Commerzbank-Chefvolkswirt fordert Staat, vertraue deinen Bürgern!
Mittelständler verlassen still und leise das Land, die Menschen halten das Geld zusammen, Pessimismus grassiert – die einstmals bewunderte deutsche Wirtschaft fällt seit 2017 gegenüber dem Euroraum zurück (siehe Chart). Um das zu ändern, gibt es viele sinnvolle Vorschläge. Aber einzelne Maßnahmen greifen nur dann ineinander und entfalten eine heilende Wirkung, wenn dahinter die richtige Grundhaltung steht – nämlich eine Kultur des Vertrauens.
Damit sind nicht billige Appelle der Politiker an die Bürger gemeint, optimistischer in Zukunft zu schauen. Stattdessen geht es darum, dass der Staat seinen Unternehmen und Bürgern wieder Vertrauen entgegenbringt. Eine von Vertrauen geprägte Wirtschaftspolitik setzt auf Eigenverantwortung, Selbstbestimmung und Leistungsbereitschaft und entfacht die wirtschaftlichen Kräfte – also genau das, was Deutschland dringend braucht, um aus der schweren Krise zu kommen.
Ein vertrauender Staat senkt Bürokratie, ...
Wenn der Staat seinen Unternehmen und Bürgern vertraut, reguliert er mit Augenmaß, schreibt ihnen nur das wirklich Notwendige vor und vermeidet eine überbordende Bürokratie, die den Unternehmen so übel aufstößt. Die Politiker fragen sich vor dem Schreiben von Gesetzentwürfen, ob sie ihre politischen Ziele nicht ohne Regulierung besser erreichen können. Ist dennoch ein Gesetz notwendig, arbeitet der Staat eng mit Verbänden, einzelnen Unternehmen und Sachverständigen zusammen, um die Vorschriften möglichst praktikabel zu gestalten.
1.200% Rendite in 20 Jahren?
... betreibt eine wirtschaftliche Klimapolitk, ...
Wenn der Staat den Bürgern vertraut, wird er ihnen nicht im Detail vorschreiben, wie sie CO2 zu reduzieren haben. Stattdessen beschränkt sich ein vertrauender Staat darauf, den Ausstoß des Klimagases mit einem Preis zu versehen. Dann können die Bürger und Unternehmen selbst entscheiden, wie sie CO2 einsparen. Das kann eine Fassadendämmung sein, eine neue Heizung oder der Verzicht auf Fernreisen. Welche Maßnahmen für sie am günstigsten sind, wissen die Menschen besser als Politiker; eine solche Klimapolitik verursacht keine unnötigen Kosten.
... begrenzt den Sozialstaat und ...
Wenn der Staat den Menschen vertraut, will er nicht alle Lebensrisiken absichern, sondern konzentriert sich auf echte Bedürftigkeit. Dann stimmen anders als beim Bürgergeld die Anreize zum Arbeiten. Haushaltsmittel werden frei für die dringend benötigte Erneuerung von Straßen, Schienen und Schulen.
... bietet allen Unternehmen maßvolle Steuern
Wenn der Staat den Unternehmen vertraut, maßt er sich nicht an zu wissen, welche Technologien sich in der Zukunft durchsetzen. Stattdessen lässt er das die Unternehmen selbst herausfinden. Er wird nicht Halbleiterfabriken mit Milliardenbeträgen subventionieren, die früher oder später zu Überkapazitäten führen. Statt Subventionen für wenige vermeintliche Technologieführer bietet ein vertrauender Staat allen Unternehmen maßvolle und international wettbewerbsfähige Steuern.
Das wirtschaftliche Zurückfallen Deutschlands lässt sich nur umkehren mit einer anderen Haltung des Staates – mit einer des Vertrauens in Bürger und Unternehmen.
Über den Autor:
Jörg Krämer ist Chefvolkswirt der Commerzbank und Vorstand des Research-Bereichs. Krämer hat mehr als 25 Jahre Erfahrung in der makroökonomischen Forschung, startete als Konjunkturforscher am Kieler Institut für Weltwirtschaft.