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Silicon Valley Bank: Die 3 Hauptgründe für den Bankenkollaps

Mit der Silicon Valley Bank (SVB) ist binnen weniger Tage eine Top 20 Bank der USA (gemessen an der Bilanzsumme) kollabiert. Rapide Mittelabflüsse durch Einleger zwangen die Bank am 9. März, eine Kapitalerhöhung von 2 Milliarden US-Dollar anzukündigen. Der Kurs stürzte von umgerechnet etwa 254 Euro (Schlusskurs 8. März) über 148 Euro am 9. März bis auf 41 Euro am 10. März.
Die Angst einer Ansteckung im Bankensystem riss die Börsenkurse weiterer Banken, auch in Deutschland, mit sich. Inzwischen hat sich die US-Regierung dazu entschieden, sämtliche Einlagen unbegrenzt zu garantieren. Vorgesehen sind eigentlich nur die 250.000 Dollar.
Dies sollte ein wirksamer Schutz vor einem Bank Run auf weitere Institute sein. Im Gegensatz zur Finanzkrise sollen aber dieses Mal die Gläubiger nicht entschädigt werden, so dass deutlich vor Augen geführt wird, welche gesamtwirtschaftlichen Risiken Banken mit sich bringen können.
Spezielles Geschäftsmodell, Löcher im Riskmanagement
Sehen wir nun der Beginn einer Finanzkrise 2.0 oder handelt es sich um spezifische Probleme, die zu den dramatischen Ereignissen geführt haben? Beginnen wir bei den Maßnahmen, die eigentlich verhindern sollen, dass es zu Bankenpleiten kommt: Das Scheitern der SVB geht Hand in Hand mit dem Scheitern des Risikomanagements und dem Scheitern der drei Verteidigungslinien der Bank.

Das Scheitern der ersten Verteidigungslinie zeigt sich durch die Risikobereitschaft der SVB beziehungsweise deren Konzentration von Anlagen in zinssensitiven Instrumenten und der Verbindlichkeiten. Auf der Aktivseite standen hauptsächlich Forderungen gegenüber Start-ups, die per se ein höheres Bonitätsrisiko haben als etablierte Unternehmen. Dazu kommt noch die spezifische Art der vergebenen Kredite, die oftmals unbesichert waren.
Die zweite Verteidigungslinie scheiterte ebenfalls, da die von den Aufsichtsbehörden auferlegten Mindeststandards nicht ausreichend streng waren – auch als Folge der Absenkung der Standards in den Jahren der Trump-Regierung. Zudem wurden bewährte Praktiken des Asset Liability Managements und des allgemeinen Risikomanagements nicht oder nur kaum eingehalten.
Auch die dritte und letzte Verteidigungslinie, die interne und externe Revision, hat versagt, da sie weder Bewertungen vorgenommen, noch Korrekturmaßnahmen an die Bank weitergegeben hat. In Anbetracht aller Entwicklungen wird das größte Versagen der SVB deutlich – die Unternehmensleitung hat es versäumt, die Risikokultur in der Bank zu fördern und keine Maßnahmen zur Ermittlung und Steuerung des Risikoprofils ergriffen.
Lehren aus dem Crash
Das Bankgeschäft fußt auf Vertrauen – dieses wurde mit der Pleite der SVB verspielt. Insbesondere hängt es aber vom adäquaten Risikomanagement ab und im vorliegenden Fall von der Fristentransformation der Verbindlichkeiten und der Steuerung der Inkongruenz zwischen den Laufzeiten von Verbindlichkeiten und Vermögenswerten. Dieses muss ebenso solide gemanagt werden, wie auch das Zinsänderungsrisiko des Bankbuchs. Kundeneinlagen können abfließen – auch ein größerer Mittelabfluss gehört zum Tagesgeschäft einer jeden Bank. Geldhäuser, die ein gutes und organisiertes Risikomanagement haben, werden hier keine Probleme wie die SVB haben.

1.200% Rendite in 20 Jahren?
Welche Auswirkungen haben die Geschehnisse nun auf Banken in Europa? Auch Institute in Europa leiden unter den aktuellen Sprüngen des Leitzinses, der ihre Anleiheanlagen belastet – insbesondere die der SVB zum Verhängnis gewordenen, eigentlich sicheren Staatsanleihen. Auch wenn diese eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung haben, ist ihr derzeitiger Marktwert durch das höhere Zinsniveau reduziert.
Dieses wird aber insbesondere von den Banken in Europa schon dargestellt – so gibt es vermehrt Häuser, die teilweise große Abschreibungen auf Ihr Anlageportfolio durchführen müssen beziehungsweise schon mussten. Auch die Regulatorik ist in Europa strenger, Risiken wie bei der SVB schlummern bei etablierten Häusern nicht. Letztendlich sind auch die meisten Bankbücher besser diversifiziert. Infolgedessen ist auch die Gefahr, insbesondere für Banken in Europa eher als gering einzuschätzen.
Der Traum vom Stablecoin – nächster Dämpfer
Zu den Verlierern der Lage gehören zunächst Start-ups in der westlichen Welt. Die Bauchlandung im Silicon Valley wird dazu führen, dass die Finanzierung bis auf Weiteres entlang strengerer Vorgaben erfolgen wird. Für das Silicon Valley, den Innovationsmotor der stärksten Volkswirtschaft, dürfte der März 2023 somit eine Zäsur darstellen.
Ferner erlebte mit dem USD Coin auch der zweitgrößte Stablecoin einen gravierenden Einschlag: Silicon Valley Bank, wie auch die anderen geschlossenen Institute Signature und Silvergate, waren eng mit dem Coin verbunden. Stablecoin-Anbieter Circle war mit Einlagen von 8 Milliarden Dollar mit regionalen US-Banken verflochten. Diese Verbindungen bringen zusätzliche Risiken in den Markt. Einmal mehr funktionierte das vorgesehene Arbitrage-Konzept nicht mehr, konnte nur mit Mühe abgesichert werden. Diese Interdependenzen dürften den Regulator stärker denn je auf den Plan rufen.
Vorsicht ist geboten
Klar ist nun, dass die weiteren Entwicklungen scharf verfolgt werden – sowohl in der Politik (wo sich Christian Lindner geäußert hat, dass er keinen Zweifel an der Stabilität der Banken habe), als auch bei der EZB. Bisher gehen die meisten Marktteilnehmer davon aus, dass die antizipierte Leitzinserhöhung derzeit nicht in Gefahr ist. Das spricht dafür, dass auch die EZB die Stabilität nicht in Gefahr sieht.
Doch klar ist auch – Zinsschritte in beide Richtungen bergen Risiken. Die Gefahr einer Ansteckung ist da, wenn auch weniger durch einen möglichen Bank Run durch die Einleger, wohl aber durch einen Vertrauensverlust unter den Banken. So reicht eine einzelne Ankündigung eines Anteilseigners bei der Credit Suisse derzeit aus, um die Aktie auf Talfahrt zu schicken und den Staat zu massiven Garantiezusagen zu zwingen.
Wir sind der Meinung, dass geeignete Instrumente für das Risiko- und Geschäftsmanagement für ein umsichtiges, effizientes und rentables Bankgeschäft unerlässlich sind. Gleichzeitig sind wir überzeugt, dass kein Tool solide Governance-Prinzipien innerhalb der Bank ersetzen kann.
Über den Autor:
Christian Piller beobachtet die Entwicklungen in der europäischen Finanzwelt als Fachmann für Riskmanagement bei Aryza. Das 2002 gegründete Unternehmen mit Hauptsitz in Dublin ist heute ein weltweit aktiver Anbieter von Software für den gesamten Kreditlebenzyklus: Von der Kreditvergabe über das Forderungsmanagement, bis hin zum Inkasso und der Insolvenzabwicklung für Unternehmen und Banken, einschließlich Kundendatenerfassung, -verwaltung und Zahlungsverarbeitung.