


Christian Schneider-Sickert ist ein Mann, der gerne Grenzen überschreitet – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Mit 14 Jahren zog es den gebürtigen Deutschen auf das prestigeträchtige Eton College nach England. „Ich wollte immer etwas machen, was über das Normale hinausgeht“, erinnert er sich. Danach ging Schneider-Sickert, der heute mit einer Engländerin verheiratet ist, nach Oxford.
An der altehrwürdigen Universität studierte er Arabistik, gründete sein erstes Unternehmen und verbrachte viel Zeit im Nahen Osten.
Eine prägende Phase, nicht nur wegen eines schweren Autounfalls im Jemen, den er nur knapp überlebte. Sein Freund sitzt seitdem im Rollstuhl, er selbst kam weitgehend mit dem Schrecken davon. „Das prägt schon, wenn du siehst, wie zufällig sich das Leben von einer Sekunde auf die andere verändern kann“, sagt er rückblickend.
Gestalten statt Korsett
Der Unfall war ein Wendepunkt, der auch seinen Drang erklärt, Neues zu wagen. Dinge selbst anzupacken und zu gestalten. Nach einem Abstecher in die Strategieberatung und einem Master-Abschluss in Harvard heuerte Schneider-Sickert bei der Investmentbank Goldman Sachs an. Es war eine lehrreiche Erfahrung, aber langfristig nicht befriedigend. „Dort wurde mir sehr klar gesagt, was ich zu tun hatte. Das war für mich auf Dauer ein zu enges Korsett.“
Mehr Gestaltungsspielraum fand Schneider-Sickert beim Medienkonzern Bertelsmann, wo er in verschiedenen Führungspositionen arbeitete und schließlich bis in den Bereichsvorstand aufstieg. Er verantwortete internationale Entertainment-Formate und trieb die Digitalisierung voran. „Da habe ich gelernt, wie man Ideen entwickelt, Teams zusammenstellt und Projekte verwirklicht", erzählt er. Fähigkeiten, von denen er noch oft profitieren sollte. Doch auch hier stellte sich heraus: Je höher man kommt, desto weiter entfernt man sich vom operativen Geschäft.
Inspiration aus England
Eine Erkenntnis aus seinem Privatleben brachte dann die entscheidende Idee zur eigenen Gründung: Schneider-Sickert war durch seinen beruflichen Aufstieg zu Vermögen gekommen, ohne reich zu sein. Zu groß für die Bank um die Ecke mit ihren standardisierten Produkten, zu klein für die elitäre Privatbank.
Als Mitte der 2010er in England die ersten digitalen Vermögensverwalter Furore machten, reifte in ihm die Idee, dieses Konzept nach Deutschland zu bringen – und für eine breitere Zielgruppe zu öffnen.
„Diese Dienste kombinierten die Zugänglichkeit des Internets mit hochwertigen Finanzdienstleistungen. Das fand ich irre spannend. Ich wollte eine Plattform schaffen, welche die Anlageprinzipien großer Familienvermögen bereits für Kunden mit sechsstelligen Summen zugänglich macht“, beschreibt Schneider-Sickert seinen Ansatz.
Gemeinsam mit dem Multi Family Office HQ Trust gründete er Liqid, 2022 holte er sich die LGT als Partner an seine Seite. Er wollte das traditionelle Private Banking auf seine Art ins digitale Zeitalter hieven.
Nicht nur Algorithmen
Das Herzstück von Liqid ist eine digitale Vermögensverwaltung, die weltweit in Aktien und Anleihen investiert, sowohl über kostengünstige Indexfonds als auch über aktive Strategien. Darüber hinaus können sich Kunden an alternativen Assets wie Private Equity, Private Real Estate und Venture Capital beteiligen – mit vergleichsweise überschaubaren Mindestanlagesummen im fünfstelligen Bereich. „Wir wollen den Zugang zu Anlagen demokratisieren, die sonst nur institutionellen Investoren oder Ultra-High-Net-Worth-Individuen offenstehen“, betont der Unternehmer.
Anders als viele Wettbewerber setzt Liqid nicht nur auf Algorithmen, sondern auch auf den persönlichen Kontakt. „Wir sind Ansprechpartner auf Augenhöhe für unsere Kunden“, sagt der Firmenchef. Zu denen zählen neben gut verdienenden Unternehmern, Freiberuflern und Führungskräften zunehmend auch Berufssportler und Künstler. Altersmäßig liegen die meisten zwischen 40 und 60 Jahren.
„Einige unserer Kunden fühlen sich von der alten Private-Banking-Welt nicht mehr richtig angesprochen. Bei uns finden sie digitale Freiheit und können alles über ein Dashboard steuern, aber auch mit einem Berater sprechen.“
Ein Konzept, das ankommt. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben mehr als 8.000 Kunden, die dem Fintech im Schnitt 300.000 Euro anvertrauen. Insgesamt liegt das verwaltete Vermögen bei über 2,5 Milliarden Euro. Unterm Strich ist das Unternehmen damit noch nicht profitabel. Ende 2025 erwartet Schneider-Sickert jedoch den Break-even für sein Unternehmen.
Schub durch private Markerts
Ein wichtiger Wachstumstreiber soll künftig das Geschäft mit Private Markets werden. 90 Prozent der Wirtschaft seien nicht an Börsen gelistet, dabei finde hier ein Großteil der globalen Wertschöpfung statt, argumentiert Schneider-Sickert im Gespräch. „Hierzulande ist die Anlageklasse noch völlig unterentwickelt. In den USA hingegen ist bereits jeder zweite vermögende Privatanleger in Private Markets investiert, in Deutschland sind es nicht einmal 10 Prozent.“ Ein Missverhältnis, das er ändern will.
Im April sammelte ein hierzu lancierter Venture-Capital-Dachfonds von Liqid 130 Millionen Euro ein, der direkt in Zielfonds großer VC-Manager wie Sequoia, Khosla oder Andreessen Horowitz investiert.
Ebenfalls überzeugt ist der 50-Jährige vom langfristigen Renditepotenzial von Private Equity. Die Anlageklasse habe über die vergangenen 20 Jahre nach Kosten eine durchschnittliche Wertentwicklung von 14,5 Prozent erzielt, rechnet er vor.
Die Top-Fonds seien sogar auf 20 bis 25 Prozent gekommen. „Anders als bei Aktien gibt es bei Private Equity eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ein Manager, der mit seinem letzten Fonds unter den
besten 25 Prozent war, auch mit seinem nächsten Fonds wieder zu den Besten gehören wird“, erläutert er.
Private Equity als Sparplan
Um dieses Potenzial für eine breitere Anlegerschicht zu heben, setzt Schneider-Sickert große Hoffnungen in die Novelle zum „European Long Term Investment Fund“, kurz Eltif, die zum 10. Januar dieses Jahres in Kraft getreten ist. Diese soll Privatanlegern den Zugang zu Risikokapital erleichtern, indem sie Mindestanlagesummen absenkt und das Regelwerk an einigen Stellen deutlich entschlackt.
Liqid hat im Mai gemeinsam mit dem US-Vermögensverwalter Neuberger Berman ein solches Eltif-Angebot namens Nxt lanciert, mit dem Kunden bereits ab fünfstelligen Beträgen Zugang zu Private-Equity-Beteiligungen bekommen. Eine Besonderheit: Die Einlagen der Liqid-Kunden werden nicht wie häufig üblich in einen Dachfonds investiert, sondern fließen als Co-Investment direkt in die ausgewählten Unternehmen.
In den nächsten Monaten und Jahren soll auf diese Weise ein breit aufgestelltes Portfolio aus rund 100 Firmenbeteiligungen aufgebaut werden. Zudem können Anleger ihr Geld nicht nur einmalig investieren, sondern auch monatlich über einen Sparplan einlaufen lassen. Die Erlöse aus den Investments sollen kontinuierlich reinvestiert werden, um die bestmögliche Rendite zu erwirtschaften.
Natürlich hat ein solches Produkt seinen Preis: Die Verwaltungsgebühr von Liqid Nxt liegt bei jährlich rund 2,5 Prozent, weiterhin gibt es ab einer Mindestrendite von 8 Prozent zusätzliche Erfolgsgebühren für die Fondsmanager.
„Die Eltif-2.0-Novelle ist für uns eine große Chance"
Schneider-Sickert selbst rechnet jedoch mit jährlichen Renditen von etwa 12 Prozent – nach Kosten natürlich. Für den Liqid-Gründer kam die Eltif-Reform genau zum richtigen Zeitpunkt.
„Die Eltif-2.0-Novelle ist für uns eine große Chance", sagt Schneider-Sickert. Private Markets für alle – was wie eine Werbebotschaft klingt, ist für den Unternehmer ein Herzensanliegen. Er schätzt an der Anlageklasse das Unternehmerische und die Möglichkeit, aktiv Mehrwert für Portfoliofirmen und damit letztlich für die eigenen Kunden zu schaffen.
„Auf lange Sicht kommt mehr Geld bei den nicht börsennotierten, kleineren und mittelständischen Unternehmen an, die unglaubliche Potenziale aufweisen.“ Er ist überzeugt: In einem volatilen
wirtschaftlichen Umfeld bringt Private Equity nicht nur aussichtsreiche Renditen, sondern auch Stabilität in das Portfolio.
Die Welt gehört denen, die nach den Chancen des Lebens greifen. Das lernte Schneider-Sickert als Jugendlicher, als es ihn nach England verschlug. Und auch bei seinen Reisen in den Nahen Osten. Es sind Prägungen, die bis heute nachwirken. Denn sein Weg war selten geradlinig, aber stets getrieben von einem konstanten Streben, Potenziale zu heben.