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„Diese Reformen würden private Altersvorsorge voranbringen“
DAS INVESTMENT: Hat es Sie überrascht, dass die angekündigte Reform der privaten Altersvorsorge nicht mehr in der eigentlich noch bis Ende 2025 laufenden Legislaturperiode kommen wird?
Christian Nuschele: Nein. Aussagen von Politikern der Regierungsparteien hatten auch schon vor dem Ampel-Aus vermuten lassen, dass die Reform in dieser Legislaturperiode schwierig geworden wäre. Es war leider damit zu rechnen, dass die Reform der privaten Altersvorsorge nicht so schnell verabschiedet werden wird.
Sie sagen leider. Wie bewerten Sie aber die Chancen dafür, dass die vorliegenden Pläne für das sogenannte Altersvorsorgedepot noch im Jahr 2025 unter einer Großen Koalition beschlossen werden?
Nuschele: Das hängt davon ab, welche Priorität der Reform der privaten Altersvorsorge eingeräumt wird. Die Reform ist schon lange überfällig und sehr wichtig. Entsprechend hoffe ich, dass das Thema direkt angegangen wird. Leider sieht es in den Wahlprogrammen aber nicht unbedingt danach aus.
Aber wann dürfte eine große Rentenreform dann hierzulande wieder auf die Tagesordnung kommen? Die finanzielle Vorsorge für den Ruhestand muss doch dringend gestärkt werden, wie Sie selbst gesagt haben.
Nuschele: Vollkommen richtig. Die finanzielle Vorsorge muss gestärkt werden. Ein wichtiger Aspekt ist es dabei, die Menschen dazu zu ermutigen, privat fürs Alter vorzusorgen. Ein Hebel hierfür ist natürlich eine attraktive und wenig bürokratische Förderung vonseiten des Staates. Auch hier waren im Reformvorschlag sehr gute Ansätze, aber bei Geringverdienern gab es auch noch Verbesserungsbedarf. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wird in der nächsten Legislaturperiode aber auch über eine Reform der gesetzlichen Rente diskutiert werden müssen.
Hierzu hatte die Ampelkoalition den Einstieg in das sogenannte Generationenkapital gewagt, der allerdings sehr zaghaft ausfiel. Wie beurteilen Sie insgesamt die vorgelegten Pläne für mehr Aktien-Investments bei der Rente?
Nuschele: Das Volumen zum Einstieg in das Generationenkapital war zu gering, um eine nachhaltige Veränderung herbeizuführen. Das geplante Vorsorgedepot hätte deutlich mehr zur Stärkung der Aktienkultur beigetragen. Grundsätzlich sind die Vorschläge der Fokusgruppe private Altersvorsorge besser als alles, was in den Vorjahren auf dem Tisch lag. So ist beispielsweise keine Pflicht zur Garantie der eingezahlten Beiträge enthalten, was renditestarke Investments erlaubt. Das ist ein Zeichen für einen Bewusstseinswandel in der Politik. Bisher werden nur Garantieprodukte staatlich gefördert. Und ich habe auch nichts dagegen, wenn es dadurch einen direkten Wettbewerb zwischen Fondsgesellschaften und Versicherern gibt.
Deren Branchenverbände BVI und GDV liegen noch im Clinch darüber, ob es weiterhin eine Pflicht zur Verrentung des bis zum Ende der Ansparphase aufgelaufenen Vermögens geben soll oder ob auch reine Auszahlpläne bis zum Endalter 85 reichen.
Nuschele: Obwohl ich einen Lebensversicherer vertrete, habe ich keine Probleme mit Auszahlplänen. Ich warne nur vor dem finanziellen Risiko, das nach Erreichen des 85. Lebensjahres drohen könnte. Das gilt insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen, die in ihrem Berufsleben kaum weiteres Vermögen ansparen können. Deshalb sollte es neben einem zeitlich begrenzten Auszahlplan immer auch eine lebenslange Rente geben. Sie gibt Sparern das sichere Gefühl, bis zum Lebensende finanziell abgesichert zu sein. Mein Kritikpunkt ist vielmehr, dass der Beratungsbedarf, der dann zum Rentenalter entsteht, sehr komplex ist. Der Entwurf sagte aber überhaupt nichts dazu, wie sichergestellt werden soll, dass die fundierte Beratung stattfindet und auch finanziert werden kann.
Hallo, Herr Kaiser!
Was könnte die neue Regierung hingegen eins zu eins aus den Plänen der Fokusgruppe übernehmen, wenn Sie drei Wünsche freihätten?
Nuschele: Ich würde mir wünschen, dass zumindest einige der vorliegenden Pläne von der neuen Regierung aufgegriffen werden. Die Förderung der Investment-orientierten Vorsorge, der Verzicht auf eine 100-prozentige Beitragsgarantie und die Flexibilisierung in der Rentenphase waren sehr gute Reformideen. Sie würden die private Altersvorsorge in Deutschland deutlich voranbringen.
Aber ist das auch den heutigen Beschäftigten bewusst? Braucht es nicht auch noch einen starken Vertrieb, um solche neuen Standard-Vorsorgeprodukte an den Mann oder die Frau zu bringen?
Nuschele: Auf jeden Fall bleibt unabhängige Beratung sehr wichtig, denn die Entscheidung für mehr private Altersvorsorge muss gut unterstützt werden. Selbst wenn es ein neues Standard-Vorsorgeprodukt geben sollte, bleibt ja die Frage, ob es tatsächlich für den Kunden die beste Lösung ist oder ob andere staatlich geförderte Produkte wie die betriebliche Altersvorsorge oder eine Basisrente gegebenenfalls geeigneter sind. Zusätzlich stellt sich die Frage, ob Depot oder Police beziehungsweise Auszahlplan oder Rente die passende Lösung ist. Und es waren diverse Wechselmöglichkeiten für den Kunden vorgesehen. Auch bei den Plänen der Fokusgruppe wäre unabhängige Beratung dringend erforderlich gewesen.
Inwiefern könnte der Einsatz von Künstlicher Intelligenz, kurz KI, die Arbeit der Finanzberater erleichtern?
Nuschele: Es ist heute zwar schon viel über KI möglich, aber ich sehe in der Finanzberatung noch wenig konkrete Anlässe für die KI. Es gibt in unserem Arbeitsalltag noch immer zwei große Herausforderungen für KI: erstens das Thema Datenschutz und zweitens, dass nur Teilsysteme betrachtet werden. Dennoch gibt es natürlich Einsatzmöglichkeiten für die KI. Beispielsweise kann ich mir KI im Schadenmanagement der Sachversicherer mit geringwertigen Verträgen gut vorstellen. KI bietet der Assekuranz eine Riesenchance in Zeiten des Fachkräftemangels. Sie kann bereits heute Standardaufgaben wie Vertragsänderungen automatisch bearbeiten. Doch wenn es komplexer wird, muss noch immer ein Mensch ran: Hoch qualifizierte Kreativaufgaben wie die Produktentwicklung kann die KI nicht übernehmen. Ein ähnliches Beispiel ist das ganze Thema Ruhestandsplanung, das unsere Vertriebspartner sehr individuell bearbeiten.
Worin unterscheidet sich für Sie die Ruhestandsplanung von der Beratung zur Altersvorsorge?
Nuschele: Vereinfacht gesagt geht es bei der Altersvorsorge zunächst um folgende Frage: Wie viel Geld muss ich vor der Rente ansparen, um meine Finanzlücke im Rentenalter zu schließen? Es geht also um den Vermögensaufbau und das Ansparen. Bei der Ruhestandsplanung steht die Organisation des Vermögens im Alter und das Entsparen im Fokus. Dabei geht es um folgende Fragen: Was mache ich mit meinem Ersparten? Wie lege ich Geld an, das ich in wenigen Jahren benötigen könnte? Und welchen Teil meines Vermögens will ich später einmal vererben? Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist die Ruhestandsplanung ein Segment, das für Beraterinnen und Berater sehr großes Potenzial bietet.
Über den Interviewten:
Christian Nuschele ist Vertriebs- und Marketing-Chef des Lebensversicherers Standard Life in Deutschland. Das zur britischen Phoenix Group gehörende Unternehmen bietet seit 1996 auch hierzulande Investment- und Versicherungsprodukte zur Geldanlage, Vermögensstrukturierung und Ruhestandsplanung an. Die deutsche Niederlassung in Frankfurt gehört zusammen mit der Betriebsstätte in Graz zu Standard Life International DAC mit Sitz in Dublin. Dort ist Standard Life seit 1834 am Markt und derzeit mit mehr als 600.000 Versicherungsverträgen der zweitgrößte Versicherer Irlands. Seit 2018 ist Standard Life Teil der Phoenix Group, gegründet 1782 und mit rund 10 Millionen Versicherungsverträgen einer der größten Lebensversicherer Europas.