Ifo-Präsident Clemens Fuest
Digitalisierung und Steuerpolitik
Clemens Fuest ist Präsident des Ifo-Instituts in München. Foto: Ifo-Institut
Die Digitalisierung führt in vielen Bereichen der Wirtschaft zu einem tiefgreifenden Wandel. Das Erfassen und Verarbeiten von Daten spielt eine wachsende Rolle, immaterielle Wirtschaftsgüter werden für die Wertschöpfung immer bedeutender, neue Geschäftsmodelle entstehen, die Grenze zwischen Güter- und Dienstleistungshandel wird unschärfer und Wettbewerbsmärkte verändern sich.
Hinzu kommt, dass eine unilateral eingeführte Steuer auf Umsätze von Digitalunternehmen vor allem von Seiten der USA als protektionistische Maßnahme verstanden werden muss. Diese Politik wäre ähnlich zu bewerten wie die Einführung von Zöllen auf Stahl oder Autos, die Donald Trump vorantreibt. Eine europäische Digitalsteuer könnte ein nützliches Instrumentn einem Handelskonflikt mit den USA sein. Sie müsste dann aber ausschließlich auf US-Unternehmen angewendet werden, nicht auf die gesamte Digitalwirtschaft, wie derzeit geplant. Für den Normalfall und als Instrument für eine ordnungsgemäße Besteuerung der Digitalwirtschaft ist diese Steuer ungeeignet.
Das Konzept der digitalen...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Hinzu kommt, dass eine unilateral eingeführte Steuer auf Umsätze von Digitalunternehmen vor allem von Seiten der USA als protektionistische Maßnahme verstanden werden muss. Diese Politik wäre ähnlich zu bewerten wie die Einführung von Zöllen auf Stahl oder Autos, die Donald Trump vorantreibt. Eine europäische Digitalsteuer könnte ein nützliches Instrumentn einem Handelskonflikt mit den USA sein. Sie müsste dann aber ausschließlich auf US-Unternehmen angewendet werden, nicht auf die gesamte Digitalwirtschaft, wie derzeit geplant. Für den Normalfall und als Instrument für eine ordnungsgemäße Besteuerung der Digitalwirtschaft ist diese Steuer ungeeignet.
Das Konzept der digitalen Betriebsstätte
Das Konzept der digitalen Betriebsstätte ist ein Ansatz zur Besteuerung der Digitalwirtschaft, der den Vorteil hat, prinzipiell mit den grundlegenden Regeln internationaler Besteuerung vereinbar zu sein.
Grundsätzlich geht es beim Betriebsstättenbegriff um die Frage, unter welchen Umständen ein Unternehmen in einem Land, in dem es im steuerrechtlichen Sinn nicht ansässig ist, trotzdem verpflichtet ist, eine Ertragssteuererklärung abzugeben. Das ist nach den bestehenden Regeln zur internationalen Besteuerung dann der Fall, wenn das Unternehmen in einem Land eine Betriebsstätte unterhält. Dass ein Unternehmen durch den Export von Dienstleistungen oder Waren in ein anderes Land viel Geld verdient, ist dagegen kein hinreichender Grund für eine Ertragsbesteuerung in dem betreffenden Land.
Im deutschen Steuerrecht definiert §12 der Abgabenordnung die Betriebsstätte als „jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Als Betriebstätten sind insbesondere anzusehen:
- die Stätte der Geschäftsleitung,
- Zweigniederlassungen,
- Geschäftsstellen,
- Fabrikations- oder Werkstätten,
- Warenlager,
- Ein- oder Verkaufsstellen,
- Bergwerke, Steinbrüche oder andere stehende, örtlich fortschreitende oder schwimmende Stätten der Gewinnung von Bodenschätzen,
- Bauausführungen oder Montagen, auch örtlich fortschreitende oder schwimmende, wenn
- a) die einzelne Bauausführung oder Montage oder
- b) eine von mehreren zeitlich nebeneinande besth enden Bauausführungen oder Montagen oder
- c) mehrere ohne Unterbrechung aufeinander folgende Bauausführungen oder Montagen länger als sechs Monate dauern.“
Dieser Ansatz wirft allerdings verschiedene Schwierigkeiten auf. Daten von Kunden und deren Interaktion spielen für viele Geschäftsmodelle eine wichtigen Rolle, die man nicht zur Digitalwirtschaft im engeren Sinne zählen würde. Automobilproduzenten beispielsweise sammeln in großem Umfang Daten über das Fahrverhalten ihrer Kunden. Das wirft die Frage auf, ob künftig jedes exportierte Auto als Teil einer Betriebsstätte klassifiziert werden soll. Außerdem müssten neue Regeln für Transferpreise entwickelt werden, die den digitalen Betriebsstätten entsprechende Gewinnanteile zuweisen. All dies umzusetzen, könnte zu einer erheblichen Verkomplizierung des Steuerrechts führen. Länder wie Deutschland, die hoffen, durch die digitale Betriebsstätte mehr Steuern einzunehmen, könnten am Ende als Verlierer dastehen, weil die digitale Betriebsstätte tendenziell Besteuerungsrechte ins Land der Endverbraucher verlagert.
Über die mit der Einführung der digitalen Betriebsstätte verbundene Verlagerung von Besteuerungsrechten wird man international nur schwer Konsens erzielen können. Ob letztlich mehr Steuereinnahmen erhoben werden, hängt davon ab, ob die auf Hochsteuerländer entfallenden Besteuerungsrechte signifikant ausgeweitet werden. Das wäre der Fall, wenn die digitale Betriebsstätte vor allem Unternehmen der Digitalwirtschaft treffen würde, die derzeit einen großen Teil ihrer Gewinne in Steueroasen ausweisen. Wie im vorangehenden Abschnitt bereits erwähnt wurde, ist aber zu bedenken, dass die internationale Steuervermeidung nicht allein ein Problem der Digitalwirtschaft ist und deshalb breiterer Lösungsansätze bedarf.2
2 Einen aktuellen Überblick über empirische Studien zur internationalen Steuervermeidung bietet Riedel (2018). Zu Politikansätzen zur Bekämpfung unerwünschter Steuervermeidung vgl. Fuest et. al. (2013; 2015).
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