

- Startseite
- ETFs & Indexfonds
-
CO2-Zertifikate als Investment: „Emissionshandel vor historischem Defizit“

Es ist ein grauer Februartag in Hamburg, als Dan Barry die Redaktion von DAS INVESTMENT besucht. Der Chef von Spark Change kommt direkt aus London und nimmt auf der grünen Samtcouch Platz.
Einen ausgedruckten CO2-Ausblick hat er neben sich gelegt. Im Gespräch wird der große Engländer immer wieder Grafiken über den Couchtisch reichen, um die komplexen Zusammenhänge des CO2-Marktes zu erklären.
Da...
Warum nur an der Oberfläche kratzen? Tauchen Sie tiefer ein mit exklusiven Interviews und umfangreichen Analysen. Die Registrierung für den Premium-Bereich ist selbstverständlich kostenfrei.
Gratis-Zugang:
Um die Autorisierung über LinkedIn zu aktivieren, müssen Sie sich registrieren.
Um die Autorisierung über Google zu aktivieren, müssen Sie sich registrieren.
Es ist ein grauer Februartag in Hamburg, als Dan Barry die Redaktion von DAS INVESTMENT besucht. Der Chef von Spark Change kommt direkt aus London und nimmt auf der grünen Samtcouch Platz.
Einen ausgedruckten CO2-Ausblick hat er neben sich gelegt. Im Gespräch wird der große Engländer immer wieder Grafiken über den Couchtisch reichen, um die komplexen Zusammenhänge des CO2-Marktes zu erklären.
Dabei zeichnet Barry Kursverläufe nach und legt unsichtbare Bausteine von links nach rechts und wieder zurück. Er ist merklich in seinem Element, wenn er über die Zukunft des Emissionshandels spricht.

DAS INVESTMENT: Mister Barry, der EU-Emissionshandel war 2024 leicht überversorgt. Dennoch prognostizieren Sie steigende Preise. Wie passt das zusammen?
Dan Barry: Wir stehen vor einem entscheidenden Wendepunkt. Ab 2026 wird es ein historisches Defizit geben. Die Summe der Angebotslücke in den Jahren 2026 bis 2028 wird prozentual größer sein als jede bisherige Defizitphase. Zum Vergleich: In den Jahren 2021 bis 2023 hatten wir ein Defizit von 583 Millionen Zertifikaten bei einem Gesamtangebot von 3,3 Milliarden. Ab 2026 erwarten wir ein Defizit von 515 Millionen – aber bei einem deutlich kleineren Gesamtmarkt von nur noch 2,7 Milliarden Zertifikaten. Dieses strukturelle Ungleichgewicht wird massive Auswirkungen auf die Preise haben.

Der EU-Emissionshandel ist für viele Investoren ein komplexes Thema. Können Sie kurz erklären, wie das System funktioniert?
Barry: Das EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS) ist das zentrale Instrument der EU-Klimapolitik seit 2003. Es funktioniert nach einem einfachen Prinzip: Die Gesamtmenge der Emissionsrechte wird jedes Jahr reduziert – das ist gesetzlich festgelegt. Unternehmen erhalten diese Rechte entweder durch Auktionen oder über kostenlose Zuteilungen. Wer mehr CO2 ausstößt als er Zertifikate hat, muss zukaufen. Wer weniger emittiert, kann überschüssige Zertifikate verkaufen. Das schafft einen finanziellen Anreiz zur CO2-Reduktion.
Warum sollten Investoren nicht bis 2026 warten, wenn dann erst das große Defizit kommt?
Barry: Die großen Marktteilnehmer kaufen ihre Zertifikate nicht erst im Jahr der Emission. Sie verkaufen ihre Produkte ein bis zwei Jahre im Voraus und sichern sich entsprechend auch die Zertifikate frühzeitig. Die Erfahrung zeigt, dass die Preisbewegungen 12 bis 18 Monate vor dem eigentlichen Defizit einsetzen. Bei den beiden letzten großen Defizitphasen 2019 und 2021 war es genauso. Erste Anzeichen sehen wir bereits: Die professionellen Händler haben im Januar ihre Positionen komplett gedreht. Der Preis ist von den hohen 60er-Marken auf 82 Euro gestiegen, nach Gewinnmitnahmen liegt er aktuell bei Mitte 70.
Ihr Unternehmen bietet einen physisch hinterlegten ETC für CO2-Zertifikate an. Wie funktioniert das genau?
Barry: Traditionell gab es nur synthetische Produkte, die über Derivate oder Futures Zugang zum CO2-Markt boten. Das Problem dabei: Ein Future läuft irgendwann aus, und man muss ihn verkaufen und den nächsten kaufen. Anders als bei physischen Rohstoffen wie Öl oder Gas gibt es bei CO2-Zertifikaten keine Lagerkosten. Die Terminkurve zeigt immer nur die Finanzierungskosten – sie steigt also konstant an. Bei jedem Rollieren des Futures zahlt man diesen sogenannten Contango-Effekt und hat dadurch Performanceverluste.

Und Ihr Produkt?
Unser Produkt kauft und hält stattdessen die tatsächlichen Zertifikate, ähnlich wie ein Gold-ETC physisches Gold hält. Das bringt zwei entscheidende Vorteile: Erstens vermeiden wir den Performancedrag durch das Rollieren der Futures – je nach Preisniveau rund 80 Basispunkte pro Jahr. Zweitens haben wir einen echten Umwelteinfluss, denn wir entziehen dem Markt Zertifikate.
Was meinen Sie mit Umwelteinfluss?
Barry: Im EU-ETS gibt es den sogenannten Market Stability Reserve (MSR). Er prüft am Ende jedes Jahres, ob zu viele Zertifikate im Umlauf sind, und reduziert gegebenenfalls künftige Auktionsmengen. Wenn wir als Investor Zertifikate halten und nicht zur Emissionsdeckung nutzen, erhöhen wir diese Überschussberechnung. Das führt zur Streichung zukünftiger Zertifikate im Verhältnis von 24 Prozent. Für jedes Zertifikat, das wir ein Jahr halten, werden also 0,24 Zertifikate aus künftigen Auktionen gestrichen. Wir erzielen damit eine doppelte Wirkung: finanzielle Rendite und ökologischen Impact.
Technisch betrachtet: Wo liegen die Zertifikate?
Barry: Die Zertifikate werden von einer regulierten Verwaltungsgesellschaft gehalten, ähnlich wie bei einem Gold-ETC. Wir als Spark Change haben keinen direkten Zugriff auf die Zertifikate. Sie sind in einem separaten Konto bei der EU hinterlegt und vollständig vom Unternehmensvermögen getrennt. Das bietet Anlegern eine hohe Sicherheit – ihre Anlagen bleiben unabhängig von Spark Change vollständig geschützt.
Produkt | ISIN | Emittent | TER | Fondsvolumen | Auflagedatum | Replikation |
---|---|---|---|---|---|---|
SparkChange Physical Carbon EUA ETC (CO2) | XS2353177293 | Spark Change | 0,89% | 127 Millionen Euro | Oktober 2021 | Physisch |
Xtrackers Physical Carbon EUA ETC Security (XEAL) | DE000A3G3ZK4 | DWS | 0,74% | 27 Millionen Euro | November 2023 | Physisch |
UBS European Physical Carbon ETC (CO2E) | XS2651539681 | UBS | 0,75% | 0,7 Millionen Euro | Mai 2024 | Physisch |
Tabelle der handelbaren physischen CO2-ETCs
Ihr ETC hat mit einem TER von 0,89 Prozent die höchsten Gebühren im Vergleich zu Wettbewerbsprodukten wie denen von Xtrackers oder UBS. Wie rechtfertigen Sie das?
Barry: Wir sind die Pioniere in diesem Markt und Experten für den CO2-Emissionshandel. Die Wettbewerber haben kaum Volumen. Wir liegen bei etwa 127 Millionen Euro – bei UBS sind es gerade mal 700.000 Euro, bei Xtrackers rund 27 Millionen Euro. Wir liefern unseren Kunden wöchentliche Markteinschätzungen und intensive Betreuung. CO2-Zertifikate sind meist nicht der wichtigste Teil eines Portfolios, aber unsere Kunden schätzen unsere Expertise. Selbst Investoren, die zum gleichen Konzern wie DWS gehören, nutzen unser Produkt, weil sie unseren Service schätzen. Für wenige Basispunkte mehr bekommen sie ein Produkt mit umfassender Betreuung und dem doppelten Vorteil von Rendite plus Umweltwirkung.
Für welche Investoren eignet sich ein Investment in CO2-Zertifikate besonders?
Barry: Paradoxerweise dominieren aktuell kurzfristig orientierte Trader den Markt – Energiehändler, Rohstoffhäuser und quantitative Trader. Dabei ist der CO2-Markt eigentlich für langfristige Investoren prädestiniert. Die Angebotsentwicklung ist gesetzlich festgelegt und damit sehr gut vorhersehbar. Der Markt ist innerhalb eines Jahres schwer zu prognostizieren, aber über fünf bis zehn Jahre sehr verlässlich. Versicherungen und Pensionsfonds mit einem entsprechenden Anlagehorizont sollten viel stärker in diesem Markt aktiv sein.
Die USA spielen eine wichtige Rolle beim internationalen Klimaschutz. Welche Auswirkungen könnte die US-Politik auf den EU-Emissionshandel haben?
Barry: Die Trump-Administration ist ein Unsicherheitsfaktor für die globale Klimagesetzgebung, obwohl sie kontraintuitiv höhere Preise im EU-ETS unterstützen könnte. Besonders kritisch wäre ein möglicher Ausstieg aus Corsia, dem CO2-Kompensationssystem für die internationale Luftfahrt. Corsia hat eine freiwillige Phase von 2024 bis 2026, die verpflichtende Phase beginnt 2027. Sollte Corsia aus EU-Sicht scheitern, würde sich die Abdeckung der Luftfahrt im EU-ETS ändern.
In einem Szenario, bei dem ein einzelnes Land – wie die USA – nicht an Corsia teilnimmt, würden automatisch alle Flüge von der EU in die USA unter das EU-ETS fallen. Das würde etwa 40 Millionen Tonnen zusätzliche Nachfrage bedeuten, was einem Anstieg der Luftfahrtemissionen im EU-ETS um 70 Prozent entspräche. Im extremeren Fall, wenn internationale Flüge generell stärker einbezogen würden, könnten sogar bis zu 102 Millionen Tonnen hinzukommen – das wäre ein Plus von 150 Prozent bei den Luftfahrtemissionen.

Wie sehr würde sich das auf die Gesamtnachfrage auswirken?
Barry: In jedem Fall würde es die Nachfrage-Angebots-Balance weiter in Richtung Defizit verschieben und damit den Preisdruck erhöhen. Der EU-Emissionshandel selbst ist aber sehr robust konstruiert. Die Regeln wurden bewusst so gestaltet, dass sie nicht einfach geändert werden können.
Die Industrie braucht Planungssicherheit für langfristige Investitionen in CO2-arme Technologien. Wenn ich als Zementhersteller meine Anlagen umrüsten will, brauche ich Sicherheit über fünf bis zehn Jahre. Deshalb müssen Kommission, Parlament und Rat Änderungen gemeinsam beschließen, und dieser Prozess dauert in der Regel 18 bis 24 Monate.
Wie sehr könnten die CO2-Preise in den nächsten Jahren steigen?
Barry: Der Zweck des EU-ETS ist es, die CO2-Preise mit der Zeit steigen zu lassen, um immer teurere Vermeidungstechnologien wirtschaftlich zu machen. Für nachhaltigen Flugkraftstoff (SAF) bräuchte man beispielsweise einen CO2-Preis von 400 Euro pro Tonne, um ihn wirtschaftlich zu machen. Die Entscheidungsträger wissen, dass der Preis deutlich über 100 Euro steigen muss, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen. In den Jahren 2020 und 2021 stieg der Preis um 250 Prozent auf über 100 Euro. Ähnliche Bewegungen sind auch dieses Mal möglich.
Ein letztes Wort zu Ihren Markterwartungen für 2025?
Barry: 2025 selbst sieht ähnlich aus wie 2024 – ein weitgehend ausgeglichener Markt mit leichter Überversorgung. Aber die Zeit bis zum Mega-Defizit wird immer kürzer, und der Markt muss relativ bald reagieren. Die professionellen Händler positionieren sich bereits entsprechend. Ich habe in meiner Karriere seit 2005 nur drei Situationen erlebt, in denen die fundamentalen Angebots- und Nachfragebedingungen so eindeutig auf Preissteigerungen hindeuteten. Dies ist die vierte solche Gelegenheit – und die Signale könnten kaum deutlicher sein.
Über Dan Barry von Spark Change
Dan Barry ist Vorstand und Mitgründer von Spark Change, einem spezialisierten Anbieter von CO2-Daten, Analysen und Finanzprodukten. Seit 2005 ist er im Handel mit CO2-Zertifikaten aktiv und leitete unter anderem BPs globale Handelsabteilung für CO2-Zertifikate, ein Geschäft mit einem Jahresumsatz von 175 Millionen US-Dollar über vier Kontinente. Davor hatte er eine ähnliche Position bei Gazprom inne.
Barry verfügt über mehrere Abschlüsse der Universität Cambridge, darunter einen Bachelor in Naturwissenschaften und Master-Abschlüsse in Biologie und Management.
Über Spark Change und die Zusammenarbeit mit Han-ETF
Die Zusammenarbeit zwischen Spark Change und Han-ETF war entscheidend für die Entwicklung des weltweit ersten physisch hinterlegten CO2-ETCs. Während Spark Change sein spezialisiertes Wissen über den CO2-Markt einbrachte, stellte Han-ETF als White-Label-ETP-Anbieter in Europa die notwendige Infrastruktur für die Strukturierung und den Börsengang bereit.
Der Spark Change Physical Carbon EUA ETC (ISIN: XS2353177293) ist an den Börsen von London, Frankfurt und Mailand notiert und hat seit seiner Einführung rund 127 Millionen Euro an Investorengeldern eingesammelt.



