Eine wirtschaftliche Krise kann beängstigend sein. Sie kann aber auch von der Hoffnung begleitet werden, dass sie nur von kurzer Dauer ist und es danach rasch wieder aufwärts geht. Ich habe im Sommer einige Tage in China verbracht und mehrere Provinzen besucht. Dort traf ich mich mit Beamten der Zentral- und lokaler Regierungen sowie mit Vertretern privater Unternehmen, um mir ein besseres Bild vom Weg zur Erholung zu machen. Wir sind angesichts der relativ knappen Bewertungen bei chinesischen Hartwährungsanleihen sowohl in Unternehmens- als auch in Staatsanleihen untergewichtet. Auf Lokalwährungsanleihen blicken wir neutral. 

Die Zentralregierung hat die Krise im Immobiliensektor gewissermaßen selbst herbeigeführt, indem sie mehrere Maßnahmen ergriffen hat, um die Korruption und die steigende Verschuldung zu bekämpfen. Mit der Einführung der „drei roten Linien“ und einer Anti-Korruptionskampagne sollten Exzesse in der Wirtschaft auf kontrollierte Weise beseitigt werden.

Chinesischer Sonderweg zur konjunkturellen Erholung

Ich konnte beobachten, dass sich das Krisenmanagement und der Weg zur Erholung in China von dem Vorgehen anderer Volkswirtschaften unterscheidet. Ausgewählte Makrodaten wie das Wirtschaftswachstum oder die Exportstatistiken deuten darauf hin, dass sich das Land erholt. In verschiedenen Wirtschaftssektoren, denen die Regierung Priorität einräumt, ist ein positiver Trend zu beobachten. Diese Zahlen stehen jedoch in krassem Gegensatz zur Stimmung vor Ort und zur schwachen Verbrauchernachfrage. 

Die chinesische Regierung hat einen nachvollziehbaren Plan vorgelegt, wie sich das Land wirtschaftlich erholen kann. Die Linie ist klar: Der Rückgang im Immobiliensektor, der das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 3,7 Prozent schmälerte, wurde durch einen Aufwind in den Hightech-, Umwelt- und Digitalsektoren mehr als ausgeglichen. Diese trugen in diesem Jahr 5,7 Prozent zum BIP-Wachstum bei. Dazu gehören Solarzellen und Lithiumbatterien, deren Exporte im Jahresvergleich um weit mehr als 20 Prozent steigen. Dies scheint jedoch nicht die Gemütslage vor Ort widerzuspiegeln.

 

Weiteres Exportwachstum hat seinen Preis

Das liegt erstens daran, dass in bestimmten Sektoren die Erholung der Exporte mit niedrigeren Kosten und sinkenden Margen verbunden ist. Zahlreiche Staatsbedienstete haben Gehaltskürzungen hinnehmen müssen. Staatliche Unternehmen können einem größeren Margendruck standhalten als private Firmen, um die Ziele der Regierung zu erreichen. 

Es ist ein wichtiges politisches Ziel, das Exportwachstum aufrecht zu erhalten. Dies erklärt zum Teil, warum das chinesische Exportvolumen in die EU und die USA trotz steigender Zölle weiter zunimmt. Da steigende Ausfuhren nach wie vor eine Priorität der Regierung darstellen, rechnen wir nicht mit einer aggressiven Reaktion Chinas auf höhere Zölle – weder in Form einer drastischen Währungsabwertung (die dem längerfristigen Weg des Renminbi zur Reservewährung schaden würde) noch in Form von Gegenmaßnahmen, die zu Produktengpässen führen könnten.

Zweitens ist zu beachten, dass sich das Land auch abhängig von der gedrückten Lage im privaten Sektor entwickelt. Ausländische Unternehmen sind zwar weniger von Kostensenkungen und Margendruck betroffen, spüren aber immer noch die wachsende Belastung durch die Bürokratie. Es ist nicht verwunderlich, dass auch Unternehmen in Privatbesitz keine Impulse für eine schnellere wirtschaftliche Regeneration geben.

Drittens besteht Misstrauen zwischen der Zentralregierung und den lokalen Regierungen. Dieses rührt von dem Anschein, dass letztere die großzügige Finanzierung in der Zeit vor der Coronapandemie schlecht verwaltet haben. Daher zögert Peking, ihnen mehr Mittel zukommen zu lassen, um den Rückgang der Einnahmen aus Grundstücksverkäufen durch den angeschlagenen Immobiliensektor teilweise auszugleichen.

Infolgedessen konzentriert sich die Zentralregierung entweder auf angebotsorientierte Anreize, um den Immobiliensektor zu stimulieren, indem sie die Kreditzinsen senkt und die Kreditvergabe an die Bauträger auf der „weißen Liste“ stimuliert, oder auf nachfrageorientierte Anreize. Dazu gehören geringere notwendige Kreditanzahlungen und die verbesserte Verfügbarkeit von Hypotheken. Das Problem ist jedoch: Diese Maßnahmen reichen einfach nicht aus, um eine robuste Erholung anzustoßen.

Strukturelle Herausforderungen für Chinas Wirtschaft

Es gibt auch strukturelle Hürden, die einer schnelleren chinesischen Erholung im Wege stehen. Eine davon betrifft die Überkapazitäten in bestimmten Sektoren und die mangelnde Konsolidierung. Statt zehn größerer privater Anbieter von Elektrofahrzeugen gibt es in China beispielsweise mehr als 200 Unternehmen in diesem Sektor. Das führt zu Preiskämpfen und Margenerosion.

Eine weitere Schwierigkeit stellt die Demografie dar. Diese geht über eine alternde Bevölkerung hinaus und umfasst auch die Leistungsunterschiede zwischen Schülern in ländlichen Gebieten und den Städten. Laut einer von Scott Rozelle von der Stanford University veröffentlichten Studie aus dem Jahr 2023 schneiden Schüler in ländlichen Gebieten bei gleichem Niveau der Bildungseinrichtungen in landesweiten Tests schlechter ab als ihre Altersgenossen in der Stadt.

Schließlich sorgen die anhaltenden geopolitischen Spannungen weltweiten für Misstrauen zwischen China und dem Westen. Dieses wirkt sich sowohl innerhalb Chinas als auch zwischen dem Land und seinen Handelspartnern negativ auf die Gefühlslage aus.

Nach wie vor starkes Wachstum

Was gibt inmitten dieses herausfordernden Umfelds Anlass für längerfristigen Optimismus? Dafür gibt es eine Reihe von Schlüsselfaktoren: Erstens ist die Arbeitsmoral in China die stärkste unter allen Schwellenländern, die ich besucht habe. Einige hochrangige Regierungsbeamte haben beispielsweise nur fünf Tage Urlaub im Jahr und sind daran gewöhnt, lange Arbeitszeiten und Sechs-Tage-Wochen fernab von zu Hause zu haben.

Unabhängig davon sind wir ermutigt durch das Marktverständnis und die wirtschaftliche Vision mehrerer Mitglieder des Politbüros wie Yuan Jiajun, dem Parteisekretär von Chongqing, und Chen Jining, dem Parteisekretär von Shanghai. Unserer Ansicht nach wird der Übergang noch mindestens fünf Jahre dauern. Derweil erwarten wir eine weiterhin langsame chinesische Erholung.

Wichtig ist dabei: Selbst bei einem langsameren Wachstumstempo erzielt China immer noch einen jährlichen BIP-Zuwachs in der Größenordnung des gesamten BIP-Wachstums der Europäischen Union und bleibt daher eine globale Kraft, mit der man rechnen muss.

Wenn ein Land eine Krise durchläuft und wirtschaftliche Schwierigkeiten unvermeidlich sind, neigen Investoren dazu, Wege zu finden, um von der Erholung zu profitieren und folglich teilweise zu einer schnelleren Normalisierung beizutragen. Chinas proaktives Krisenmanagement, das vor allem zu Beginn der Coronapandemie vorbildlich war, hat einen anderen Weg zur Regeneration geschaffen. Dieser bietet den Anlegern weniger Optimismus in Bezug auf hohe Renditen in naher Zukunft.

Auch wenn China vermutlich noch länger braucht, um sich zu erholen, als den Anlegern lieb ist: Es ist ebenso unwahrscheinlich, dass er zu einer hohen Volatilität der Vermögenspreise innerhalb oder außerhalb Chinas führen wird.

Über die Autorin:

Polina Kurdyavko © Bluebay

Polina Kurdyavko ist Leiterin von Bluebay Emerging Markets und Senior Portfoliomanagerin. Sie beaufsichtigt sämtliche Schwellenländerstrategien des Unternehmens und ist leitende Portfoliomanagerin für mehrere Flaggschiff-Fonds im Bereich Schwellenländeranleihen.