-Plus-1-Strategie.“ Unternehmen produzieren weiterhin in China für den lokalen Markt, verlagern jedoch einen Teil ihrer Kapazitäten in die Länder des Verbands Südostasiatischer Nationen (Asean): Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, die Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam. „Mehr aus den Asean-Staaten zu importieren, bedeutet jedoch nicht, weniger von China zu kaufen oder sich gar komplett von dem Land abzukoppeln“, betont der Chinaexperte. „Vielmehr ist die Verlagerung ein Mittel, um zukünftige Unterbrechungen der Lieferkette aufgrund wirtschaftlicher und politischer Ereignisse zu vermeiden – und damit die Schwachstellen zu schließen, die die Pandemie aufgedeckt hat.“

Diese Entwicklung spiegelt sich auch in steigenden ausländischen Direktinvestitionen in den Asean-Ländern wider. „Entscheidend ist, dass ein großer Teil davon aus China kommt. Aktuell entfallen auf das Land 40 Prozent der Gesamtinvestitionen, während es vor einigen Jahren nur 10 Prozent waren“, erläutert Chi Lo. Dies stärke die Integration der Lieferketten zwischen Asean und China eher, als dass es sie schwäche.

Stärkere Verflechtungen im asiatischen Raum

In der Verlagerung der asiatischen Lieferkette zeigt sich auch die chinesische Politik des „doppelten Wirtschaftskreislaufs“. „Peking möchte mit seinen internen Wachstumsimpulsen nicht nur das inländische, sondern auch die regionale Konjunktur vorantreiben“, erklärt Chi Lo.

Diese Entwicklung wird aus Sicht des Kapitalmarktexperten wahrscheinlich zu starken intraregionalen Wirtschaftsverflechtungen führen, die dem Trend zur Deglobalisierung entgegenwirken. Die Inflationssorgen in Europa und den USA verbunden mit einem höheren Druck auf die Inputpreise machen die Kostenvorteile am asiatischen Markt noch deutlicher.

Es sind subtile Verschiebungen, die Asien zu einer aufstrebenden und zunehmend vielschichtigen Produktionsstätte für die Weltmärkte machen. China bleibt auch in Zukunft ihr Anker und Mittelpunkt. Chi Lo: „Investoren sollten diese Entwicklungen bei ihren Investitionsentscheidungen in Asien im Blick behalten und die damit verbundenen Chancen nutzen.“

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