Mike Shiao von Invesco
Wachstumshunger in Chinas Kleinstädten
Aktualisiert am 17.03.2020 - 15:39 Uhr
Mike Shiao ist Anlagenchef für Asien bei Invesco Asset Management. Foto: Invesco
Der Konjunkturausblick für China ist langfristig gut, denn die Mittelschicht in kleinen Städten entdeckt den Konsum. Besonderen Wert legen Verbraucher auf Erlebnisse, Reisen und Essen.
Politische Initiativen wie eine Flexibilisierung des hukou, des staatlichen Meldesystems für Haushalte, treiben den Konsumanstieg in kleineren Städten weiter voran. Diese nutzen politische Veränderungen, um gut qualifizierte Menschen aktiv dazu zu bewegen, ihren Wohnsitz hierher zu verlegen. So hat Nanjing, die Provinzhauptstadt von Jiangsu in Ost-China, im März 2018 gezielt damit begonnen, bei unter 40-Jährigen mit einem Bachelor-Abschluss darum zu werben, sich in der Stadt offiziell zu registrieren. Die Kommunalregierung baut dieses Programm aus, indem sie den interessantesten neuen Einwohnern Wohnungssubventionen in Höhe von 3 Millionen Renminbi gewährt, um ihnen beim Umzug zu helfen....
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Politische Initiativen wie eine Flexibilisierung des hukou, des staatlichen Meldesystems für Haushalte, treiben den Konsumanstieg in kleineren Städten weiter voran. Diese nutzen politische Veränderungen, um gut qualifizierte Menschen aktiv dazu zu bewegen, ihren Wohnsitz hierher zu verlegen. So hat Nanjing, die Provinzhauptstadt von Jiangsu in Ost-China, im März 2018 gezielt damit begonnen, bei unter 40-Jährigen mit einem Bachelor-Abschluss darum zu werben, sich in der Stadt offiziell zu registrieren. Die Kommunalregierung baut dieses Programm aus, indem sie den interessantesten neuen Einwohnern Wohnungssubventionen in Höhe von 3 Millionen Renminbi gewährt, um ihnen beim Umzug zu helfen. Außerdem können alle Universitätsabsolventen, die zu Bewerbungsgesprächen nach Nanjing reisen, 1.000 Renminbi bekommen, um die Kosten zu decken.
Rasches Einkommenswachstum
In kleineren Städten wächst die Wirtschaft gemeinhin schneller. Beispielsweise betrug das Wirtschaftswachstum in den Großstädten Peking und Shanghai 2018 jeweils 6,6 Prozent. In den kleineren Städten Chengdu und Xi’an wuchs die Wirtschaft hingegen um 8 beziehungsweise 8,2 Prozent. Das ist mehr als in den Tier-1-Städten und auch mehr als im Landesdurchschnitt. Das schnellere Wirtschaftswachstum in den weniger entwickelten Regionen hat auch zu einem schnelleren Einkommenswachstum geführt. So sind die verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen in den ländlichen Regionen 2018 um 8,8 Prozent gestiegen. In den Städten lag der Wert nur bei 7,8 Prozent.
Auch hat die Entwicklung der Immobilienpreise relativ zu den Einkommen Auswirkungen auf den Konsum – in großen wie in kleinen Städten. Zwar gibt es oft eine positive Korrelation zwischen Immobilienpreisen und Konsum, doch können hohe Hypothekenzahlungen den Konsum dämpfen. Wir meinen, dass bezahlbarer Wohnraum und verfügbare Einkommen in den kleineren chinesischen Städten ausgewogen sind.
Bessere Erreichbarkeit
Chinas kleinere Städte sind heute besser angebunden und auch besser vernetzt, was gut für den Konsum ist. Pläne für städtische Ballungsräume, eine bessere Verkehrsinfrastruktur und bessere Kommunikationsnetze sorgen für eine effizientere Lieferung von Gütern und Dienstleistungen an kauffreudige Verbraucher in diesen Städten. Das kann eine aufgestaute Nachfrage freisetzen.
Die chinesische Zentralregierung plant zahlreiche urbane Ballungsräume, von denen drei bis 2020 Metropolregionen auf Weltniveau werden sollen: die Greater Bay Area im Perlflussdelta mit Hongkong, Shenzhen, Guangzhou und Macau als größten Städten, das Jangtse-Delta mit den wichtigsten Städten Shanghai, Suzhou und Hangzhou und Jing-Jin-Ji, bestehend aus Peking, Tianjin und der Provinz Hebei. Dort legt man großen Wert auf regionale Wirtschaftsentwicklung und Beschäftigungsmöglichkeiten, und es werden Infrastrukturprojekte aufgelegt, um die Entwicklung voranzubringen. Die politische Führung des Landes hat erklärt, dass diese Ballungsräume „Netzwerke aus Städten und Gemeinden“ schaffen und die „koordinierte Entwicklung von Städten unterschiedlicher Größe einschließlich kleiner Gemeinden“ ermöglichen sollen. Wir glauben, dass dies den politischen Willen zu einer rascheren Urbanisierung bestätigt und die kleineren Städte ebenfalls von raschem Wachstum und einer schnellen Entwicklung profitieren werden.
China möchte sein Hochgeschwindigkeitsschienennetz verbessern, was ebenfalls zum Wachstum kleinerer Städte beitragen dürfte. Ende 2012 gab es in China nur 9.356 Kilometer Hochgeschwindigkeitsstrecken. Sechs Jahre später war das Streckennetz auf 29.000 Kilometer angewachsen. Durch den Ausbau des Hochgeschwindigkeitsnetzes lassen sich viele der wichtigsten großen Städte jetzt von den kleineren Städten leicht erreichen, was den Einwohnern neue Beschäftigungs- und Freizeitmöglichkeiten eröffnet. In der Greater Bay Area zum Beispiel können die Einwohner der kleineren Stadt Foshan leicht für Arbeit oder Freizeitaktivitäten nach Hongkong oder Shenzhen fahren, da diese Tier-1-Städte nur 70 Bahnminuten entfernt sind. Und die Bewohner von Nanjing, die früher fünf Stunden bis nach Shanghai brauchten, schaffen dies jetzt mit dem neuen Hochgeschwindigkeitszug in einer guten Stunde.
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