Finanzexperte Jan Viebig
China kommt zurück
Jan Viebig ist Investmentchef der Privatbank Oddo BHF. Foto: Oddo BHF
China rückt wieder in den Blickpunkt von Anlegern. Das mag überraschen, weil das Land zuletzt wirtschaftlich auf die schiefe Bahn geraten ist. Die Maßnahmen der Regierung in Peking zur Konjunkturbelebung dürften jedoch früher oder später wirken.
China ist wieder in den Blickpunkt der Anleger gerückt. Das mag etwas überraschen, weil das Land zuletzt wirtschaftlich Schwächen gezeigt hat. Vor allem, nachdem die Regierung lange an ihrer rigiden Lockdown-Politik festgehalten hatte, verlor die Wirtschaft an Schwung. Als die coronabedingten Einschränkungen gelockert worden sind, zogen die Wirtschaftsaktivitäten zwar wieder an, aber nicht so dynamisch, wie es die Regierung erhofft hatte. Der IWF erwartet, dass sich das Wachstum nach 3,0 Prozent im Jahr 2022 im laufenden Jahr 2023 auf 5,2 Prozent beschleunigen dürfte. Doch für das Jahr 2024 rechnet er mit einem Rückgang auf 4,5 Prozent.
Nun hat die Zentralbank erstmals seit zehn Monaten zwei wichtige Zinssätze gesenkt, während der Rest der Welt mit der hohen Inflation kämpft. Doch die Teuerungsrate dürfte derzeit die geringste Sorge für die chinesischen Wirtschaftspolitiker sein. Die Inflationsrate liegt aktuell bei rund 0,2 Prozent. Die People’s Bank of China hat ihren einjährigen Schlüsselsatz Loan Prime Rate (LPR) um 0,1 Prozentpunkte auf 3,55 Prozent gesenkt und den fünfjährigen Leitzins ebenfalls um 10 Basispunkte auf 4,2 Prozent.
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China ist wieder in den Blickpunkt der Anleger gerückt. Das mag etwas überraschen, weil das Land zuletzt wirtschaftlich Schwächen gezeigt hat. Vor allem, nachdem die Regierung lange an ihrer rigiden Lockdown-Politik festgehalten hatte, verlor die Wirtschaft an Schwung. Als die coronabedingten Einschränkungen gelockert worden sind, zogen die Wirtschaftsaktivitäten zwar wieder an, aber nicht so dynamisch, wie es die Regierung erhofft hatte. Der IWF erwartet, dass sich das Wachstum nach 3,0 Prozent im Jahr 2022 im laufenden Jahr 2023 auf 5,2 Prozent beschleunigen dürfte. Doch für das Jahr 2024 rechnet er mit einem Rückgang auf 4,5 Prozent.
Nun hat die Zentralbank erstmals seit zehn Monaten zwei wichtige Zinssätze gesenkt, während der Rest der Welt mit der hohen Inflation kämpft. Doch die Teuerungsrate dürfte derzeit die geringste Sorge für die chinesischen Wirtschaftspolitiker sein. Die Inflationsrate liegt aktuell bei rund 0,2 Prozent. Die People’s Bank of China hat ihren einjährigen Schlüsselsatz Loan Prime Rate (LPR) um 0,1 Prozentpunkte auf 3,55 Prozent gesenkt und den fünfjährigen Leitzins ebenfalls um 10 Basispunkte auf 4,2 Prozent.
Diese Senkungen erscheinen der Regierung wohl notwendig, um ihr Wachstumsziel von 5 Prozent zu erreichen. Angesichts der erwarteten Wachstumsabschwächung in China war an den Märkten eine stärkere Rücknahme erwartet worden.
So entwickeln sich Leitzinsen und Inflation in China
Offenbar werden die Verantwortlichen in China nervös, was sich auch darin zeigt, dass die Regierung jüngst ausländische Unternehmen aufforderte, stärker im Land zu investieren. Doch gerade der Blick aus dem Ausland richtete sich in der jüngsten Vergangenheit auf die zum Teil strukturellen Schwierigkeiten, mit denen China konfrontiert ist.
Unter diesen strukturellen Entwicklungen leidet China:
- Bevölkerungsentwicklung: Anfang dieses Jahres gab die Regierung bekannt, dass die Bevölkerung um rund 850.000 auf 1,41 Milliarden Menschen gesunken ist. Die Zahl der Menschen in China wird auch in den kommenden Jahren sinken – bei weiterem Anstieg der Menschen im Rentenalter. Die demografischen Folgen der rund 40 Jahre lang verfolgten Ein-Kind-Politik werden kaum noch abzuwenden sein, auch wenn die Regierung die Regeln gelockert hat. Bevölkerungswachstum ist jedoch ein wesentlicher Faktor für Wirtschaftswachstum. Spiegelbildlich lastet der Bevölkerungsschwund auf den wirtschaftlichen Perspektiven. Der IWF warnt bereits vor einer geringeren Wirtschaftsdynamik in China.
- Arbeitskräftemangel: Wegen der schrumpfenden Bevölkerung droht der chinesischen Wirtschaft ein gravierender Mangel an Arbeitskräften. Gleichzeitig jedoch ist das Land schlecht darauf vorbereitet, diesen Rückgang durch eine stärkere und gezielte Anwerbung ausländischer Fachkräfte auszugleichen.
- Kapitalmarkt: Die chinesischen Finanzmärkte müssen im Vergleich zu anderen Märkten wie Europa oder USA eine höhere Risikoprämie bieten. Das liegt vor allem an der hohen Korruption, der fehlenden Rechtsstaatlichkeit, staatlicher Willkür und staatlich gelenkter Fehlallokation.
- Immobilienmarkt: Obwohl Anfang des Jahres Zeichen für eine Erholung zu erkennen waren, hält die Krise am chinesischen Immobilienmarkt an. Im Mai haben die Preise für Wohnimmobilien zwar angezogen, doch die Aktivität am Markt ging weiter zurück. Bei Gewerbeimmobilien sind sowohl die Preise als auch die Zahl der Transaktionen weiter rückläufig. Für das gesamte Jahr 2023 geht die Ratingagentur S&P davon aus, dass die Verkäufe von Immobilienentwicklern um 3 bis 5 Prozent sinken werden. Das ist immerhin eine leichte Verbesserung gegenüber dem zuvor prognostizierten Rückgang von 5 bis 8 Prozent.
So entwickelt sich die chinesische Bevölkerung
Angesichts dieser Belastungen sprachen manche Beobachter schon von einem „China Peak“ und meinen damit, dass der vierzigjährige Aufschwung im Land seinen Höhepunkt überschritten haben könnte. In der Tat haben alle richtungsweisenden Indizes für den chinesischen Aktienmarkt verloren. Der Hang-Seng-Index der Börse Hongkong etwa hat in den vergangenen zwölf Monaten 10,9 Prozent abgegeben, der den Inlandsmarkt repräsentierende Shanghai-A-Index um 2,2 Prozent.
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